Absurd: Notrufe im Sekundentakt

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Symbolbild Foto: Archiv/patrick Seeger (dpa)
Symbolbild Foto: Archiv/patrick Seeger (dpa)

Weil sie über 300 Mal sinnlos die Einsatzzentrale der Polizei alarmiert hat, landete eine 22-Jährige vor dem Amtsgericht in Haßfurt.Die vermindert schuldfähige Frau erhielt eine Bewährungsstrafe und muss in Therapie.

Schüchtern und ängstlich, fast wie das sprichwörtliche Häufchen Elend sitzt die junge Dame auf der Anklagebank des Amtsgerichts. Im November und Dezember letzten Jahres hat sie über 300-mal grundlos die Notruf- und Einsatzzentrale der Polizei angerufen und muss sich nun für diese absurden Taten verantworten.
Die 22-jährige Frau ist vermindert schuldfähig und lebt in einer Einrichtung, in der psychisch beeinträchtigte Menschen untergebracht sind. Das Urteil: ein Monat Freiheitsstrafe auf Bewährung, verbunden mit der Auflage, ein halbes Jahr auf ein Handy zu verzichten und nach fachärztlicher Behandlung eine spezielle Therapie zu absolvieren.

Permanent falscher Alarm

Verwundert nahmen die als Zuhörer anwesenden Schüler des Haßfurter Gymnasiums zur Kenntnis, dass die Angeklagte vor zwei Jahren schon mal wegen desselben Unsinns vor dem Kadi stand.
Damals hatte sie zudem die Polizeibeamten am anderen Ende der Leitung massiv beleidigt, nun dagegen hatte sie "bloß" permanent falschen Alarm gegeben.

Bei der Handlung wurde klargestellt, dass die Frau in ihrer Intelligenz beeinträchtigt und deshalb nur eingeschränkt steuerungsfähig ist. Als die 22-Jährige mit kindlichem Charakter den Tathergang aus ihrer Sicht schilderte, wurde klar, dass meistens ein anderer Behinderter sie dazu angestiftet hatte.

Im Zeugenstand erhellten die Aussagen der Betreuerin (60) das Persönlichkeitsbild der Beklagten. "Ihr Leben ist geprägt von Enttäuschungen und vom Gefühl des Verlassen-Seins", erklärte sie als ehemalige Pflegemutter. Die leibliche Mutter sei früh gestorben, und der Vater habe kein großes Interesse am Kontakt zu seiner lernbehinderten Tochter. Laut Gutachten eines psychiatrischen Arztes liegt eine Persönlichkeitsstörung mit verminderter Schuldfähigkeit vor. Rechtsanwalt Jürgen Borowka ergänzte, dass seine Mandantin unter epileptischen Anfällen leide und regelmäßig Medikamente nehmen müsse.

Wie unterbinden?

Der die Staatsanwaltschaft vertretende Ilker Özalp stellte die entscheidende Frage, wie man ein derartiges Fehlverhalten zukünftig unterbinden könne. Obwohl es sich um eine Wiederholungstäterin handelt, würdigte er die besonderen Umstände des Falls, die in der Persönlichkeit der Angeklagten liegen. Er plädierte auf die gesetzliche Mindeststrafe von einem Monat Freiheitsentzug auf Bewährung und bat um ärztlich-therapeutische Auflagen.

Ganz auf dieser Linie lagen der Verteidiger sowie die Vorsitzende Richterin Ilona Conver. In der Urteilsbegründung führte sie aus, dass sie - juristisch gesehen - nur von vier Missbrauchsfällen ausgehe, weil die Unmenge der Notrufe jeweils im Abstand von Sekunden oder höchstens Minuten per Wiederholungstaste ausgeführt wurden. Die Bewährungszeit beträgt drei Jahre, und durch die Therapie soll die Verurteilte unter anderem lernen, angemessen mit Frustrationen umzugehen.