Die Sprache der neuen Heimat lernen
Autor: Veronika Schadeck
Kronach, Freitag, 20. März 2015
Mit großem Eifer sind die syrischen Flüchtlingskinder im Unterricht bei der Sache. Und die Lehrer wiederum freut der Wunsch nach Bildung seitens der Schüler. Neben der Sprache geht es auch darum, sich im Alltag zurechtzufinden.
Flüchtlingskinder werden im Landkreis Kronach unterrichtet, auch an den Mittelschulen in Windheim und Kronach. Für die Schulleiter Herbert Vetter und seine Kollegin Anita Dauer ist das eine große Herausforderung, die sich aber lohnt: Die Schüler sehnten sich geradezu nach Bildung.
An der Mittelschule in Windheim haben rund 20 Prozent von insgesamt 162 Schülern einen Migrationshintergrund. Vertreten sind Nationalitäten wie Polen, Griechen, Türken und seit September 2014 sechs Flüchtlingskinder aus Syrien und Irak.
Es ist erstaunlich, wie gut diese Heranwachsenden die deutsche Sprache beherrschen. Sie beantworten Fragen über ihre Flucht, die von Syrien über Ägypten bis in die Rennsteig-Region führte. Sie erzählen davon, dass sie gerne Lammfleisch und Honig essen. Sie schwärmen von der Turnhalle an ihrer Schule.
"Hier ist es schön"
Man sieht ihnen das Leid und die Strapazen nicht an, das diese Kinder zuletzt in ihren Heimatländern und auf der Flucht erlebt haben. Vielmehr strahlen ihre Augen Hoffnung und Zuversicht aus. "Wir wollen lernen und später arbeiten!", erklärt Reber Jaafer, der als einziger aus dem Irak kommt. "Hier ist es schön!", schwärmt die zehnjährige Sagila Alissa. Und, so war zu hören: "Wir sind freundlich aufgenommen worden, aber nicht immer!"
Es ist etwas Stolz aus der Stimme des Schulleiters Herbert Vetter zu hören, wenn er von der Integrationsarbeit an seiner Schule erzählt. Er spricht von einer Aufgabe, von Herausforderungen, von Zielen - nämlich möglichst alle Schüler, einschließlich der jungen Menschen mit Migrationshintergrund, zu einem Schulabschluss zu führen.
Und in der Tat: An der Mittelschule Windheim wird einiges an Integrationsarbeit geleistet. So wurde speziell für die Flüchtlingskinder eine zusätzliche Sprachförderung eingerichtet. Bis Februar vermittelte der Dolmetscher Abu-Taa den Jugendlichen an drei Tagen in der Woche zusätzlichen Sprachunterricht. Jetzt ist mit Jutta Augustin eine Förderlehrerin mit Zweitsprache Deutsch im Einsatz, zusätzlich wird ab kommender Woche mit Carolin Studruker eine Studentin eingesetzt, die den Flüchtlingskindern neben Deutsch- auch Mathematikunterricht gibt.
Dankbarkeit ist aus der Stimme von Herbert Vetter zu entnehmen, wenn er davon spricht, das der Dolmetscher, der bis Februar im Einsatz war, ausschließlich aus Spenden, nämlich von der Kirchengemeinde, von den Kiwanis, von der Gemeinde und dem Landratsamt finanziert wurde.
Derzeit gehen die Flüchtlingskinder an drei Tagen nach Pressig. Diese Schule ist ebenso wie Windheim in der "Verbundschule Oberer Frankenwald" integriert. Auch dort werden fünf Flüchtlingskinder unterrichtet. Der ehemalige Schulleiter Günther Hanna hilft nicht nur, damit seine Schützlinge die deutsche Sprache lernen, sondern auch, damit sie sich im Alltag gut zurecht finden. Auf dem Unterrichtsplan stehen daher praktische Aktivitäten, wie der Besuch eines Supermarktes etc.
Die Kinder, so erklärt Herbert Vetter, sind in der Regel in der Ganzbetreuung. Das bedeutet, dort erhalten sie Hausaufgabenhilfen, sie werden aber auch in sportliche Aktivitäten mit eingebunden. Sie können auch Kontakte zu heimischen Vereinsvertretern finden.
Zwei Flüchtlingskinder werden auch an der Gottfried-Neukam-Mittelschule in Kronach unterrichtet. Sie besuchen dort die achte Klasse, am Freitag beendeten Dillar Jaafar und Juhan Jaffar ihr einwöchiges Praktikum bei der Firma Rebhan Werkzeugbau GmbH, beziehungsweise bei den Quarzsandwerken in Weißenbrunn. Für die Brüder war dies eine neue Erfahrung. Überhaupt war ihr Leben in jüngster Vergangenheit mit vielen neuen Ereignissen verbunden. Da war die Flucht aus Aleppo, über die Türkei. Es gab Stationen in Nürnberg, Zirndorf und seit Januar 2015 nun in Kronach, wo sie in einer Pfarreiwohnung untergebracht sind. Für die Schulleitung und auch dem Klassenleiter Oliver Müller war dies eine neue Situation. Schnell war man sich einig, dass das Erlernen der deutschen Sprache Priorität haben muss. Eingesetzt wurde der Förderlehrer mit Deutsch als Zweitsprache, Holger Bernreuther.
Mit einem Lächeln
"Die Kommunikation erfolgte zuerst mit einem Lächeln", meinte Bernreuther. Dann mit Bildern, Gegenüberstellungen an der Tafel. Problem sei, dass es im Vergleich zum arabischen Alpabet eine abweichende Anzahl der Vokale gibt, oder dass die Aussprache der meisten Konsonanten stark vom Deutschen abweicht. Maximal drei Stunden pro Tag habe er unterrichten können. "Mehr Stoff konnte nicht aufgenommen werden!"
Seit zwei Wochen unterrichtet nun Jessica Gebhardt pro Woche 13 Stunden "Deutsch". Die Gymnasiallehrerin ist von der Regierung von Oberfranken eingesetzt worden. "Es macht Spaß, denn die Jungs sind sehr lernwillig!" Sie will - sobald die Grundlagen der deutschen Sprache einigermaßen beherrscht werden - mit ihren Schützlingen den Alltag erproben. Anita Dauer hofft nun, dass die Brüder Jaafar noch lange an der Schule sind. Sie würden von den Mitschülern gut aufgenommen.
Laut Landratsamt leben im Landkreis Kronach sechs syrische Familien, darunter größere Familienverbände, und zehn Einzelpersonen. 14 Kinder im Alter zwischen sechs und 16 Jahren werden an den Schulen unterrichtet.
Untergebracht sind die syrischen Flüchtlinge in den Gemeinden, Reichenbach, Ludwigsstadt, Pressig, Kronach und Nordhalben.