Der Schatz vom Dachboden

Einen besonderen Schatz an Dokumenten hat der 83-j&auml;hrige Andreas Ort in Pfarrweisach: Er besitzt elf Tageb&uuml;cher, in denen sein Vater und er als Fleischbeschauer alle beschaupflichtigen Tiere eingetragen haben.Ort will nun die B&uuml;cher der Gemeinde Pfarrweisach vermachen, damit sie aufgehoben sind und f&uuml;r die Nachwelt erhalten werden. Historisch wertvollstes Dokument darunter ist eine Kopie des Fleischbeschaubuchs der Jahre 1887 bis 1897.Hans Schorr hat dieses Tagebuch vor vielen Jahren auf dem Dachboden der ehemaligen Pfarrweisacher Schule gefunden und den Fund Andreas Ort &uuml;bergeben. Ort zeigte das Buch seinem dem Tierarzt Neumann, der es mit nach Hause nahm. Neumann hat das Buch dann an das M&uuml;nchner "Institut f&uuml;r Pal&auml;oanatomie und Geschichte der Tiermedizin der Universit&auml;t M&uuml;nchen" geschickt; von dort erhielt Ort ein Dankschreiben und die Best&auml;tigung, dass das Buch gut aufgehoben sei.Das 129 Jahre alte Fleischbeschauer-Tagebuch der Jahre 1887 bis 1897 hat 56 Seiten; auf ihnen - wie auch in den anderen B&uuml;chern - ist akribisch jedes beschaupflichtige Tier, der Tag der Schlachtung und der Name des Schlachtenden aufgef&uuml;hrt. Das Dokument beinhaltet viele Pfarrweisacher Namen aus der damaligen Zeit, einige Hausnamen gibt es nicht mehr.&Uuml;ber den Dokumenten-Schatz sagt Andreas Ort, es sei ein Zufall gewesen, dass das Amt des Fleischbeschauers von seinem Vater auf ihn &uuml;berging ist und dadurch die B&uuml;cher erhalten blieben. "Meistens war es so, dass diese B&uuml;cher verloren gingen", bedauert Ort. Vom Beschauer zum Kontrolleur In sauberer Handschrift ist dokumentiert, ob ein Schwein, ein Rind, ein Kalb, Schafe oder Ziegen geschlachtet wurden. Damals - und damit meint Ort die Jahre vor 1969 - war jeder Fleischbeschauer Teil der Gemeinde. Fast jedes Dorf - damals noch selbstst&auml;ndige Gemeinde - hatte ihren Fleischbeschauer. Ab 1. Januar 1969 wurden die Fleischbeschauer vom Landkreis &uuml;bernommen worden. Landratsamt war damals Ebern, ab 1972 Ha&szlig;furt. Die Fleischbeschauer sind seitdem Angestellte des Landratsamtes, wurden nach der Anzahl der beschauten Tiere verg&uuml;tet. Und mit der &Uuml;bernahme durch den Landkreis entfiel die Dokumentation im gebunden Buch - der Block mit vorgedrucktem Formular und Blaupausen hielt Einzug. Weil im Lauf der Jahre die Fleischbeschauer weniger wurden, hat sich die Betreuung auf mehrere D&ouml;rfer ausgedehnt. Auch die Berufsbezeichnung hat sich mehrmals ge&auml;ndert, sagt Andreas Ort. "Ich habe als Fleischbeschauer angefangen und als Fleischkontrolleur beendet. An der T&auml;tigkeit hat sich nichts ge&auml;ndert - nur die Bezeichnung. Aber ich war mein Leben lang Fleischbeschauer", sagt der 83-j&auml;hrige heute. Tuberkulose einst weit verbreitet Wie war es mit Krankheiten der gewerblichen und der hausgeschlachteten Tiere? Da habe ihm leider sein Mikroskop und die Untersuchung oft die Realit&auml;t gezeigt: es habe doch die ersten zwanzig Jahre besondes viel TBC, die gef&uuml;rchtete Tuberkolose, gegeben. "Da standen dann die Leute versteinert vor dem halb zerlegten Schwein; oft hat es Tr&auml;nen gegeben, wenn zum Beispiel eine Drei-Zentner-Sau f&uuml;r die Wintermonate gez&uuml;chtet war und der Fleischbeschauer dann die Schreckensmeldung verk&uuml;nden musste. Mir ist das nicht leicht gefallen", sagt er nachdenklich. "Ich habe viele Familien erlebt, f&uuml;r die ist mit der Fleischbeschau eine Welt zusammengebrochen". Auch einige Rinderfinnen habe es gegeben - den ber&uuml;chtigten Rinderbandwurm.Werdegang Andreas Ort ist gelernter Schuhmacher und hatte den Beruf des Fleischbeschauers erst im Alter von 30 Jahren von seinem Vater Georg weitergef&uuml;hrt. Zuvor war in Pfarrweisach Gottfried Heim bis 1939 Fleischbeschauer, Georg Ort von 1940 bis 1963 und von 1964 bis 1996 Andreas Ort. Die Ausbildung und der Lehrgang von Andreas Ort zum Fleischbeschauer dauerte sechs Wochen und endete mit der Pr&uuml;fung am 12. Dezember 1963 im Schlachthof N&uuml;rnberg. Zust&auml;ndigkeit Am 1. Januar 1964 &uuml;bernahm Ort den Beschaubezirk Pfarrweisach. Am Ende hatte er ein gro&szlig;es Betreuungsgebiet. Es umfasste Pfarrweisach, Kraisdorf, Junkersdorf, Br&uuml;nn, Frickendorf, Lichtenstein, D&uuml;rrnhof, Herbelsdorf, Leuzendorf, Rabelsdorf, Lohr, R&ouml;mmelsdorf, Fischbach und H&ouml;chst&auml;dten.Vita:BildtexteOrt_1In diesen Fleischbeschaub&uuml;chern sind alle gewerblichen und Hausschlachtungen der Gemeinde Pfarrweisach dokumentiert. Fleischbeschauer Andreas Ort m&ouml;chte sie der Gemeinde Pfarrweisach &uuml;berlassen.Ort_2Akribisch sind in feiner Handschrift die beschaupflichtigen Tiere und deren Halter aufgef&uuml;hrt, hier ein Auszug aus dem Monat Januar 1971.Ort_3Fleischbeschauer Andreas Ort beim Schm&ouml;kern in den alten B&uuml;chern, rechts die gebunden B&uuml;cher, links die "modernen" Bl&ouml;cke mit vorgedrucktem Formular.Ort_4Das Deckblatt des 129 Jahre alten Fleischbeschau-Buches aus den Jahren 1887 bis 1897.Fotos: Simon Albrecht