Kitzingen

Alternative für das Gedenken?

Politiker und Geistliche nehmen Stellung zur Erinnerung an den Holocaust

Heute vor 72 Jahren wurde Kitzingen zerbombt, wenige Wochen später war der Zweite Weltkrieg beendet. Rund 70 Millionen Menschen mussten ihr Leben lassen. Thüringens AfD-Landesvorsitzender Björn Höcke hat die Erinnerungskultur in diesem Land unlängst kritisiert, das Holocaust-Mahnmal in Berlin als „Denkmal der Schande“ bezeichnet. Wie steht es um die Erinnerungskultur in unserem Lande? Ist es Zeit für ein Umdenken?

Hanspeter Kern,

evangelischer Dekan: „Das Gedankengut der Nazis ist nicht aus der Welt geschafft, leider findet es immer neu Anhänger. Gedenktage machen deutlich, wohin solches Denken führt und wozu Menschen fähig sind. Deshalb sind sie wichtig. Unrecht, das geschehen ist, darf nicht in Vergessenheit geraten. Es soll sich nicht wiederholen. Denn von der Geschichtsvergessenheit hin zur selbstherrlichen Leugnung von Tatsachen ist es dann nicht weit. Wenn Politiker unserer Tage etwa das Holocaust-Denkmal ein Denkmal der Schande nennen, dann haben sie nichts verstanden.“

Dr. Otto Hünnerkopf,

MdL (CSU): „Der Jahrestag des Luftangriffs auf Kitzingen ist ein Anlass, immer wieder an die Toten vom 23. Februar 1945 und an die Gräueltaten der Nazis zu erinnern. Die Erinnerung aufrechtzuerhalten, ist ein heilsames Ritual, denn wer aufhört sich zu erinnern, vergisst. Und wer vergisst, läuft Gefahr, vergleichbare Fehler wieder zu machen. Die Erinnerung prägt unser aktuelles politisches Handeln. Ich bin dankbar, dass die Opfer des Naziterrors sowie deren Nachfahren bereit zur Versöhnung waren und dass wir inzwischen über 70 Jahre Frieden in Europa haben.“

Volkmar Halbleib,

MdL (SPD): „Der von Hitler-Deutschland angezettelte Krieg hat in fast jede unterfränkische Familie schmerzliche Lücken gerissen. Die Erinnerung hieran ist heute wichtiger denn je. Zum einen, weil die Erlebnisgeneration, die von den Schrecken der Zeit zwischen 1933 und 1945 noch unmittelbar berichten kann, wegbricht. Sie muss durch anschauliche Geschichtsinformation ersetzt werden. Zum anderen ist in Zeiten der Euroskepsis die politische Erkenntnis enorm wichtig, dass Nationalismus am Ende Krieg bedeutet und nur Europa eine friedliche Zukunft für uns sichert.

Christian Klingen,

AfD-Vorsitzender in Unterfranken: „Ich bedauere die Opfer des Luftangriffs auf die Stadt Kitzingen und die Opfer der Gräueltaten des NS-Regimes und das hierdurch hervorgerufene Leid für die betroffenen Angehörigen. Die Erinnerung an die grausamen Verbrechen der Nationalsozialisten und an den Holocaust ist ein wichtiger Bestandteil jeder deutschen Geschichtsbetrachtung. Die Verbrechen der Nationalsozialisten und der Holocaust sind damit unmittelbarer Bestandteil der deutschen Erinnerungskultur.“

Dr. Paul Beinhofer,

Regierungspräsident: „Am 23. Februar 1945 wurde Kitzingen durch 2500 Sprengbomben getroffen; fast 700 Tote waren zu beklagen. Nur wer die Geschichte kennt und die Vergangenheit in Erinnerung behält, weiß um die Gefahren, wie zerbrechlich der Frieden sein kann und wie dankbar wir sein können, mittlerweile über 70 Jahre in Frieden zu leben. Der Erinnerungskultur und Friedensarbeit an unseren Schulen kommt eine zukunftsweisende Rolle zu. Diese zu unterstützen sollte in zunehmend unsicheren Zeiten unser aller Anliegen sein“.

Dr. Friedhelm Hofmann,

Bischof: „Das Gedenken an den Holocaust und an die unmenschlichen Umstände des Nationalsozialismus muss beständig auch in unserer Zeit gepflegt werden. Die Zeitzeugen, die die damalige Situation miterlebt haben, werden weniger. Umso wichtiger wird es im Blick auf die Zukunft unseres Landes – eingebunden in die Gemeinschaft Europas und der Welt – die Erinnerung wach zu halten. Nie mehr dürfen sich diese unvorstellbaren Gräueltaten, die in den beiden Weltkriegen die Menschen erschüttert haben, wiederholen.“

Tamara Bischof,

Landrätin: „Je weniger Zeitzeugen es gibt, die uns von den Gräueltaten des Kriegs berichten und unsere Vergangenheit real werden lassen, desto größer wird die Distanz dazu. Deshalb werden Gedenkorte und -tage immer wichtiger: Durch sie werden wir an die Geschichte erinnert und uns wird bewusst, wie dankbar wir sein können, dass wir heute in Frieden leben. Wir müssen uns stets vor Augen halten, dass ein Leben in Freiheit und Demokratie keine Selbstverständlichkeit ist, sondern dass wir aktiv dafür eintreten müssen. Dazu gehört auch die Auseinandersetzung mit unserer Geschichte.“