Beim Elterntalk in Kronach fällt Reden leichter

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Bernd Pflaum, Svenja Pilipp, Karin Jakob, Tanja Tögel und Melanie Franz (von links) sind vom Konzept des Elterntalks überzeugt. Foto:Marco Meißner
Bernd Pflaum, Svenja Pilipp, Karin Jakob, Tanja Tögel und Melanie Franz (von links) sind vom Konzept des Elterntalks überzeugt. Foto:Marco Meißner

Das Projekt "Elterntalk" bringt Väter und Mütter in häuslicher Atmosphäre zusammen. Dort können sie auf Augenhöhe über Fragen aus dem Erziehungsalltag sprechen. Auch im Landkreis Kronach gibt es dieses Angebot.

Zu fünft sitzen sie an einem Tisch und knabbern in der heimeligen Umgebung ab und an ein Salzstängchen. Die vier Frauen und der Mann in ihrer Mitte betrachten Kinder- und Familienbilder, die zwischen ihnen liegen. Sie schmunzeln und grübeln, aber vor allem quatschen sie ganz locker miteinander. Oder auf Neudeutsch: Sie talken. Nein, dass hier ist kein Stammtisch. Es ist auch kein familiäres Kaffeekränzchen. Es ist ein "Elterntalk".

"Was braucht ein Kind wirklich?", steht auf der Rückseite eines Fotos. Vorne drauf ist ein kleiner Junge zu sehen, vielleicht vier, fünf Jahre alt, der von Büchern und Spielsachen regelrecht umzingelt ist. "Spielzeuge sind kein Ersatz für die Eltern", stellt Karin Jakob bei diesem Anblick fest. Das finden auch Tanja Tittel und Melanie Franz. Die drei Frauen sind eigentlich Moderatorinnen für den so genannten Elterntalk.
Doch heute sind sie selbst Gäste einer Gesprächsrunde bei Svenja Pilipp.


Fotos sind Motor des Gesprächs

"Der Elterntalk ist ein niederschwelliges Angebot", erklärt die gastgebende Kinder- und Jugendpsychotherapeutin, die das Projekt als Regionalbeauftragte begleitet. Normalerweise sind es genau diese beiden Funktionen, die Pilipp davon abhalten, selbst die Gesprächsrunden zu leiten. "Die Regionalbeauftragte schult die Moderatoren, die selbst keine pädagogische Ausbildung haben sollen. Sie sollen ,nur‘ Eltern sein", erklärt Bernd Pflaum vom Landratsamt. Die Moderatoren würden dann die Diskussionen der Eltern bei einem freiwilligen Gastgeber leiten, ohne dabei mit Fachwissen um sich zu werfen. Die Gespräche sollen auf diese Weise zu einem Austausch auf Augenhöhe werden.

Inzwischen sind die Blicke bei einem anderen Foto angekommen. Ein Kind spielt auf dem Fußboden, Papa sitzt vor der Glotze, daneben stehen Bier- und Schnapsflaschen. "Das geht gar nicht!", sind sich die Fünf einig. Doch sie bleiben nicht an der Oberfläche dieses eindeutig negativen Beispiels hängen.


Thema Alkohol hat mehr als einen Aspekt

Wie sieht es aus, wenn der Alkohol keine Suchtbefriedigung ist, sondern nur ein gelegentlicher Genuss? Wie gehen Eltern damit um, wenn den Erwachsenen ein Glas Bier oder Wein zum Essen serviert wird? In solchen Momenten bewegt sich die Diskussion ganz dicht am Alltag. Und dann sind weder die Ansichten noch die Lösungen so eindeutig. Genau deshalb ist es für Pflaum so wichtig, normalerweise keinen Fachmann als Diskussionsleiter zu haben. "So ist kein Schlaumeier dabei, der sagt, wie es gehen muss", meint er. Und Tanja Tittel weiß aus ihrer Moderatoren-Erfahrung: "Am Tisch entwickeln sich dann verschiedene Lösungsvorschläge." Dabei gilt konsequent: "Was am Tisch besprochen wird, soll im Raum bleiben!"

"Moderieren heißt moderieren - nicht vorpreschen", stellt auch Svenja Pilipp klar. Gerade durch dieses "geniale System" könne eine Vielzahl von Themen aufgegriffen werden. Zu den Gesprächsrunden seien natürlich nicht nur Mütter, sondern auch Väter willkommen. "Die haben oft ein schlechtes Gewissen, weil ihnen manchmal die Zeit für die Familie fehlt. In der Gruppe sehen sie, dass es anderen genauso geht", weiß Pilipp um die positive Wirkung, die solch ein Gespräch haben kann. Und durch den Austausch in einem häuslichen Umfeld werde schnell das Eis zwischen den Teilnehmern gebrochen.


Migranten integrieren

"Wir können so etwas aber gerne auch in einer Einrichtung durchführen, also dem Kindergarten oder der Schule", stellt die Psychotherapeutin klar. Wichtig sei ihr, dass weitere Eltern einsteigen - egal, ob als Teilnehmer, Gastgeber oder Moderatoren. Auch würde sie sich freuen, wieder Moderatoren zu haben, die Russisch oder Türkisch sprechen. "Ziel ist es nämlich, auch Eltern mit Migrationshintergrund zu erreichen."

Dass nicht jedes Thema einfach zu handhaben ist, ist der Gruppe klar. Als die Teilnehmer das nächste Foto aufnehmen, wird das deutlich. "Eltern sind Vorbilder", stellt Pilipp die These dazu in den Raum. Da gebe es schon Teilnehmer, für die - mit Blick auf die eigene Kindheit - damit ein wunder Punkt getroffen wird. "Es kann sein, dass so eine Frage zum Stocken der Diskussion führt", erklärt die Regionalbeauftragte. Wie man mit so einem Thema letztlich umgehe, liege an der Gruppe selbst, die nicht groß sein sollte.

Dieses Konzept funktioniert auch an diesem Abend. So wird das schwierige Thema fast wie in einer kleinen Familie diskutiert - mit viel Einfühlungsvermögen, Offenheit und einer Prise Humor.

Am Ende kann jeder für seinen Alltag etwas aus dem Gespräch mitnehmen. Das ist der Vorteil, wenn man mit Gleichgesinnten über seine Probleme und Fragen einfach mal talkt.

Das Konzept

Der Landkreis Kronach ist der Standortpartner für diese Aktion der Jugendschutz-Landesarbeitsstelle Bayern. Gefördert wird dieses Projekt aus Mitteln des Bayerischen Staatsministeriums für Arbeit und Soziales, Familie und Integration und des Bayerischen Staatsministeriums für Gesundheit und Pflege.

Jeder Vater und jede Mutter mit Interesse ist beim Elterntalk willkommen. Wer eine solche Gesprächsrunde ausrichtet, erhält auch eine Entschädigung.

Elterntalk steht für: Fachgespräche von Eltern für Eltern. Eltern treffen sich im privaten Rahmen zu einem Erfahrungsaustausch über Erziehungsfragen in der Familie. Im Mittelpunkt stehen die Themen Medien, Konsum und Suchtvorbeugung.

Ansprechpartnerin für den Kreis Kronach ist Regionalbeauftragte Svenja Pilipp, Äußerer Ring 21 in Kronach, Telefon 09261/6709303, E-Mail: s.pilipp@t-online.de.

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