Druckartikel: Warum eine Regie-Assistentin immer die Ruhe bewahren sollte

Warum eine Regie-Assistentin immer die Ruhe bewahren sollte


Autor: Jochen Berger

Coburg, Samstag, 06. April 2013

Den Premierenbeifall erlebt sie meist hinter dem Vorhang. Warum sie ihre Arbeit am Landestheater dennoch liebt, verrät Regie-Assistentin Urte Regler. Derzeit unterstützt Gastregisseur Alessandro Talevi bei den Proben zum "Barbier von Bagdad". Die komische Oper feiert am 27. April Premiere am Landestheater Coburg.
Das wichtigste Hilfsmittel für jede Regie-Assistentin ist das Regie-Buch mit reichlich Raum für Notizen - ein einseitig bedruckter Klavierauszug. Urte Regler notiert auf den leeren Seiten entscheidende Inszenierungs-Details, aber auch Hinweise für die Bühnentechniker. Foto: Jochen Berger


Was verbirgt sich eigentlich hinter der Berufsbezeichnung Regie-Assistenz? Warum sind am Theater nicht nur illustre Gastregisseur wichtig, sondern auch jene Akteure, die selten an der Rampe stehen? Regie-Assistentin Urte Regler gibt Einblick in ihre Arbeit.

Was macht eigentlich eine Regie-Assistentin? Was ist Ihre Hauptaufgabe?
Urte Regler: Meine Aufgabe in der Probenzeit ist es vor allem, dem Regisseur den Rücken frei zu halten, dass er den Kopf frei hat für die konzeptionelle Arbeit, für die Arbeit mit den Darstellern und Sängern. Alles, was im Hintergrund laufen muss, ist meine Aufgabe - auch Absprachen mit dem Ton zum Beispiel. Bei diesen Dingen versuche ich, den Regisseur möglichst weit herauszuhalten und ihm alles abzunehmen, damit er sich ganz auf seine konzeptionelle Arbeit konzentrieren kann. Ich bin auch für die Dokumentation zuständig.

Dabei geht es nicht nur um das, was der Regisseur zu den Darstellern sagt. Ich schreibe auch auf, was technisch passiert - an welcher Stelle kommt welcher Zug herunter, wann dreht sich die Bühne, wenn werden die Kulissen verschoben, wann gehen die Darsteller ab, wo sind die Umzüge.

Gibt es gewissermaßen eine DIN-Norm, wie man ein Regie-Buch am besten führt?
Ich glaube, jeder hat ein bisschen seinen eigenen Stil. Die DIN-Norm ist: es muss hinterher lesbar und verständlich sein. Das ist ganz besonders an großen Häusern wichtig, wo manche Repertoirestücke auch noch nach Jahrzehnten gespielt werden. Im Fall von Umbesetzungen oder Krankheiten ist das Regiebuch besonders wichtig.

Was macht eine gute Regie-Assistentin aus?
Teamfähigkeit, Kommunikationsfähigkeit, gewisse Sprachkenntnisse sind absolut von Vorteil, weil nicht nur deutsche, sondern zum Beispiel auch italienische und französische Opern auf dem Spielplan stehen, aber auch, weil man zunehmend mit internationalen Regisseuren oder Sängern arbeitet. Organisieren muss man können - ganz wichtig. Und man muss immer einen klaren Kopf bewahren, den Überblick behalten. Wichtig ist auch ein gewisses Gespür für die besonderen Gesetzmäßigkeiten des Theaters, wann kann ich selber etwas einwerfen, wann ist der Zeitpunkt gekommen, dass der Regisseur Luft holt und gedanklich soweit ist, dass er mir zuhören kann.

Wann wird's bei einer Produktion besonders stressig? Gibt's da Regelmäßigkeiten oder wechselt das von Inszenierung zu Inszenierung ab?
Das ist ganz unterschiedlich - je nachdem, ob man Schauspiel oder Musiktheater macht. Ich persönlich mache lieber Musiktheater. Weil's beim Musiktheater schneller ins Detail geht. In beiden Sparten aber ist es so, dass die erste Probe nach der technischen Einrichtung meistens eine Stressprobe ist, eine Horrorprobe, weil man das erste Mal die Originalkulissen zur Verfügung hat. Die erste Hauptprobe ist die Katastrophenprobe, das weiß man schon vorher. Da kommt das erste Mal das Licht, da kommen zum ersten Mal die Kostüme, da steigt bei den Darstellern die Nervosität, da läuft zum ersten Mal wirklich alles zusammen. Manche Dinge können sich sogar noch bei der Generalprobe ändern. Das kommt auch auf den Regisseur an. Manche Regisseure haben sehr früh ein sehr klares Bild, manche ändern sogar bis nach der Generalprobe.

