Druckartikel: Angeklagter verspricht: "Hier sieht mich keiner mehr"

Angeklagter verspricht: "Hier sieht mich keiner mehr"


Autor: Manfred Wagner

Haßfurt, Sonntag, 29. Juni 2014

Das Amtsgericht in Haßfurt stellte ein Strafverfahren gegen einen 44-jährigen Mann wegen Körperverletzung ein. Die Körperverletzung hatte es offenbar gar nicht gegeben. Die Attacken wurden nur verbal ausgetragen.


Ein "bewegtes Leben" habe der Angeklagte (44 Jahre) geführt, kommentierte die Strafrichterin Ilona Conver die 16 Einträge laut Bundesregisterauszug. Von Diebstahl bis Betrug und Hehlerei, von Sachbeschädigung bis Körperverletzung reichte die ellenlange Latte der Vorstrafen. Die jüngste Anklage, wieder wegen Körperverletzung, ging dagegen für den Mann glimpflich aus: Das Amtsgericht in Haßfurt hat das Strafverfahren gegen eine 200-Euro-Geldauflage eingestellt.

Ohne das umfangreiche Vorstrafenregister wäre es wohl gar nicht zu einer Verhandlung gekommen. Aber polizei- und gerichtsbekannte "Stammkunden" beobachtet die Staatsanwaltschaft bekanntermaßen mit Argusaugen. Angeklagt war diesmal ein Vorfall, der sich am Abend des 8. September letzten Jahres in einer Kneipe in Ebern abgespielt hatte.

Bei einem Spielturnier ging es damals in der Gastwirtschaft hoch her.

Die meisten Teilnehmer kannten sich untereinander und irgendwann kibbelte sich der 44-Jährige mit einem anderen Gästepaar. Die Spieler sprachen mehr oder weniger dem Alkohol zu und bald gab ein Wort das andere. Worum es bei dem Streit eigentlich ging, weiß heute natürlich keiner mehr.

Warum kam es zur Anzeige?

Im Großen und Ganzen jedenfalls wurde der Zwist verbal ausgetragen - gegenseitige Beschimpfungen mit Fäkalausdrücken inklusive. Dass - wie in der Anklageschrift behauptet - der arbeitslose Angeklagte seinen Widersacher am Hals gepackt und gegen die Wand gedrückt habe, das konnte oder wollte keiner der Zeugen bestätigen. Es habe ein Handgemenge und eine Rangelei, aber keine Prügelei und Schlägerei gegeben, lautete der übereinstimmende Tenor aller Beteiligten. Das betonte auch die damalige Bedienung (28 Jahre), die dazwischen ging und die Kontrahenten trennte.

Warum aber in aller Welt, so fragt man sich, war das Paar, die vermeintlichen Opfer, noch in der Nacht zur Eberner Polizeiinspektion gegangen und hatte Anzeige erstattet? Der als Zeuge geladene 50-jährige Anzeigeerstatter erklärte das damit, dass ihn seinerzeit seine damalige Lebensgefährtin dazu überredet habe. "Passiert", fügte er auf wiederholte Frage des Anklagevertreters Ilker Özalp hinzu, "ist aber so gut wie gar nichts".

Angesichts dieser Sachlage schlug die Vorsitzende Richterin vor, das Verfahren gegen eine geringe Geldauflage einzustellen. Der Vertreter der Staatsanwaltschaft erklärte sich damit einverstanden. Vier monatliche Raten zu je 50 Euro muss der Angeklagte an die gemeinnützige Einrichtung "Lifeline" bei Don Bosco in Bamberg bezahlen.

Nachdem ihm Özalp ins Gewissen geredet hatte, derartige Situationen zukünftig von vornherein zu vermeiden, versprach der Mann hoch und heilig: "Hier sieht mich keiner mehr."