Attacke hat für Kronacher Sicherheitswacht nichts verändert

3 Min
Unterstützung erhielten Jan (links) und Christine von einem Passanten. Er hat den Unrat vor dem Bahnhof mit aufgeräumt und dann ein Schwätzchen mit den beiden Vertretern der Sicherheitswacht gehalten. Nicht immer machen die beiden Sicherheitsleute so positive Erfahrungen mit der Hilfsbereitschaft ihrer Mitbürger. Foto: Marco Meißner
Unterstützung erhielten Jan (links) und Christine von einem Passanten. Er hat den Unrat vor dem Bahnhof mit aufgeräumt und dann ein Schwätzchen mit den beiden Vertretern der Sicherheitswacht gehalten. Nicht immer machen die beiden Sicherheitsleute so positive Erfahrungen mit der Hilfsbereitschaft ihrer Mitbürger. Foto: Marco Meißner

Christine und Jan sorgen mit acht weiteren Duos der Sicherheitswacht dafür, dass es nachts etwas sicherer im Landkreis Kronach zugeht. Vor Kurzem wurden die beiden angegriffen. Dennoch halten sie an ihrem Dienst fest.

Vor einigen Minuten noch hatten die drei jungen Leute unter dem Vordach des Kronacher Bahnhofs gestanden, als wollten sie bloß im Trockenen sein. Jetzt hat der Nieselregen aufgehört, und es ist offensichtlich, dass sie sich eher zu einer kleinen Privatparty getroffen haben. Als ein junger Mann pampig wird, weil er die Stufen räumen und den Dreck und die Flaschen mitnehmen soll, lassen sich die 56-jährige Christine und der 36-jährige Jan nicht erschrecken. Sachlich, aber bestimmt zeigen die beiden Mitglieder der Sicherheitswacht dem Jugendlichen seine Grenzen auf.

Am Ende ist die Treppe sauber, die jungen Leute machen die Stufen frei, ein Erwachsener hat sich eingeklinkt und den Unrat mit entsorgt - und ein junger Mann wird sogar mit einem Klaps auf die Schulter verabschiedet. "Man darf nicht arrogant auftreten, sie vor ihren Kollegen bloßstellen", weiß Jan, wie man aus einer solchen Situation die Schärfe nimmt.
Gleichzeitig müsse man aber allzu übermütige Gesellen verbal auch mal in ihre Schranken verweisen, ergänzt Christine.

Eine Frau mit Rückgrat

Gerade bei einer Frau denke mancher, er könne sich mehr herausnehmen - doch falsch gedacht. Die beiden Streifengänger lassen sich ihren Schneid nicht abkaufen. Christine ist seit zehn Jahren bei der Sicherheitswacht mit von der Partie. Jan - seit rund einem Jahr ihr Partner bei diesem ehrenamtlichen Dienst - ist seit Anfang 2013 für die Sicherheit in Kronach, Küps, Weißenbrunn, Marktrodach und Stockheim im Einsatz. Dass die beiden diese Aufgabe auch jetzt noch in sieben dreistündigen Schichten jeden Monat übernehmen, ist nicht selbstverständlich. Dass sie dabei so ruhig und gelassen vorgehen noch weniger.

Erst Ende August wurden die beiden auf dem Melchior-Otto-Platz attackiert. Bei einer Kontrolle stieß ein 17-Jähriger Morddrohungen gegen Jan und Christine aus. Dann ging er auf den 36-Jährigen los, riss ihn zu Boden. Dort würgte der Angreifer den Sicherheitswachtler und schlug ihm mehrfach mit den Knien gegen den Kopf, wie es in einer Pressemitteilung des Polizeipräsidiums Oberfranken und der Staatsanwaltschaft Coburg hieß.

Angst darf man nicht haben

Wie sich die Ereignisse damals im Detail abgespielt haben, darüber dürfen die beiden Mitglieder der Sicherheitswacht nicht sprechen. Allerdings bestätigen beide, dass die Geschehnisse keine Auswirkungen auf ihren Dienst haben. "Für mich hat sich nix geändert", stellt die 56-Jährige selbstbewusst fest. Ihr 20 Jahre jüngerer Kollege unterstreicht: "Wenn wir jetzt Angst hätten, dann wären wir hier fehl am Platz."

