Erfolg auf leisen Sohlen - Forchheimer Unternehmer und Läufer Egon Landgraf feiert 85. Geburtstag
Autor: Pauline Lindner
Forchheim, Dienstag, 14. August 2018
Der Schuhfabrikant, Dauerläufer und Familienforscher Egon Landgraf wird am Mittwoch 85 Jahre alt.
Seit vielen Jahren erforscht Egon Landgraf seine Familiengeschichte. Sein Vater Anton und sein Schwiegervater Karl Roth waren renommierte Schuhhersteller. Auch sein eigener Lebensweg spiegelt ein Stück Industriegeschichte, und zwar den Weg von der Manufaktur zur Vollautomatisierung. Heute feiert Landgraf seinen 85. Geburtstag.
Zum 70. schenkte ihm seine Frau ein Album, in dem sie alle noch vorhandenen Dokumente zu seinen Lebensstationen zusammengetragen hatte. "Von dir wunderbar erzählt, von mir in Liebe gebunden ...", steht auf dem Vorsatzblatt.
Seit 1922 stellte Egons Vater Anton in der Forchheimer Hornschuchallee Pantoffeln her, alles noch in Handarbeit. Der tiefgläubige Katholik wünschte sich unbedingt einen männlichen Nachfolger. Und tatsächlich: Nach drei Töchtern kam Sohn Egon zur Welt.
Er trat zügig in Vaters Fußstapfen, hatte aber von Anfang an rationellere Herstellungsmethoden im Blick. So besuchte er von 1952 bis 1954 die Deutsche Schuhfachschule in Pirmasens. Als zusätzliche Qualifikation eignete er sich die Methoden des "Reichsausschusses für Arbeitszeitermittlung" (Refa) an. Die Organisation heißt heute Verband für Arbeitsgestaltung, Betriebsorganisation und Unternehmensentwicklung. Er wurde bereits in den 20er Jahren gegründet, als Henry Fords Produktionsmethoden auch nach Europa schwappten.
Bei der exakten Bewertung der Arbeitsleistung kamen ihm seine Erfahrungen in amerikanischen Firmen zugute. Landgraf war 1955 in die USA ausgewandert. "Man zahlte mir dort ein Gehalt von 650 Dollar, umgerechnet 2780 Mark; zuvor hatte ich in Nürnberg 360 Mark bekommen", erinnert er sich. Aber auch daran, wie er den amerikanischen Musterungsbehörden ein Schnippchen schlug. Als "american alien" musste er sich sofort zum Militärdienst melden. Sein ihm wohlgesonnener Chef riet ihm, nach reichlich Kaffeekonsum dort anzutreten. "Geschwitzt habe ich, und wie", weiß er noch genau. Und die Diagnose des Militärarztes hat er sogar aufbewahrt: ein schilddrüsenbedingtes Herzleiden.
In Österreich verleibt
1959 kehrte Landgraf nach Europa zurück. Er landete bei der österreichischen Firma Karl Roth. Doch er erkrankte an offener TBC. Neun Monate verbrachte er in einer Lungenheilstätte in Oberösterreich. Das einzig Schöne waren die täglichen Besuche von Lilly Roth. Was Wunder, dass die beiden nach der Genesung heirateten.Derweil hatte sein Vater Anton mit seiner Pantoffelfabrik Panthaus einen schweren Rückschlag erlitten und das (heutige) Fabrikgelände verpachtet. Egon fing von ganz vorne an. Im Ein-Mann-Betrieb fertigte er 20 Paar Pantoffeln von Hand. "Geradleistige Plüschpantoffeln", also Schuhwerk ohne Unterschied für links und rechts. Das waren gerade einmal 3000 Paar im Jahr.
Doch 1965 kam der Umschwung. Egon Landgraf kaufte mit staatlicher Unterstützung und einer Bürgschaft seines Vaters den ersten Schuhbesohlungsautomaten, der 250 000 Mark kostete. "Diese Investition war bahnbrechend", sagt er rückblickend und belegt das mit den Produktionszahlen der nächsten Jahrzehnte. Über 300 000 Paar Pantoffeln waren es in den 80er Jahren.
Die Maschine läuft heute noch. 50 000 Paar Hausschuhe produzierte Landgraf schon im ersten Jahr. Zuerst mit nur vier Mitarbeitern, die noch bei seinem Vater gelernt hatten, schaffte er den Aufstieg zum leistungsfähigsten Hausschuhproduzenten Deutschlands. Jeder wollte Landgraf-Pantoffel. Das Geschäft lief so gut, dass er auf Mehrschichtbetrieb umstellte. Die Firma erwarb einen Gebrauchsmusterschutz für einen Kinderhausschuh, der für 3,30 Mark verkauft wurde.
Dazu weiß er auch ein Anekdote. Obwohl er der Chef war, übernahm er die Abfallentsorgung und war so richtig schmutzig auf dem Hof zugange. Da rollte ein schwerer Mercedes vor mit dem obersten Einkäufer des Kaufhofkonzerns an Bord. "Glücklicherweise hat ihn dann mein Vater zuerst empfangen, bis ich mich sauber gemacht hatte", erzählt Landgraf.
Die Mehrfachrollen im Betrieb hatten ihren Preis. Landgraf erkrankte schwer. Burnout würde man wohl heute dazu sagen. Seine Liebe zum Laufen entdeckte er damals noch nicht, auch wenn er den Arbeitsstress mit Bergsteigen und einer gesunden Lebensweise bekämpfte. Zusammen mit seiner Frau. Erst mit 70 stieg er in den Wettkampfsport ein und errang bayerische und deutsche Meistertitel. Auch heute noch macht sich das Paar zweimal die Woche auf eine Fünf-Kilometer-Jogging-Strecke.