Druckartikel: Keiner will Schaden an Grab bezahlen

Keiner will Schaden an Grab bezahlen


Autor: Helmut Will

Unterpreppach, Mittwoch, 28. November 2018

Ruth Zink ist sauer. Auf dem Friedhof in Unterpreppach ist ihr ein Schaden entstanden. Aber niemand will dafür aufkommen.
Ruth Zink ist enttäuscht. Vor Jahren wurde der Schaden an der Umrandung des Grabes ihrer Mutter behoben. Nun, wie in diesem gleich gelagerten Fall, schieben sich Friedhofsträger und Bestatter die Verantwortung gegenseitig zu. Keiner will bezahlen. Helmut Will


Seit 1997 ist die Mutter von Ruth Zink auf dem Friedhof in Unterpreppach beerdigt. Nachdem im Jahr 2006 in einen Grab daneben eine Frau beigesetzt wurde, kam es an der Einfassung des Grabes der Mutter von Ruth Zink zu einem Schaden. Die Sandsteineinfassung brach. Dieser Schaden wurde, nachdem Ruth Zink bei der Stadt Ebern den Schaden gemeldet hatte, von deren Versicherung ohne großes Aufsehen behoben.

Als zwölf Jahre später, im Jahr 2018, erneut im Nachbargrab eine Frau beerdigt wurde, musste Ruth Zink einige Tage später, als sie das Grab ihrer Mutter besuchte, feststellen, dass an der Front des Grabes in der Sandsteinumfassung ein knapp ein Zentimeter breiter Riss klaffte. "Die Situation war die gleiche wie von zwölf Jahren", sagt Ruth Zink. Sie meldete den Schaden erneut bei der Stadt Ebern an. Diesmal allerdings stellte man sich dort stur.

Frau Zink bekam im Juli 2018 auf ihren Einwand hin einen Brief (liegt der Redaktion vor) von Jürgen Hennemann (SPD), Bürgermeister in Ebern. Darin schrieb er, dass das Ausheben und Verfüllen eines Grabes grundsätzlich Aufgabe des Friedhofsträgers, in diesem Fall der Stadt Ebern, sei, weil es sich um eine sogenannte "hoheitliche Tätigkeit" handle. Der Friedhofsträger könne sich eines privaten Unternehmens, eines sogenannten "Erfüllungsgehilfen", bedienen. In diesem Brief stellte Hennemann klar, dass, wenn bei der Ausführung der Arbeiten fremdes Recht verletzt würde, der Friedhofsträger haften würde. Soweit alles klar, dachte Ruth Zink.

Als sie aber weiterlas, war die Rede von "einem Verschulden, welches vorsätzlich oder grob fahrlässig sein" müsse, oder es müsse die Sorgfaltspflicht "in besonders schwerem Maße" verletzt werden. Würden diese Pflichten von einem Unternehmer, dem "Erfüllungsgehilfen", verletzt, so würde dieser wiederum gegenüber dem Friedhofsträger haftbar sein.

Hennemann räumte ein, dass es aufgrund beengter Verhältnisse auf Friedhöfen durchaus nach der Belegung eines Grabes zu Absenkungen oder Schäden am Nachbargrab kommen könne, weil aus Pietätsgründen der Friedhofsträger keine Verdichtungsmaßnahmen vornehmen dürfe. "Auf einem Friedhof ist deshalb immer mit Setzungen zu rechnen", schrieb der Bürgermeister von Ebern; es sei eine "eigentümliche und typische Erscheinung." Die Grabherstellung des Nachbargrabes sei mit der gebotenen Sorgfalt vorgenommen worden, weshalb die Stadt Ebern als Friedhofsträger keine Möglichkeit sehe, den Schaden am Grab der Mutter von Ruth Zink beheben zu lassen.

"Da war ich erst einmal sprachlos, im Jahr 2006 hatten wir die gleiche Situation, da wurde der Schaden anstandslos durch die Versicherung der Stadt Ebern behoben, warum jetzt nicht?", fragt sich Ruth Zink. Bei einem ersten Gespräch, als Ruth Zink den Schaden bei der Stadt Ebern unter Vorlage von Fotos mit der Beschädigung meldete, sei sie von der für den Friedhof zuständigen Sachbearbeiterin an den "Erfüllungsgehilfen", in diesem Fall an das Bestattungsunternehmen Zehe in Haßfurt, verwiesen worden. Hier habe sie zunächst telefonisch die Auskunft erhalten, dass solche Schäden vorkommen könnten, wenn sich das frische Nachbarschaftsgrab setzt. Außerdem sei die Umfassung des Grabes ihrer Mutter aus Sandstein, und der sei nun mal nicht so hart wie Granit. "Bin ich jetzt schuld, weil das Grab meiner Mutter nicht mit Granit umfasst ist?", fragt Ruth Zink weiter. Ferner sei ihr gesagt worden, wenn ein Unternehmer für solche Schäden aufkommen müsse, würde er nichts mehr verdienen. "Mir wurde aber zugesagt, dass die Firma Zehe nochmals mit ihrer Versicherung sprechen werde", so Ruth Zink. Nun wandte sich Frau Zink an unsere Redaktion.

