Seine Depressionen verwandeln den Angeklagten in einen anderen

2 Min

Vor dem Forchheimer Amtsgericht muss sich ein Mann verantworten, der auf der Kirchweih in Hausen Polizisten schwer beleidigt und angegriffen hat. An die Taten kann er sich kaum mehr erinnnern.

Immerhin zehn Beamte der Forchheimer Polizeiinspektion Forchheimer haben jetzt vor dem Forchheimer Amtsgericht ihr Bestes gegeben, um das bezeugen, woran sich der Angeklagte nicht erinnern konnte.
Die Erinnerungslücken, die dem Mann unverändert geblieben sind, hatten dabei nur zu einem geringen Teil mit jenen 1,8 Promille zu tun, die bei den Vorkommnissen auf der Hausener Kirchweih gemessen worden waren. Vielmehr litt der Mann unter einer durch Depressionen ausgelösten bipolaren Störung. Amtsrichterin Silke Schneider war deshalb auch schon fast so weit, den Mann in die Psychiatrie zu überstellen.
Erst nachdem der siebte oder achte Polizist jetzt seine Aussage gemacht hatte, räumte der Angeklagte ein: "Ja, so kann es wohl gewesen sein." Das änderte aber nichts daran, dass es dem Mann eine Rätsel blieb, was ihm da genau eine Anklage wegen "Widerstand gegen Vollstreckungsbeamte" eingetragen hatte.
Er wusste nichts davon, dass er in eine Auseinandersetzung zwischen rivalisierenden Gruppen aus Hausen und Forchheim verwickelt gewesen war. Dass er Polizeibeamte provoziert hatte.
Dass er, nachdem sich das Rudel weitgehend aufgelöst hatte, auf das zur Sicherheit zurückgebliebene Streifenfahrzeug zugelaufen war, um die Tür aufzureißen, was jedoch misslang, weil sie von innen verriegelt war. Und dass sein passiver Widerstand dazu führte, dass er zum Zweck des Gewahrsams den größten Teil des Weges zum Streifenwagen getragen werden musste.

Unter die Gürtellinie

Auch an die Ausdrücke, die er dabei verwendet haben soll, konnte er sich nicht mehr erinnern. Mehrere Beamte konnten allerdings die zum Teil unter die Gürtellinie zielende Ausdrücke bezeugen.
Ebenso wie die theatralische Schmerzensschreie auf dem Weg zur Polizeiwache, was die beiden konkurrierenden Gruppen erneut auf den Plan gerufen hatte.
So richtig begann der Alptraum allerdings erst, als alles vorbei schien und der Mann in der Arrestzelle seinen vermeintlichen Rausch ausschlafen konnte.
Der Beamte, der den Mann am nächsten Morgen von der Nachtschicht übernommen hatte, sah in seiner Zelle vorbei und stellte fest, dass der Mann immer noch 0,9 Promille im Blut hatte. Als er die Zelle wieder verlassen wollte, "bin ich in was Weiches getreten, und es hat bestialisch gestunken", gab der Beamte zu Protokoll. Davon wusste der Angeklagte aber offenbar überhaupt nichts.
Er habe Angst vor dem Eingesperrt-Sein gehabt, und sei in der Zelle "ziemlich wahnsinnig" geworden, sagte er später. Erst da rückte er mit seinen Depressionen heraus. Er habe seine Medikamente abgesetzt, und bei Nichteinnahme der Medikamente könnten bei ihm unvorhergesehene Reaktionen auftreten.

Tritt gegen das Schienbein

Dass der Mann alles andere als ein Kirchweihschläger war, verriet alleine schon die Tatsache, dass er ohne jede Vorstrafe war. Dennoch hatten sich Widerstand in fünf tateinheitlichen Fällen, zwei weitere wegen Beleidigung und versuchter Körperverletzung - der Mann hatte nachweislich einen Polizeibeamten ans Schienbein getreten - und weitere Delikte angesammelt, so dass Ankläger Stefan Meyer bekannte: "Ich bin mir nicht sicher, aus wie vielen Einzeltaten so eine Geschehenskette besteht."
Er ging aber für den Ersttäter von 90 Tagessätzen à 30 Euro aus. Dieser Forderung schloss sich am Ende des Tages auch Amtsrichterin Silke Schneider in ihrem Urteil an. Der Verurteilte entschuldigte sich schließlich noch bei den Polizisten.