Schwester fühlt sich von Bruder bedroht: "Ich lebe - aber ihr seid alle tot!"
Autor: Manfred Wagner
Haßfurt, Samstag, 10. Mai 2014
Das Amtsgericht in Haßfurt stellte ein Verfahren wegen Bedrohung gegen einen 53-jährigen Mann ein. Seine jüngere Schwester hatte ihn angezeigt, weil sie sich bedroht fühlte.
Dass es unter Geschwistern Ärger und Verdruss gibt, ist nicht so selten. Aber dass eine solche Zwistigkeit zu einem strafrechtlichen Nachspiel führt, fällt doch etwas aus dem Rahmen. Am Freitag saß ein 53-Jähriger auf der Anklagebank des Haßfurter Amtsgerichts. Seine um acht Jahre jüngere Schwester hatte ihn angezeigt, weil sie sich von ihm bedroht fühlte. Für eine Straftat im Sinne einer Bedrohung reichte das jedoch nicht aus: Das Strafverfahren wurde ohne Auflage eingestellt.
Der 22. Juli letzten Jahres war ein Montag. An diesem Tag betrat gegen 7.45 Uhr der in Mittelfranken lebende Angeklagte einen Laden im Haßberge-Kreis, in dem seine Schwester arbeitete. An der Kasse stehend, fauchte der Mann sie mit wütendem Blick an: "Ihr habt mir mein ganzes Leben versaut", zeigte drohend mit dem ausgestreckten Finger auf die Frau und fügte in Angst einflößendem Ton hinzu: "Ich lebe - aber ihr seid alle tot."
Wohl auch, da sich der Hartz-IV-Empfänger bereits fünfmal vor dem Kadi verantworten musste und bei der jüngsten Tat unter laufender Bewährung stand, bejahte der zuständige Staatsanwalt das öffentliche Interesse an der Strafverfolgung und leitete die Anklage in die Wege. Bei Delikten wie Bedrohung, Beleidigung oder Verleumdung sprechen die Juristen von sogenannten Antragsdelikten. Darunter versteht man eine Straftat, der grundsätzlich nur auf Antrag des Verletzten oder Betroffenen von den Strafverfolgungsbehörden nachgegangen wird.
"Etwas dünn"
Auf Nachfrage von Ilker Özalp, dem Vertreter der Anklage, erklärte die Frau im Zeugenstand, dass sie an einer Strafverfolgung nach wie vor interessiert sei. Doch die Strafrichterin Ilona Conver hielt den Anklagevorwurf für "etwas dünn". Die höchstrichterliche Rechtsprechung, führte sie aus, stelle hier hohe Anforderungen. Um jemanden zu verurteilen, müsse eine konkrete und ernsthafte Bedrohung mit einem konkreten Verbrechen, mithin ein gewisser Tatentschluss, vorliegen.
Ein im Affekt ausgestoßener Satz genüge da auf jeden Fall nicht. Auch die Tatsache, dass sich jemand bedroht fühlt, sei noch lange nicht ausreichend. Zudem gelte im deutschen Strafrecht das Analogieverbot. Unter diesem Rechtsgrundsatz versteht man, dass ein Gericht eine als verwerflich und damit als strafwürdig eingestufte Handlung nicht sanktionieren darf, wenn das festgestellte Verhalten nicht völlig einer definierten Strafnorm entspricht.
Nach diesen rechtlichen Ausführungen waren alle Beteiligten mit der Verfahrenseinstellung einverstanden. Um neue Anzeigen aus dem Familienkreis auszuschließen, wurde dem Mann von Seiten des Gerichts dringend nahegelegt, zukünftig jeden Kontakt mit den Geschwistern zu meiden. Die Kosten für seinen Pflichtverteidiger Ralf Kämmer sowie die Gerichtskosten übernimmt die Staatskasse.