Ein erster Anruf unserer Redaktion beim Vertragspartner der Stadt Ebern in Sachen Beisetzungen, Michael Zehe, erfolgte am 13. August. Hier wurde gesagt, dass für solche Angelegenheiten, die Setzungen betreffen, die Stadt Ebern der richtige Ansprechpartner sei. Am gleichen Tag wurde das Bestattungsunternehmen per Mail um eine schriftliche Stellungnahme gebeten, in der mitgeteilt wurde, dass die Stadt Ebern den Schaden nicht übernehmen wolle, weil der Auftrag für die betreffende Bestattung an das Bestattungsunternehmen übertragen wurde. Michael Zehe antwortete darauf per Mail, dass seine Firma seit vielen Jahren Bestattungen im Bereich der Stadt Ebern vornehme. Dabei komme es schon mal vor, dass beim Ausheben oder Verfüllen eines Grabes ein Nachbargrab beschädigt werde. "Diese Schäden werden an unsere Haftpflichtversicherung weitergegeben und anstandslos bezahlt", schrieb Zehe. Im vorliegenden Fall sei das Grab vorschriftsmäßig ausgehoben und verfüllt worden. Nichts sei beschädigt worden. Weiter ist zu lesen: "Die Einfassung des Nachbargrabes (Zink) brach, als sich das Grab daneben setzte." Dass sich frische Gräber setzen, liege in der Sache der Natur, eine Verdichtung des Grabaushubes sei nicht erlaubt. Außerdem lägen die Gräber in Unterpreppach unmittelbar nebeneinander und zwischen den Einfassungen sei nur wenig Platz. Deshalb sei mit einem Absenken des Nachbargrabes nach einer Beerdigung jederzeit zu rechnen. Michael Zehe bedauerte, dass er den Angehörigen (Zink) in diesem Fall nicht helfen könne, und gab wieder den Ratschlag, dass sich die Betroffenen an den Friedhofsträger wenden sollten.

Es wurde erneut mit der Stadt Ebern Kontakt aufgenommen. Diesmal über den amtierenden Dritten Bürgermeister Werner Riegel. Der zeigte sich überzeugt, dass die Versicherung der Stadt oder des Bestatters den Schaden übernehmen müsse. Riegel teilte jedoch am 6. November mit, dass er nach Rücksprache mit Bürgermeister Jürgen Hennemann die Auskunft erhielt, dass die Versicherung der Stadt Ebern den Schaden nicht übernehme. Da die Stadt den Bestattungsauftrag an die Firma Zehe vergeben habe, müsse diese oder ihre Versicherung für den Schaden am Grab Zink aufkommen. Ein letzter Versuch beim Bestattungsunternehmen Zehe am 17. November mit dem Hinweis, dass es unverständlich sei, dass jemand, der geschädigt wurde, auf seinem Schaden sitzen bleiben soll, blieb erfolglos. Zehe teilte mit, dass er es "wirklich bedauert", dass Frau Zink ein Schaden durch eine Grabsetzung des Nachbargrabes entstanden ist. Da es aber nicht das Verschulden seiner Firma sei, könne seine Versicherung für den Schaden nicht aufkommen.

Ruth Zink bleibt auf dem Schaden sitzen. Ihr bleibt nur noch der Klageweg.

Dazu ein Kommentar von Helmut Will:

Das darf nicht sein Ruth Zink ist bitter enttäuscht - und das zu Recht. Zweimal, im Jahr 2006 und im Jahr 2018, brach die Sandsteineinfassung am Grab ihrer Mutter auf dem Friedhof in Unterpreppach, jeweils kurz nachdem im Nachbargrab Bestattungen stattfanden. Beim ersten Mal wurde der Schaden übernommen, beim zweiten Mal nicht. Die Stadt Ebern und der Bestatter schieben sich die Verantwortung gegenseitig zu. Unverständlich für jedermann und kein guter Stil?

Dabei ist die Schadenersatzpflicht im Paragrafen 823 des Bürgerlichen Gesetzbuches (BGB) eindeutig geregelt. Dort ist zu lesen: "Wer vorsätzlich oder fahrlässig das Leben, den Körper, die Gesundheit, die Freiheit, das Eigentum oder ein sonstiges Recht eines anderen widerrechtlich verletzt, ist dem anderen zum Ersatz des daraus entstehenden Schadens verpflichtet."

Soll das in diesem Fall nicht gelten? Folgt man der Argumentation der Stadt Ebern und des Bestatters, ist der entsprechende Paragraf des BGB "ausgehebelt." Die Gründe, weshalb sich Stadt und Bestatter weigern, den Schaden zu übernehmen, sind in keinster Weise nachvollziehbar, sind unakzeptabel. Sorgfaltspflicht hin oder her.

Wenn man schon um die Problematik weiß, sind Vorkehrungen zu treffen, die Schäden an Nachbargräbern verhindern. Es kann und darf nicht sein, dass man einen Schaden hinnehmen muss, der, wie es nicht bestritten wird, infolge des Aushebens und der Verfüllung des Nachbargrabes verursacht wurde. Grund der Ablehnung dürfte sein, dass Versicherungen, wie im geschilderten Fall, häufiger Schäden beheben mussten und sich nun weigern, weitere zu übernehmen, indem sie mit der Sorgfaltspflicht ihrer Versicherungsnehmer argumentieren. Das darf aber nicht darin gipfeln, dass ein Geschädigter auf den Kosten sitzen bleibt. Frau Zink bleibt nunmehr nur der Klageweg, um ihre Forderungen zivilrechtlich durchsetzen zu können. Ob sie diesen Weg beschreitet, ist ihre Entscheidung.