Druckartikel: Gut gewählt und doch daneben

Gut gewählt und doch daneben


Autor: Werner Baier

Strullendorf, Donnerstag, 26. Februar 2015

Das bayerische Kommunalwahlrecht gibt dem Wähler eine treffliche Waffe in die Hand: Er kann kumulieren und panaschieren. So darf ein Wähler zum Beispiel bei der Wahl des Gemeinde- ...


Das bayerische Kommunalwahlrecht gibt dem Wähler eine treffliche Waffe in die Hand: Er kann kumulieren und panaschieren. So darf ein Wähler zum Beispiel bei der Wahl des Gemeinde- oder Stadtrates und des Kreistages auf einzelne Bewerber bis zu drei Stimmen "häufeln" und er darf auf seinem Stimmzettel von Liste zu Liste springen. Damit kann unter anderem bewirkt werden, dass der letzte Kandidat einer Liste die meisten Stimmen erhält und auf Platz eins in das Kommunalparlament einrückt. Oder umgekehrt ist es möglich, dass der Listenführer gar nicht zum Zuge kommt, weil er so gut wie keine Einzelstimmen erhalten hat. Auf die personelle Zusammensetzung eines Kommunalparlaments haben die Wähler in Bayern somit einen starken Einfluss.
Doch nun müssen sie eine Einschränkung ihrer Macht erkennen: Die zunächst gewählten Volksvertreter können nämlich alles ad absurdum führen. Sie brauchen gemäß dem am 16. Februar 2012 vom Bayerischen Landtag verabschiedeten "Gesetz zur Änderung des Gemeinde- und Landkreiswahlgesetzes und anderer Vorschriften" das Ehrenamt - um das sie sich gerade noch so heftig beworben haben - gar nicht erst anzutreten.
Oder sie können das Ehrenamt nach der Konstituierung zu einem beliebigen Zeitpunkt wieder aufgeben. Im Gesetz heißt es: "Die gewählte Person kann die Übernahme des Amts ablehnen oder das Amt niederlegen." Ohne Wenn und Aber, bedeutet das.
Doch damit ist der Verfälschung des Wählerwillens Tür und Tor geöffnet. Vor der Gesetzesänderung mussten schon triftige Gründe angeführt und ein Antrag auf Entbindung vom Ehrenamt gestellt werden, wenn ein Gemeinde-, Kreis- oder Stadtrat ausscheiden wollte. Und über die Entlassung hatte das jeweilige Gremium per Beschluss zu befinden. Nun genügt die einfache Mitteilung: "Ich trete nicht an" oder "Ich trete zurück". So können zum Beispiel ein prominenter (aber zeitlich überlasteter) Unternehmer, die allseits beliebte (und im Lokal unentbehrliche) Wirtin oder auch die populäre Erdbeerkönigin kurz vor ihrer Auswanderung nach Australien schnell noch auf Stimmenfang für eine Partei gehen - und dann kneifen.
Eine "schöne Bescherung" für die Wähler ist das und vielleicht ein Grund, gar nicht mehr zu wählen.
Tatsächlich gab es schon bald nach der Kommunalwahl 2014 einen ersten Fall im Gemeinderat Strullendorf, als ein unerwarteter Wechsel in der SPD-Fraktion zu verzeichnen war und auf Kritik stieß. Und nun werden im Marktgemeinderat Hirschaid innerhalb kürzester Zeit drei Fälle bekannt: Cäcilie Göller (CSU) wirft nach 13 Jahren Zugehörigkeit das Handtuch, weil sie sich mehr um sich selbst kümmern will. Anstelle der beliebten Geschäftsfrau wurde inzwischen Nachrücker Stephan Panzer neu vereidigt. Außerdem gab der Mesner Thomas Schmitt (erst seit Mai 2014 in der CSU-Fraktion) aus gesundheitlichen Gründen seinen Rücktritt bekannt; er wird durch den Studenten Daniel Seeberger aus Röbersdorf ersetzt.
Und mit Georg Kestler (Freie Wähler) verlässt ein engagierter Kommunalpolitiker den Marktgemeinderat, der just vor einem Jahr am liebsten Bürgermeister von Hirschaid werden wollte. Er unterlag schließlich denkbar knapp erst in der Stichwahl. Aber es ist klar, dass Kestler als Listenführer der Freien Wähler auch ein bedeutender Stimmenfänger bei der Gemeinderatswahl war. Angekündigt als "genau der Richtige, der Hirschaid wieder aus dem Schlamassel herausführen" werde, erhielt Kestler viel Vertrauen der Hirschaider Wähler. Der einstige Fraktionssprecher der "Freien" macht nun Platz für die weit weniger populäre Sigrid Oppelt, die - auf Listenplatz 3 startend - auf dem Ersatzplatz gelandet war.
Es soll hier niemand in seiner Ehre verletzt werden. Die, die nicht mehr mitregieren können oder wollen und aus einem Kommunalparlament ausscheiden, haben das Recht auf ihrer Seite. Sie müssen sich nicht rechtfertigen. Aber angesichts der weit aufgestoßenen Hintertür erhält die oft gehörte Frage "Ja, wen sollen wir denn wählen?" eine ganz neue Dimension.
Ob der Demokratie daraus ein Vorteil erwächst? Eher nicht!