Erich und Marcus Olbrich
Es ist davon auszugehen, dass die Kulmbacher Nikolaikirche Mitte des 14. Jahrhunderts entstanden ist, wahrscheinlich als Nachfolgebau einer kleinen Kapelle. Sie wurde dem heiligen Nikolaus geweiht, der als Patron der Reisenden gilt.
Nachdem fürchterliche Krankheiten die Stadt heimgesucht hatten, erkannte man, dass eine Isolierung der Betroffenen notwendig war. In sogenannten Siechen-Kobeln gab man diesen Unglücklichen, den Bürgerrechten Enthobenen die Möglichkeit, Spenden für den Lebensunterhalt zu erbetteln.
Es ist davon auszugehen, dass die Kirche am Conraditag 1553 oder sogar schon davor zerstört wurde. Selbst harte Landsknechte mieden solche Orte und umgingen sie. Bekannt ist nur, dass im Zuge des Wiederaufbaues der Stadt auch dieses Gotteshaus neu entstanden ist.
Auf der südöstlichen Umfassungsmauer, oberhalb des Spitzbogenfensters, ist die Jahreszahl 1573 angebracht, dieses Jahr wurde als Baubeginn angegeben. Nach drei Jahren Bauzeit erfolgte 1576 die Fertigstellung im gotischen Stil. Fenster mit Jahreszahl.
1633 wütete die Pest
Die Pest wütete 1633 als Begleiterin des Dreißigjährigen Krieges in der Stadt Kulmbach und im Umland. In Kulmbach starben 1869 Menschen, die nicht alle neben der Nikolaikirche begraben werden konnten, ein Teil der Leichen musste nach Melkendorf gebracht werden.
Von der Zunahme der Bevölkerungszahl zeugt die Jahreszahl 1666, die zusammen mit einer Inschrift auf einer Steinplatte an der Außenmauer zum Friedhof angebracht ist. Diese erinnert an die Erweiterung um 20 Schuh (sechs Meter) der Kirche nach Südwesten.
Auf der Steinplatte, die über der zugemauerten Eingangspforte angebracht wurde, befindet sich die Inschrift: "Anno 1666: ist dieße Kirche Gott zu Ehren auff 20 Schuh lang durch Beyschuß christlicher Hertzen erweitert worde[n] Gott erhalte unß bey seinem wortt in Gnade Amen."
Zu der Baumaßnahme gibt es eine kleine Anekdote. Zur Durchführung des Anbaus wurden viele Materialien benötigt. Hierüber lesen wir in den Ratsprotokollen, dass Markgraf Christian Ernst (1655 - 1712) die "gnädige Bewilligung" gab, die Bruchsteine der alten Kapelle zu Kauernburg "zur Erweiterung der allhiesigen Gottesackerkiche" abtragen zu lassen. Dagegen liefen die Untersteinacher aber Sturm, gehörte doch Kauerburg bis 1740 zu ihrer Gemeinde. Es kam keine Einigung zustande, so dass der Rat beschloss, "den widerwärtigen und unnachbarlichen Kauernburger Bauern ihr Steine zu lassen und uff andere Mittel zu trachten". So wurden die Steine des Schneckenturms der alten fürstlichen Kanzlei (Obere Stadt 33) verwendet.
Nach der Erweiterung wurde auch die Empore eingebaut und der schwere Dachreiter nach dem Vorbild barocker Hauben ausgeführt. Von den Turmglocken läutete das "Arme Sünderglöckchen" beim Vorbeizug der Verurteilten zur Hinrichtungsstätte auf dem Galgenberg.
Ein weiterer Hinweis zur Erweiterung findet sich auf der nordöstlichen Giebelseite in der Fensterlaibung mit der Jahreszahl 1667. Darunter befindet sich noch die Jahreszahl 1733. Dazu konnte keine Baumaßnahmen gefunden werden. Auch die darunter eingeritzten Buchstaben ATCH CRM waren nicht zu deuten.
Das Jahr 1733 war allerdings für Kulmbach von geschichtlicher Bedeutung. Am 5. April fand in der Petrikirche der feierliche Rücktritt der seit 1727 in Kulmbach residierenden Markgräfin Christiana Sophie Wilhelmine, einzige Tochter des Markgrafen Georg Wilhelm, zur evangelischen Kirche statt, von der sie 1728 abgefallen und zur römisch-katholischen übergetreten war.
