Wo die Nazis Coburger folterten
Autor: Simone Bastian
Coburg, Donnerstag, 18. April 2013
Den einen geht die eine Tafel nicht weit genug, den anderen ist sie schon zu viel: Sieben CSU-Stadträte stimmten am Donnerstag gegen eine Gedenktafel mit dem Arbeitstitel "Prügelstube".
Es sollte ein Grundsatzbeschluss sein, sagte eingangs Oberbürgermeister Norbert Kastner (SPD). Keine Entscheidung über Farbe und Material, keine Entscheidung über den Text der Gedenktafel. Nur eine Entscheidung darüber, dass die Stadt an dieses dunkle Kapitel ihrer Geschichte erinnern will, an konkrete Ereignisse an einem bestimmten Ort.
SPD-Stadtverbandsvorsitzender Stefan Leistner hatte den Antrag eingebracht, mit einer Tafel an die Nazi-Gräueltaten in der "Prügelstube" zu erinnern. Als im März 1933 Hitler an die Macht kam, verstärkte sich im ohnehin schon NS-regierten Coburg der Terror gegen Sozialdemokraten, Gewerkschafter, Kommunisten und Juden. "Im Innenhof des Rathauses hatten die örtliche SA und SS unter weitgehender Ausschaltung der Polizei eine sogenannte Prügelstube eingerichtet. Dort fanden menschenverachtende, grausame Verhöre statt", schreibt Leistner in seinem Antrag.
Der erste, der sich gegen die Tafel aussprach, war der CSU-Fraktionsvorsitzende Hans-Herbert Hartan. Er habe persönliche Gründe, betonte er, und nannte drei: "Wo fängt man an und wo hört man auf? Es hat in allen Jahrhunderten Unrecht gegeben." Der fragliche Raum und das Gebäude seien faktisch nicht mehr vorhanden, und er wolle sich nicht an solchen "symbolpolitischen Taten" beteiligen.
Bei solcher Betrachtungsweise dürfe es gar keine Gedenktafeln geben, erwiderten OB Kastner und der SPD-Fraktionsvorsitzende Thomas Nowak. "Nach 80 Jahren ist es an der Zeit, an diese schlimmen, tragischen Ereignisse zu erinnern", sagte Nowak. Monika Ufken (SPD) warf Hartan vor, "auf dem rechten Auge etwas blind" zu sein - noch heute verfange die menschenverachtende Nazi-Ideologie, wie die NSU-Morde zeigen würden.
Eine Tafel ist zu wenig
Gerhard Amend (CSB) erachtete eine einzige Gedenktafel nicht für ausreichend. "Ich werde dagegen stimmen, weil es zu kurz springt!" Die Nazis hätten das gesamte jüdische Leben der Stadt zerstört, "wir haben in Coburg eine heftige Reichskristallnacht erlebt". Die "Stolpersteine" würden an die Deportierten erinnern, aber nicht an diejenigen, die schon vorher wegen des Drucks der Nazis die Stadt verlassen hätten. Klaus Klumpers (ÖDP) hingegen sah die Tafel als ersten Schritt, der ein Signal setze, und Wolf-Rüdiger Benzel (Grüne) sagte kurz und bündig: "Die Tafel muss sein - im Namen der Demokratie. Es ist für Coburg Pflicht, hier tätig zu werden." Auch Hans-Heinrich Eidt (FDP) nannte es "dringend erforderlich, dass man solche Zeichen setzt".
Friederike Werobèl (CSU) mahnte, dass für die Formulierung des Textes Fachleute zu Rate gezogen werden sollten. Und wenn der OB schon Erinnerungen wach halten wolle - "dafür brauchen wir ein Stadtmuseum". Der Text werde mit denjenigen abgestimmt, die die Tafel befürworten, gab Kastner zurück - Friederike Werobèl gehörte am Ende zu denjenigen, die die Tafel ablehnten. Kastner hingegen ist nicht unbedingt ein Freund von der Idee eines Stadtmuseums. Aber er hielt es für wichtig, dass die Ereignisse der NS-Zeit im Gedächtnis behalten werden, vor allem vor dem Hintergrund, dass es kaum jemand mehr gibt, der sie aus eigenem Erleben schildern kann.
Am Ende stimmten sieben CSU-Stadträte gegen die Gedenktafel: Hans-Herbert Hartan, Max Beyersdorf, Christian Meyer, Roland Eibl, Thomas Engel, Friederike Werobèl und Carl-Ludwig Fahrenholz. Gerhard Amend, der zuvor dagegen gesprochen hatte, hob die Hand für die Tafel. "Der OB hat mich überzeugt."