Ganz spurlos ist die Sache aber doch nicht an ihnen vorübergegangen. "Man wird bei manchen noch etwas vorsichtiger", stellen sie fest. Und Jan hat eine kleine Lehre für sich selbst daraus gezogen: "Ich achte jetzt zum Beispiel sehr darauf, dass immer alle meine Taschen zu sind. Dass sind alles Angriffspunkte."

Heute müssen sich die beiden um derartige Situationen keine Gedanken machen. Neben dem kurzen Intermezzo am Bahnhof geht es sehr ruhig zu. Dennoch spürt man dem Duo an, dass ihm sein Ehrenamt längst in Fleisch und Blut übergegangen ist. Jederzeit haben die zwei Sicherheitswachtler die Augen wachsam auf die Umgebung gerichtet. In der Industriestraße steht ein verdächtiger Kleinlaster mit Laderampe und ausländischem Kennzeichen bei einem Geschäft. Das verdächtige Fahrzeug wird der Kronacher Polizei gleich mitgeteilt. Für solche Details haben Jan und Christine einen Blick entwickelt.


Streife ist nicht ausrechenbar

Sie scheuen sich auch nicht, einen kleinen, düsteren Park in der Innenstadt zu kontrollieren. Doch in diesem Fall ist die Sause schon gelaufen. "Hier kommen immer welche zum Saufen her", erklärt Christine, dass das Duo seine Pappenheimer und deren typische Treffpunkte genau kennt. "Heute ist aber schon am Nachmittag was gelaufen, weil alles voller Flaschen steht", sagt sie. "... und es dementsprechend riecht", ergänzt Jan.

Ihre Runde führt sie in dieser Nacht auch aus der Kreisstadt hinaus. Sie kontrollieren ein offen stehendes Firmengelände in Küps, schauen sich dort bei der Schule um und kontrollieren beim Friesener Sportheim - alles ruhig. Der Regen hat wohl den Spaß an Sauftouren und Randale ertränkt. Dass sich Übeltäter auf das Auftauchen der Sicherheitswacht vorbereiten, ist nicht möglich. "Die Streife verläuft immer unregelmäßig", erklärt Jan eine der wichtigsten Grundregeln. Und jedem Duo sei in seiner Schicht weitgehend selbst überlassen, wie es seinen Streifengang einteilt. Das macht die Wacht unberechenbar.

Randalierer, Trinker, Drogenabhängige - auf alle diese Unruhestifter sind die beiden bei ihrem ehrenamtlichen Dienst schon getroffen. Altersmäßig geht es bei ihrer "Kundschaft" quer durch die Bank. Der ständige Kontakt zu den Polizeibeamten in der Inspektion, ein Platzverweis, eine vorläufige Festnahme und das Unterbinden einer Trunkenheitsfahrt und, dass sind die Mittel, die der Sicherheitswacht neben dem Gespräch zur Verfügung stehen, um auf Schwierigkeiten zu reagieren.

Bei einigen habe es nach einer Diskussion sogar Klick gemacht, ein Umdenken eingesetzt, freut sich Christine über kleine Erfolge, die sich fast ein wenig wie bei einer Sozialarbeit anfühlen. Viele ihrer "üblichen Verdächtigen" treffen die beiden aber immer wieder mal bei ihrer Streife an, wobei sich die Treffpunkte mit der Zeit verlagern. Im Moment ist ein beliebtes Eck für nächtliche Gelage im Innenstadtbereich zu finden, wie die beiden wissen.

Nicht wegschauen!

Warum sich die beiden Angehörigen der Sicherheitswacht ein solches Ehrenamt auferlegen? "Jeder schaut weg", sagt Christine. Eine Erfahrung, die sie sogar im Einsatz für die Sicherheitswacht gemacht hat. "Aber ich kann das nicht."

Und für Jan steht fest: "Das ist eine Berufung. Es gibt Menschen, die wollen etwas verändern und auch etwas für unsere Jugend tun." Und so gehen die beiden auch in den kommenden Wochen wieder gemeinsam auf Streife, um die Straßen zumindest ein Stück weit sicherer zu machen.