LKR Coburg
Ukraine

Wir waren schon da

Nato-Truppen nahmen 2002 an einem Manöver nahe Lwiw teil. Auch unser Reporter Rainer Lutz war dabei. Die Menschen dort hofften, wir würden bleiben.
Ukrainische Soldaten stehen 2002 bei Flaggen von Nato-Ländern, die an einer Übung in ihrem Land teilnehmen.
Ukrainische Soldaten stehen 2002 bei Flaggen von Nato-Ländern, die an einer Übung in ihrem Land teilnehmen. Foto: Rainer Lutz
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Truppen der Nato bewegen sich in Konvois gemeinsam mit ukrainischen Einheiten von Lwiw (Lemberg) in Richtung Nordwesten aus der Stadt heraus. Ihr Ziel: Die Kasernen von Verbliany. Dort sammeln sich die Truppen aus insgesamt 17 westlichen Armeen. Nicht der Beginn des militärischen Eingreifens der Nato im Kampf der Ukraine gegen Russland. Eine multinationale Übung auf dem Boden des einstigen Warschauer Pakt Landes - im Jahr 2002.

Vom 7. bis 18. Oktober 2002 nahm die Die Allied Command Europe Mobile Force (AMF) am multinationalen Manöver "Cooperative Adventure Exchange" in der Ukraine teil. Dies war die erste Nato Übung, die auf dem Territorium eines ehemaligen Warschauer Pakt Staates stattfand, zugleich das letzte Manöver der "Nato Feuerwehr" AMF - und meine letzte große Wehrübung als Reservist und Presseoffizier der Bundeswehr.

Für die Menschen in der Ukraine war die Anwesenheit der westlichen Truppen ein Signal. Sie verstanden es als Versprechen, ihr Land wie viele andere ehemaligen Trabantenstaaten der Sowjetunion enger an Europa zu binden. Es gab sogar Demonstrationen von Bürgern, die forderten, die ausländischen Truppen sollten im Land bleiben - und verstärkt werden. Doch das war nicht der Plan.

Gerade im Raum um Lwiw gab es historische Gründe, sich in Richtung Westen zu orientieren. Lwiw hieß einmal Lemberg und war Teil von Österreichisch Galizien. Beim Rundgang durch die bemerkenswert schöne Altstadt fielen oft deutsche Schriftzüge im Außenputz alter Gebäude auf, etwa an einem "Kaffeehaus", dessen Einrichtung scheinbar seit dem 19. Jahrhundert nicht verändert wurde.

Es war ein besondere Situation dort in deutscher Militäruniform durch die Stadt zu gehen. Immer wieder wurden die Soldaten aus "Germania" angesprochen, freundlich begrüßt und willkommen geheißen. Mit Blick auf die Geschichte schwer zu verstehen. Deutsche Truppen hatten im Zweiten Weltkrieg die Ukraine besetzt. Die Kämpfe mit der Roten Armee hinterließen beim Einmarsch schwere Verwüstungen im Land. Als die Wehrmacht dann den russischen Truppen wieder weichen musste, ging das erneut zu Lasten der Ukraine. Und doch stießen wir auf sorgfältig gepflegte Soldatenfriedhöfe, auf denen auch deutsche Soldaten beigesetzt waren. Im Kontakt mit ukrainischen Soldaten, aber auch mit Zivilpersonen, bekamen wir nur eine Meinung zu hören: "Wenn ihr nicht auf Dauer hier seid, wird irgendwann der Russe wieder kommen."

Als 2004 das Land sich nach der "orangenen Revolution" weiter nach Westen orientierte, schien sich die Hoffnung der Menschen zu erfüllen. Dann kam 2010 der Russlandfreund Janukowitsch an die Macht - und 2013 stürzten die Proteste des "Euromaidan" das Land erneut in eine Krise. 2014 besetzte Russland die Krim. Im Osten gewannen Separatistenbewegungen an Boden. Heute scheint sich die Befürchtung der Menschen von 2002 zu bewahrheiten. Russland hat die Ukraine angegriffen. Es ist nicht zu erwarten, dass dieser Angriff abgewehrt werden kann.