Druckartikel: Wie viel Gammel war am Fleisch?

Wie viel Gammel war am Fleisch?


Autor: Simone Bastian

Coburg, Dienstag, 11. Juni 2013

Staatsanwalt Lohneis sieht bislang nur eine mögliche "Irreführung der Verbraucher". Quer-Redakteur Mezger meint, dass das Thema in Coburg unterschätzt wird.
Zerlegte Schweine im Kulmbacher Schlachthof (Archivfoto). Neben zwei Großbetrieben lassen auch etliche handwerkliche Metzger ihr Vieh im Coburger Schlachthof schlachten. Foto: CT-Archiv


K3-Fleisch ist nicht für den menschlichen Verzehr geeignet. Als solches wird es deklariert und schon beim Schlachten in eigens dafür vorgesehene Boxen gepackt. Doch angeblich wurde noch im Schlachthof das Fleisch zum Teil aus diesen Boxen entnommen. Nur für Hundefutter, was lebensmittelrechtlich noch erlaubt gewesen wäre? Oder um es in Wurst und Leberkäse zu verarbeiten, wie Informanten des Magazins "Quer" behaupten?
Der Beitrag in dem Fernsehmagazin des Bayerischen Rundfunks löste umfangreiche Ermittlungen aus: Die Staatsanwaltschaft Coburg ist beteiligt, die Kripo, die örtliche Verbraucherschutzbehörde und das Landesamt für Gesundheit und Lebensmittelsicherheit. Eine Kuttelei im Coburger Schlachthof wurde vom städtischen Ordnungsamt vorübergehend geschlossen. Dort wurden möglicherweise Schlachtungen oder Zerteilungen vorgenommen, die in diesem Raum nicht hätten stattfinden dürfen, sagt Leitender Oberstaatsanwalt Anton Lohneis.

Nicht alle kriminalisieren!

Ansonsten, so Lohneis, gebe es noch keine Ermittlungsergebnisse. Vor allem sei ihm wichtig, dass nicht alle Unternehmen, die mit dem Schlachthof zu tun haben, kriminalisiert würden. Denn derzeit gebe es noch keine stichhaltigen Hinweise, dass tatsächlich verdorbenes Fleisch in Umlauf gebracht wurde. Die Betonung legt Lohneis auf "derzeit". Im Moment würde auch nur wegen Irreführung der Verbraucher ermittelt, weil K3-Fleisch als verzehrbares Fleisch verkauft wurde. "Wir reden nicht über Gammelfleisch." In dem Quer-Beitrag kam Manfred Gareis zu Wort, Professor für Lebensmittelsicherheit in München. Er wies darauf hin, dass in den K3-Behältern nicht dieselben Hygienestandards gelten wie in Verkaufsbehältern. Fleisch aus solchen Behältern sei also möglicherweise mit Bakterien belastet und gesundheitsgefährdend.

Schlachthof unübersichtlich

Dass Lohneis vor diesem Hintergrund nur von "Irreführung" redet, kann Wolfgang Mezger von der Quer-Redaktion nicht verstehen. "Meine Erfahrung und die bisherigen Informationen, die wir haben, sagen mir, dass die Dimension der Geschichte vor Ort unterschätzt wird", sagt er. Ob K3-Fleisch verschwand, müsse sich eigentlich anhand der Fleischmengen feststellen lassen, meint er: Wie schwer waren die Schlachttiere, wie viel wog das ausgemusterte Fleisch, wie viel wurde am Schluss für die reguläre Weiterverarbeitung abgeholt?

Doch im Coburger Schlachthof sind um die 20 Betriebe tätig. Auch Coburger Metzger lassen hier die Tiere schlachten, die sie "bei fränkischen Bauern" abgeholt haben, wie es Manfred Thein erzählt, der Pressebeauftragte der Coburger Fleischerinnung. Der Betrieb im Schlachthof sei sehr unübersichtlich, sagt auch Anton Lohneis. Das mache die Ermittlungen nicht leichter.

Zwar habe sich ein Mann gemeldet, der angab, den Transporter gefahren zu haben, den die Fernsehreporter eines frühen Morgens vom Schlachthof weg durch Coburg verfolgten und nach 20 Minuten aus den Augen verloren. Aber die Reporter seien nicht bereit gewesen, zu bestätigen, "was wir schon wissen", sagt Lohneis. Auch zu den heimlichen Filmaufnahmen aus dem Schlachthof habe er noch keine Informationen erhalten.

Informanten schützen

Bislang sei die Staatsanwaltschaft noch nicht an die Redaktion herangetreten, sagt dazu Wolfgang Mezger. Die Redaktion hätte den Beitrag auf keinen Fall in dieser Form veröffentlicht, wenn sie nicht sicher sei, dass es sich um Straftaten handele. Andererseits sehe sich der Bayerische Rundfunk nicht als Erfüllungsgehilfe der Anklage. Außerdem schütze er seine Informanten und stelle auch keine Aufnahmen zur Verfügung, außer denen, die ohnehin im Internet jedem zugänglich seien. Im Übrigen recherchiere die Quer-Redaktion weiter in Coburg in Sachen Fleischskandal.

An einer Aufklärung müssten eigentlich alle Interesse haben, sagt Staatsanwalt Lohneis. Vor allem diejenigen, die als Fleischer, Verwertungsbetrieb oder Gastronomen nun kriminalisiert würden. Zumindest Manfred Thein von der Fleischerinnung pflichtet ihm bei: "Ich hoffe sehr, dass das aufgedeckt wird, und zwar schonungslos. Damit die Metzger, die ordentlich kalkulieren und aus reinem Fleisch Qualitätsprodukte erzeugen, dass die nicht unter diesen Schweinereien leiden müssen. Derzeit stehen wir alle unter einem Generalverdacht."