Missbrauchs-Prozess endet mit Freispruch

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Der Gutachter ist sicher, dass die Zeugin nie bewusst gelogen hat. Doch hat sie objektiv die Wahrheit gesprochen, als sie vom Missbrauch durch den Stiefvater aus dem Landkreis Forchheim berichtete?

in 45-jähriger Maurer aus dem Landkreis Forchheim war vor dem Landgericht Bamberg wegen sexuellen Missbrauchs eines Kindes angeklagt worden. Der Fall war im Grunde so klar, dass jeder mit einer Verurteilung rechnete. Doch dann war die Sache doch nicht so klar, wie das häufiger vorkommt, wenn es um solche Delikte geht.
Zur rein forensischen Seite tritt noch eine psychologische, und das hat nichts mit Bösartigkeit zu tun. Denn das Mädchen, um das es ging, hatte sich fraglos ihrer Mutter anvertraut, um über einen sexuellen Übergriff zu sprechen - sie und auch ihre Mutter waren offenbar mit ihren Kräften am Ende. Beide machten zu diesem Zeitpunkt von ihrem Zeugnisverweigerungsrecht Gebrauch.

Das Mädchen, das mittlerweile 18 Jahre ist, war von der Verhandlung erheblich mitgenommen.
Die Gefahr von Folgeschäden sei zu groß, ließ sie durch ein Attest ihrer Psychologin bestätigen.

Der Angeklagte hatte eine Gastwirtschaft geführt und war im Zusammenhang mit den Vorwürfen gegen ihn pleitegegangen. Bis zum Schluss hatte er Stein und Bein geschworen, dass er seiner Stieftochter nicht zu nahe getreten sei. Zur Tatzeit war das Mädchen zwischen acht und zwölf Jahre alt gewesen. Es hatte eine monatelange Leidenszeit gegeben, an deren Ende schließlich für das Mädchen ein Glaubwürdigkeitsgutachten stand, um zu entscheiden, wie belastbar die Aussagen des Kinds seien.

Der Mann hatte stets darauf bestanden, dass er nie mit ihr sexuellen Kontakt gehabt habe: "Sie war wie eine Tochter für mich." Und der könne er so etwas nie antun. Was dennoch negativ durchklang, war der Dorfklatsch, aber das fällt eher auf die Dorfbewohner zurück.

Böse Gerüchte

Schwarze Messen, die von der Mutter gelesen worden seien, eine intensive Zwiesprache von ihr mit ihrem Esel - das sorgte für dämonische Gerüchte und war nichts, was Mutter und Tochter in die Welt gesetzt haben konnten. Als Nebeneffekt war das ein wildes Gerücht, das nur einen Zweck hatte: die Mutter in Misskredit zu bringen.
War das Mädchen nun wirklich missbraucht worden? Der Gutachter Burkhard Schade aus Bonn kam zu dem Schluss, dass das Mädchen aus subjektiver Sicht alles andere als gelogen habe. Allerdings habe es, zumindest damals, ein geradezu "symbiotisches Verhältnis" zwischen Mutter und Tochter gegeben. Das Mädchen habe keine bewusste Falschaussage von sich gegeben.

Schade jonglierte zwischen Ausdrücken wie Autosuggestion, Aussagepsychologe, die an ihre Grenzen stoße, an "Qualitätskompetenz" und "Kon-stanzprüfung", wobei eine "Falschaussagepsychologie" jedoch ausgeschlossen werden könne. Das Mädchen habe sich das alles zwar ausdenken können, was man spätestens dann merke, wenn sie ihre "Falschaussagekompetenz" als 18-Jährige ausleben wolle bei der Schilderung, was sie als Kind erlebt habe.

Erinnerung trübt sich

Es habe, so der Gutachter, nie Hinweise darauf gegeben, dass das Mädchen die Unwahrheit gesagt habe. Jeder Mensch, der sich an Dinge aus der eigenen Jugend erinnern solle, müsse das tatsächlich Erlebte visualisieren und es verwische sich. "Es hat nie Hinweise darauf gegeben, dass sie jemanden belogen hat." Der Fall des Missbrauchs liege jetzt etwa zehn Jahre zurück, und das lasse das Erinnerungsvermögen zurückgehen.

Ihr autobiografisches Gedächtnis sei jedoch in gutem Zustand gewesen. Allerdings wies die Polizeibeamtin auch darauf hin, dass einiges nicht mehr nachweisbar sei. Sie wisse auch, dass "da etwas gewesen ist", das sie etwas gespürt habe. Sie könne aber als Polizeibeamtin keine "konkreten Feststellungen" treffen.

Das Mädchen habe sich mit fortschreitender Vernehmung mehr und mehr mit ihrer Opferrolle identifiziert, kam der Gutachter zum Schluss. "Mit den Mitteln, die mir zur Verfügung stehen, ist die Aussage nicht ausreichend belegbar", bilanzierte er und ergänzte: "Ein erlebnisbegründender Hintergrund ist nicht auszuschließen." Das war wohl die Aussage, die den Staatsanwalt dazu brachte, auf Freispruch zu plädieren.

Ähnlich argumentierte Verteidiger Brandl, der darum bat, sich im Urteil nicht hinter Allgemeinplätzen zu verstecken. Und Rechtsanwältin Christine Leuker als Vertreterin der Nebeklägerinnen wies darauf hin, dass "diese Familie durch die Hölle gegangen" sei. Was immer geschehen sei, es gehe dem Mädchen nur noch darum, endlich zur Ruhe zu kommen. Das wünschte Richter Manfred Schmidt auch dem freigesprochenen Mann.