Weiterhin zogen nach 1732 über 300 wegen ihres Glaubens aus Salzburg vertriebene Protestanten nach Kulmbach. Es folgten später noch weitere Züge solcher Salzburger Emigranten, denen der Markgraf Georg Friedrich Karl eine Zufluchtsstätte gewährte. Die Emigranten wurden in Kulmbach von der Geistlichkeit und dem Stadtrat "Auf der Draht" empfangen, in die Stadt begleitet und beherbergt.
An der stadtseitigen Giebelwand sind neben den beiden Jahreszahlen in der Fensterlaibung, drei weitere Sandsteinplatten mit Jahreszahlen von Renovierungen angebracht.
1. Sandsteinplatte 1902 - 1903
Der damalige Vorstand des protestantischen Pfarramtes, Dekan und Kirchenrat Raps, hat die Wiederinstandsetzung der Kapelle zum gottesdienstlichen Gebrauch mit großem Eifer gefördert. Die Kirche wurde renoviert, die Holzdecke mit Putz und Bemalung versehen. Im Jahr 1902 erteilten die zuständigen Behörden ihre Zustimmung zur Einrichtung regelmäßiger Predigtgottesdienste in diesem Kirchlein. Der erste ordentliche Gottesdienst fand am 1. Februar 1903. Dekan Raps starb, 81-jährig, am 31. Januar 1904, aufrichtig verehrt und geliebt von seiner Pfarrgemeinde. Seine Ruhestätte befindet sich unmittelbar an der Südostecke der Nikolaikirche, rechts von der Treppe zum Seiteneingang.
2. Renovierung 1916 - hier gibt es keine Sandsteinplatte
Im Sommer 1916 wurden Dach und Turm der Kirche neu gedeckt, der Turmknopf frisch aufgesetzt und das Kreuz der Spitze in einen würdigen Stand gebracht. In die Turmkapsel legte man zwei eiserne Münzen und ein Dokument ein. Darin danken die Kirchenväter dem Herrgott, "dass es möglich war, die Arbeit auszuführen in der Zeit des furchtbaren Weltkriegs".
3. Rechte Steinplatte an der Giebelmauer - 1925
Die evangelische Kirchenverwaltung baute an dem stadtseitigen Giebel der Kirche eine Sakristei an und führte Renovierungsarbeiten im Inneren und am gegenüberliegenden Eingang durch. So wurde zum Beispiel die verputzte Decke wieder freigelegt. Die Einwohnerzahl Kulmbachs lag bei der Volkszählung am 16. Juni 1925 bereits bei 11 823. Zum Vergleich: Im Oktober 1919 waren 10 420 Einwohner gezählt worden. Es erfolgte der Neubau der Gabelsbergerstraße und der Flessastraße.
4. Renovierung 1971 (keine Jahreszahl angebracht)
Die alte Orgel von 1875 war nicht mehr zu gebrauchen. Auch waren die Zinnpfeifen im Ersten Weltkrieg durch Zinkpfeifen ersetzt worden. Die neue Schleifladenorgel mit zwei Manualen und zehn Registern stammte von der Firma E. F. Walckr & Cie. aus Ludwigsburg, einem seit 1781 bestehenden Orgelbauunternehmen. Es handelte sich um eine Orgel mit mechanischer Spiel- und Registertraktur mit 664 Pfeifen, 578 aus Zinn und 86 aus Holz.
5. Sandsteinplatte - 2008
Im Mai begannen umfangreiche Sanierungsarbeiten an der Kirche. Die Bausubstanz des Dachtragwerks und des Glockenstuhls war durch Schädlinge und Feuchtigkeit erheblich geschädigt worden. Die Dacheindeckung zeigte sich verbraucht, die Elektroinstallation musste komplett erneuert worden. Gegen die Mäuseplage wurden die alten Türen von 1924 durch dicht schließende Türen ersetzt und ferner eine Drainage gegen Regenwasser gelegt. Ein weiteres Problem war die Belastung im Holz mit PCB. Obwohl ein kleines, bescheidenes Kirchlein, hat die Nikolaikirche die Gunst der Kirchgänger erworben. Die reizvolle Umgebung des Alten Friedhofs verleiht ihr einen besonderen Charme.