Wie lässt sich der Stress trotzdem möglichst in Grenzen halten?
Ein bisschen kann man das entzerren, wenn man als Assistent gut arbeitet und alle Abteilungen vorher möglichst detailliert informiert - zum Beispiel bei Produktionen mit vielen Kostümwechseln. Da stoppe ich zum Teil vorher die Zeit für die Umzüge. Im Musiktheater entspannt sich das ein wenig bei den Bühnen-Orchesterproben, da konzentrieren sich die Sänger dann vor allem auf den Gesang. Sicher wird da und dort noch manches geändert, aber der große Fahrplan steht dann schon fest. Im Schauspiel dagegen wird's zum Ende hin immer wesentlich anstrengender.

Was macht eine Regieassistentin, wenn der Regisseur nach der Premiere abgereist ist?
Ich bin bei jeder Vorstellung dabei, meistens hinter der Bühne, manchmal auch im Zuschauerraum. Nach der Premiere gibt es immer eine gewisse Entwicklung. Meine Aufgabe ist es, darauf zu achten, dass das im Sinne des Regisseurs passiert. Wenn ich das Gefühl habe, es geht in die falsche Richtung, versuche ich, das zu korrigieren, damit der Charakter der Inszenierung gewahrt wird. Ich mache auch die Abendspielleitung wirklich gerne - schließlich ist einem das Stück nach sechs Wochen Probenzeit ans Herz gewachsen.

Nach fünf Spielzeiten am Landestheater und geschätzten rund 30 Produktionen als Regie-Assistentin - wie fällt Ihre Bilanz aus?
Ich mag diesen Job, auch wenn er stressig ist, wobei ich glaube, es hängt auch ein bisschen davon ab, wieviel Stress man sich selbst macht. Die Kunst auch bei kurzfristigen Umbesetzungen ist eigentlich, den Darstellern immer das Gefühl zu geben, alles wird gut, wird kriegen das alles hin. Nach außen muss man einfach Ruhe ausstrahlen, selbst wenn es innen drin wahnsinnig hektisch aussieht - damit sich die Darsteller auf ihren Job auf der Bühne konzentrieren können.



Aus dem Lebenslauf einer Regie-Assistentin und Regisseurin


Premieren-Tipp "Der Barbier von Bagdad" - Komische Oper von Peter Cornelius, Samstag, 27. April, 19.30 Uhr, Landestheater Coburg (Matinee zur Premiere: Sonntag, 21. April, 11 Uhr, Theater in der Reithalle)

Produktionsteam Musikalische Leitung: Anna-Sophie Brüning; Inszenierung: Alessandro Talevi; Bühnenbild und Kostüme: Tobias Hoheisel
Choreinstudierung: Lorenzo Da Rio; Dramaturgie: Susanne von Tobien; Regie-Assistenz: Urte Regler

Urte Regler kam schon im Alter von acht Jahren durch den Kinderchor der Rostocker Singakademie ans Theater. Nach ihrem Magister in Musikwissenschaften und Französisch schlossen sich diverse Praktika im Bereich Regie am Rostocker Volkstheater und an der Deutschen Oper Berlin an. Seit 2008 ist Urte Regler am Landestheater Coburg als Regieas sistentin engagiert. Im Großen Haus inszenierte sie Esther Hilsbergs Kinderoper "Chinesische Nachtigall", Hans Krasas "Brundibar" sowie Brittens "Die Drehung der Schraube". Zum Ende dieser Spielzeit verlässt Urte Regler das Landestheater aus familiären Gründen Richtung München.

Hinter den Kulissen Wie entsteht eigentlich eine Neuinszenierung am Landestheater Coburg? Am Beispiel der Oper "Der Barbier von Bagdad" begleitet das "Tageblatt" den gesamten Probenprozess bis zur Premiere am 27. April.



Die Langfassung des Interviews und weitere Texte zum "Barbier von Bagdad" am Landestheater finden Sie auf


www.inFranken.de