Der Weg zur Arbeit ist 12.000 Kilometer lang
Autor: Veronika Schadeck
Steinbach am Wald, Dienstag, 26. Februar 2013
Der Steinbacher Michael Neubauer ist für die Kleintettauer Heinz-Holding tätig. Sein Arbeitsplatz befindet sich allerdings nicht in unmittelbarer Nähe zu seinem Wohnort.
Wenn sich Michael Neubauer nach einem Kurzaufenthalt in der Heimat wieder auf den Weg zu seinem Arbeitsplatz in Lima macht, braucht er genau 24 Stunden, um in seiner zweiten Wohnung anzukommen. "Es ist schon verrückt, 12.000 Kilometer mit Zwischenlandung an einem Tag zu bewältigen", betont der Steinbacher. Und während in der Heimat die Temperaturen im einstelligen Bereich liegen, herrscht in Lima hochsommerliches Wetter.
Erst kürzlich war Neubauer für zwei Tage in der Heimat - Zeit, die er hauptsächlich mit seiner Familie verbracht hat. Er musste dabei aber auch Süßigkeiten einzukaufen. "Meine Mitarbeiter sind ganz verrückt nach Leckereien aus Deutschland", erzählt Michael Neubauer. "Einen ganzen Koffer voller Naschereien nimmt er jedes Mal mit", schmunzelt seine Frau Claudia. Sie hat macht das Beste aus der Situation. Zweimal pro Jahr fliegt sie für 14 Tage nach Lima, er kommt einmal pro Monat nach Hause.
Große Nachfrage
Der 54-Jährige ist seit 2010 Geschäftsführer des peruanischen Standortes der Kleintettauer Heinz-Gruppe. 300 Mitarbeiter produzieren dort in der Glashütte jährlich rund 36 Millionen Flakons. Zusätzlich werden derzeit sechs bis acht Millionen Glasflakons aus den deutschen und polnischen Werken nach Lima geliefert. Von dort aus wird dann der südamerikanische Markt abgedeckt. "Die Nachfrage nach Glasflakons ist in diesen Ländern groß, der Markt noch lange nicht erschlossen." Michael Neubauer begründet dies mit der steigenden Mittelschicht in Peru. Aber auch Länder wie Kolumbien, Venezuela und Brasilien verzeichnen Wachstum und bieten dem Kleintettauer Unternehmen einen interessanten Markt.
Um den Bedarf zu decken, um flexibler auf die Anfragen der südamerikanischen Parfümhersteller und -abfüller reagieren zu können, investiert nun die Heinz-Gruppe in eine zweite Wanne mit drei Linien.
"Lima ist eine andere Welt", erzählt er. Offiziell lebten dort neun Millionen Menschen, inoffiziell seien es elf. "Die Lebenshaltungskosten sind zumindest in den etwas besseren Stadtteilen ähnlich wie hier in der Region. Die Menschen sind freundlich, gelassener. Obwohl die Mehrheit der Bevölkerung weniger Finanzmittel zur Verfügung haben, sind die Menschen doch insgesamt zufriedener als die Deutschen."
Keine leichte Aufgabe
Ursprünglich war der Aufenthalt Neubauers in Lima bis Ende August 2012 geplant. "Daraus wurde nichts", sagt er lachend. Er begründet dies unter anderem mit den Schwierigkeiten, vor Ort einen geeigneten Geschäftsführer zu finden. Die Aufgabe sei nicht leicht, erzählt er.
Abgesehen davon, dass der Geschäftsführer bei Neuinvestitionen ein entscheidendes Wort mit zureden hat und die Verhandlungen mit Kunden und Lieferanten führt, müsse man auch mit der peruanischen Arbeitsmentalität klarkommen. "Die sehen halt alles gelassener, auch ihren Beruf. Vor neun Uhr erscheint kaum einer im Büro. Und mitunter muss schon ein deutliches Wort gesprochen werden."
Fachkräfte fehlen
Bezüglich der Nachwuchsrekrutierung sei das Kleintettauer Unternehmen mit der Alexander-von-Humboldt-Schule in Kontakt. Damit hofft man, dem Mangel an geeigneten Fachkräften entgegenwirken zu können.
Als eine tolle Sache empfindet Michael Neubauer, dass die peruanische Regierung im vergangenen Jahr den Mindestlohn in Höhe von 750 Soles eingeführt hat (ein Euro entspricht 3,50 Soles). Bei Heinz-Glas in Lima sind laut Neubauer Verdienstmöglichkeiten in Führungspositionen von 7000 Soles und mehr möglich. Der Durchschnittslohn eines Facharbeiters betrage 2000 Soles.
Es ist ein gewisser Stolz aus Michael Neubauers Stimme zu hören. Stolz dahingehend, dass er in Peru eine Firma der Heinz-Gruppe mit aufbaut. Bei seinen Erzählungen wird aber auch klar, dass nicht alles nur eitel Sonnenschein ist. Die Bekanntschaften bewegen sich nur auf geschäftlicher Ebene. "Es fehlt die Zeit, um Freundschaften im privaten Bereich zu schließen. Die habe ich in Steinbach und Kleintettau."
Früh um 7 Uhr ist der zweifache Familienvater als Erster in der Firma. Gleich nach Arbeitsbeginn telefoniert er mit seinen Kollegen in der Stammfirma in Kleintettau. "Das ist ein guter Zeitpunkt, denn dort ist es dann früher Nachmittag." Ein 12-Stunden-Tag ist für Neubauer die Regel. Aus Ausgleich kocht er an den Wochenenden und lernt eifrig die spanische Sprache. Die peruanische Küche findet er hervorragend, sein Lieblingsgericht ist "Ceviche" - ein roher, marinierter Fisch. Dennoch, so gesteht er, vermisst er als typischer Frankenwälder seinen Sonntagsbraten mit Klößen. "Deshalb habe ich eine Kartoffelreibemaschine mit nach Lima genommen, um zumindest ab und zu Klöße machen zu können."
Auch wenn sein Job ihn vereinnahmt, so sind auch stille Minuten dabei, in denen er sich nach seiner Familie und nach seiner Heimat sehnt". Und er weiß genau: "In Lima werde ich nicht alt."