Warum im Landestheater Coburg Ausschnitte aus Roland Fisters "Dorian Gray" schon vor der Uraufführung eingespielt werden.
Überall Mikrofone und Kabel zwischen den Notenpulten, dazu ein übendes Durcheinander als Begleitmusik. Melodiefragmente der Geigen schwirren durch den Raum, dazwischen rhythmische Floskeln der Blechbläser. Freitag, kurz vor 11 Uhr: Coburgs Musentempel wird zum improvisierten Tonstudio. "Dorian Gray" macht's möglich. "Musical Opera" hat Roland Fister, Kapellmeister am Landestheater, seine Bühnenfassung von Oscar Wildes berühmtem Roman genannt, die Anfang Juni ihre Uraufführung erleben wird.
Scheitern eines Schönlings Eine Uraufführung im Musiktheater - das hat es lange nicht gegeben im traditionsreichen Haus am Schlossplatz. Ein Kraftakt, ein ehrgeiziges Unterfangen, für das schon jetzt die Werbemaschinerie in Gang gesetzt werden soll - Tonaufnahme inklusive.
Einige Ausschnitte werden deshalb zu PR-Zwecken vorab schon einmal eingespielt - gute Gelegenheit zudem auch für das Orchester, live einen Eindruck von Fisters Tonsprache zu gewinnen.
Die Geschichte des Schönlings Dorian Gray und seines rätselhaften Porträtbildes, das an seiner Stelle altert - Roland Fister hat sie in ein üppiges orchestrales Klangbild gehüllt. Sehnsüchtig sich aufschwingende Geigenmelodien, swingende Einwürfe der Blechbläser - schon ein flüchtiger Eindruck weckt Neugier.
Die erste Begegnung Die erste Begegnung zwischen dem Titelhelden und seiner späteren Geliebten, der Sängerin Sibyl Vane, beginnt mit einer fast schüchtern gesungenen Bitte: "Entschuldigen Sie, dass ich so hereinplatze", singt der junge schwedische Tenor Joel Annmo, der die Titelpartie des Dorian Gray gestalten wird.
Wer da an die erste Begegnung von Mimi und Rodolfo in Puccinis "La Bohème" denkt, liegt nicht völlig daneben. Doch diese Geschichte nimmt einen anderen Verlauf, lässt in manchen Takten vielleicht an Leonard Bernstein denken.
Auch Gustav Mahler lässt grüßen, wenn Fister den Streichern ein seufzendes Glissando in die Noten schreibt: "Jetzt sind wir in der Fünften Mahler angekommen - ich geb's zu." Als Komponist hat Roland Fister keine Scheu vor geschickt verwobenen Anklängen und findet doch in der klugen Mischung der Stile zum eigenen Tonfall.
Anspruchsvolle Partitur Übergänge, Taktwechsel - Fisters Partitur hat hörbar ihre Tücken, fordert Dirigent und Orchester gleichermaßen, zumal in dieser frühen Phase lange vor Beginn des eigentlichen Probenprozesses.
Schnell korrigiert Fister manche Ungenauigkeiten, entdeckt da und dort natürlich auch noch einige Schreibfehler in den erst vor wenigen Wochen endgültig fertiggestellten Orchesterstimmen. Feine dynamische Differenzierungen in den Stimmen, rhythmische Genauigkeit beim Verzahnen der einzelnen Instrumentengruppen - darauf kommt es Fister zunächst an. Aber der Sog, den diese Geschichte von Dorian Grays Höllenfahrt entfaltet, wird schon beim Hin- und Herspringen zwischen den einzelnen Szenen spürbar.
"Schauen Sie nicht in die Noten, sondern auf die Mikrofone", fordert Fister. Denn die Aufnahme soll schließlich möglichst lebendig, möglichst intensiv im Ausdruck klingen.
So wird Oscar Wildes Roman "Das Bildnis des Dorian Gray" in Coburg zur Musical-Oper "Dorian Gray" Uraufführung "Dorian Gray" - "Musical Opera", Text und Musik von Roland Fister, 8. Juni, Landestheater Coburg; Inszenierung: Bodo Busse; Bühnenbild und Kostüme: Michael Heinrich; Philharmonisches Orchester, Landestheater Coburg, musikalische Leitung: Roland Fister
Dorian Gray: Joel Annmo
Sibyl Vane: Anne Gütter
Roland Fister begann nach einem abgeschlossenen Schlagzeugstudium mit einem Dirigierstudium bei Peter Gülke, das er 2000 mit Diplom abschloss. Diverse Meisterkurse ergänzten die Ausbildung. Fister arbeitete als Assistent von Thomas Hengelbrock und Yakov Kreizberg. Im Jahr 2001 wurde Fister als Kapellmeister ans Landestheater engagiert.