Hinter den Kulissen der in Coburg ansässigen "Deutschen Johann-Strauss-Gesellschaft" (DJSG) ist ein munterer Streit entbrannt um das künstlerische Erbe des Walzerkönigs. Genauer gesagt: um die Deutungshoheit in Sachen Johann Strauß.
Die Straußianer, das zeigt diese Auseinandersetzung, konzentrieren sich nun nicht mehr nur darauf, die weltweit verbreitete Schreibung des Namens Strauß in Strauss ändern zu wollen.
Nein: Nun zeigt sich, dass die von der Altersstruktur her betagte Gesellschaft beachtliche Energie für innere Auseinandersetzungen besitzt. An der Spitze der Akteure: Ralph Braun, seines Zeichens ehemaliger DJSG-Vorsitzender. Im Zentrum seiner Kritik: Die Art und Weise, mit der in der DJSG in der Vergangenheit missliebige Thesen zur Strauß-Forschung behandelt und seiner Ansicht nach unterdrückt wurden.
Hinzu kommt der ebenfalls früher in der DJSG maßgeblich aktive Strauß-Forscher Norbert Linke. Wie Braun ist auch Linke an einem differenzierten Strauß-Bild interessiert. Das freilich gefiel und gefällt nach Brauns Überzeugung nicht jedem Mitglied der "Strauss-Gesellschaft". Auslöser der erneuten Streitigkeiten ist das Programm der geplanten Coburger "Johann-Strauss-Tage", das die Jünger des Walzerkönigs Anfang März präsentiert hatten, um das Festival nach dem finanziellen Rückzug der Stadt Coburg doch noch zu retten. Federführend dabei: die nach Brauns Rücktritt im vergangenen Sommer neu formierte DJSG-Vorstandsriege, die ihren 2. Vorsitzenden, Ingolf Roßberg, kommissarisch mit der Führung der Amtsgeschäfte betraute. Seitdem ist der Streit um die richtige Deutung von Strauß erneut aufgeflammt.
Eitelkeiten und Intrigen
Da werden alte Rechnungen beglichen oder zumindest präsentiert. So zitiert Ralph Braun, im Brotberuf als Cellist Konzertmeister im Philharmonischen Orchester Landestheater Coburg, immer wieder Dokumente und historische Belege, um die Strauß-Rezeption in Zeiten des Dritten Reiches endlich in den Fokus gründlicher wissenschaftlicher Aufarbeitung zu rücken.
Was ist wahr und richtig am allgemein verbreiteten Strauß-Bild? Und was ist einfach nur schöner Schein? Aus der Ferne ist oft längst nicht mehr genau zu unterscheiden, wo es hier um Wahrheitssuche und wo vorrangig um persönliche Eitelkeiten geht.
Klar ist nur eines beim Blick auf die Altersstruktur der Strauß-Fans: Neben den treuen Walzer-Fans bilden jüngere Besucher eine erschreckend kleine Minderheit. Und mit einer "Strauss-Gesellschaft", die vorrangig untereinander streitet, dürfte sich kaum jüngeres Publikum gewinnen lassen.