Am Ehrgefühl kratzte erst die Frau, dann die Familie

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Eine junge Frau weigerte sich, einen für sie ausgewählten Mann zu heiraten. Mit den Folgen hatte nun das Forchheimer Schöffengericht zu tun.

Wie gut, dass Rechtsfragen in Deutschland nach dem Gesetzbuch auf dem Amtsgericht beurteilt werden und nicht nach der Scharia. Und wie gut, dass die Beteiligten, obwohl sie meist aus anderen Kulturkreisen stammten, den Fall nicht der Loja Dschirga, der Großen Ratsversammlung nach afghanischem Vorbild, vorgetragen, sondern die Polizei alarmiert hatten.
So landete der Streit um eine aufgelöste Verlobung nicht vor einem islamischen Scheidungsrichter, sondern vor Amtsrichterin Silke Schneider. Bei der verworrenen Angelegenheit einen kühlen Kopf zu bewahren, verlangte Schneider viel ab. Dies auch deswegen, weil viele der Zeugen sich nur unzureichend auf Deutsch verständigen konnten, aber dennoch auf einen Dolmetscher verzichteten. Laut Anklage hatte eine 19-jährige Schülerin sich geweigert, einen bestimmten Mann zu heiraten. Das entspricht nach islamischer Lesart in etwa einer Scheidung.
Wenn der Mann die Frau nicht wolle, brauche er kein Geld zu geben, wenn aber die Frau sich weigere, stehe dem Mann die Rückgabe des "Blutgeldes" zu, erläuterte die Frau.
Im alten BGB aus der Kaiserzeit war hier von "Kranzgeld" die Rede gewesen, eine Art Entschädigung für die verlorene Jungfernschaft, was wohl mit diesem Blutgeld entfernt vergleichbar ist. Dazu tritt in der Regel ein Brautgeschenk, in diesem Fall Goldschmuck im Wert von etwa 3000 Euro.

Der Hodscha war überfordert

Was nun folgte, war etwas, das auch der zugezogene Hodscha - eine Mischung aus Brautwerber, Heiratsvermittler, Standesbeamter und Scheidungsrichter in einer Person - nicht zu klären vermochte.
Der 45-Jährige war aus Münster angereist, um zu trennen, was wohl ohnehin nie zusammengehört hatte. Das schloss die Rückzahlung des Blutgeldes mit ein, doch der verhinderte Bräutigam war zu dem Treffen in Gräfenberg gekommen, um auch das Brautgeschenk zu kassieren. Dies wurde ihm verweigert: mit Gründen, die viel mit Höflichkeit und Ritterlichkeit zu tun hatten und damit, dass man sich doch bemühen solle, friedlich auseinander zu gehen.
Erst als der Ex-Bräutigam wieder daheim im württembergischen Aalen war, quälte ihn das Gefühl, über den Tisch gezogen worden zu sein. Der Nürnberger Anwalt des Angeklagten, Alexander Seifert, fand für diese nagenden Zweifel die folgenden Worte: "Keine Frau, kein Schmuck - das ist weniger als nichts!"
Und der Vater des verhinderten Ehemanns, der nun als Angeklagter vor Gericht stand, fühlte sich bemüßigt, in Gräfenberg anzurufen und die Herausgabe des Schmuckes zu fordern. Dabei soll er gesagt haben, er wolle den Schmuck innerhalb von 48 Stunden zurück, anderenfalls komme er, um dem Vater der verhinderten Braut "den Kopf abzuschneiden".
In Gräfenberg hatte die Brautmutter, das Telefon auf laut gestellt, so dass alle anwesenden Familienmitglieder mithören konnten. "Sogar meine sechsjährige Schwester hat das gehört und hatte prompt um ihren Vater Angst", berichtete die Ex-Braut.
Dass er gedroht habe, den Mann am anderen Ende der Leitung einen Kopf kürzer zu machen, bestritt der Angeklagte vor dem Forchheimer Amtsgericht allerdings vehement. Sein Sohn habe gar nicht begriffen, was er in der Scheidungsurkunde unterschrieben habe. Dieser sei im Gegenteil der Meinung gewesen, er bekomme auch den Goldschmuck zurück.

"Über das Ziel hinaus"

Die Anklage und auch das Schöffengericht taten sich am Ende sehr schwer, in diesen Wust an für okzidentale Ohren unverständlichen Bestimmungen und Vorgänge Ordnung zu bringen.
Der Staatsanwalt forderte und bekam im Wesentlichen das gewünschte Strafmaß: fünf Monate auf zweijährige Bewährung und eine Arbeitsauflage von 120 Stunden. "Sie haben sich ungerecht behandelt gefühlt", stellte die Richterin abschließend fest, "da schießt man leicht mal übers Ziel hinaus."
Daher sei das Schöffengericht auch von einer Bestrafung in einem minderschweren Fall ausgegangen.