Schnitzlers "Reigen" als ewiger Kampf der Geschlechter
Autor: Jochen Berger
Coburg, Freitag, 22. Februar 2013
Was passiert, wenn ein Schauspieler zum Regisseur wird? Sebastian Pass und seine Probenerfahrungen mit Schnitzlers "Reigen".
Das Coburger Publikum kennt Sebastian Pass bereits aus vielen Inszenierungen als Schauspieler. Jetzt gibt der gebürtige Wiener sein Regie-Debüt - mit einem Wiener Stück: Schnitzlers "Reigen".
Wann haben Sie sich entschieden, auch Regie führen zu wollen? Gab es ein Schlüsselerlebnis?
Sebastian Pass: Das Interesse an der Regie war eigentlich immer da. Ich glaube, dass ich als Schauspieler schon immer relativ selbständig gearbeitet habe. Und ich habe eigentlich schon immer ein inneres Regiekonzept für mich formuliert in allen Inszenierungen, in denen ich gespielt habe. Im Grunde beobachte ich einfach wahnsinnig gerne. Dabei denke ich nicht, dass ich als Regisseur das Theater neu erfinden will.
Haben diese ersten eigenen Erfahrungen beim Inszenierungen Ihren Blick auf Regisseure verändert?
Auf jeden Fall.
Was ist aus Ihrer Sicht beim Inszenieren besonders schwierig?
Die richtigen Worte zu finden, um zu beschreiben, wie man eine Szene haben will, ist verdammt schwer. Jetzt verstehe ich endlich Regisseure, bei denen ich früher gedacht habe: "Was willst Du eigentlich vor mir?"
Inwieweit helfen Erfahrungen als Schauspieler bei der Regiearbeit?
Ich weiß jedenfalls, wie schwierig es für die Darsteller ist, zu einem bestimmten Ergebnis zu kommen.
Seit wann wissen Sie, dass Sie in Coburg die Chance haben, Ihr Regie-Debüt zu geben?
Im Grunde seit der ersten Saison als Option.
Warum haben Sie sich für Schnitzlers "Reigen" entschieden?
Ich habe keine Ahnung. Das ist mir einfach irgendwie "eingeschossen", wie man in Österreich sagen würde.
Und im Lichte der Probenerfahrung betrachtet?
Ich weiß, es ist die richtige Entscheidung. Das ist wirklich ein richtig, richtig guter Text.
Analytischer, zynischer, illusionsloser Blick auf die Liebe? Wie sehen Sie den "Reigen"?
Zynisch? Ja. Analytisch? Ja, es ist sehr genau beobachtet, sehr pointiert, sinnlich.
Wie ist das Bühnenbild entstanden?
Das ist das Ergebnis eines Hochschulprojekts. Till Kuhnert, der in Coburg schon viele Ausstattung entworfen hat, hat an der Hochschule dieses Blockprojekt im Studiengang Innenarchitektur betreut. Insgesamt gab es sechs Entwürfe, die eigentlich alle toll waren. Sich am Ende für eines zu entscheiden, war wirklich schwer.
Was erwartet ein Schauspieler von einem Regisseur?
Der Regisseur muss immer einen Plan haben. Denn als Schauspieler liefert man sich im Grunde dem Regisseur aus. Und der Regisseur muss die Schauspieler schützen.
Was ist typisch wienerisch am "Reigen"?
Die Typologie der Figuren - das süße Mädel zum Beispiel. Manche Satzstellungen, manche Betonungen. Da hilft es sicherlich, wenn man Wiener ist. Aber von der Thematik her kann man den "Reigen" überall spielen.
Was ist aus Ihrer Sicht das Thema im "Reigen"?
Das ewige Machtspiel der Geschlechter.
Wenn man sich als Regisseur auf dieses Stück einlässt, das von den Spielarten der Untreue handelt: Glauben Sie dennoch an die Möglichkeit von Treue?
Ja. Aber es kommt natürlich auf die Definition von Treue an. Ich persönlich glaube schon, ein treuer Mensch zu sein. Die seelische Treue ist am wichtigsten. Entscheidend ist, dass man dem anderen nicht wehtut.
Wie soll's weitergehen mit dem Regisseur Sebastian Pass?
Wenn ich wieder das Glück haben sollte, mit solchen Kollegen arbeiten zu können, würde ich gerne wieder inszenieren. Aber ich werde jetzt sicher nicht übermütig werden und "Cosi fan tutte" machen wollen. Als nächstes würde ich mir vielleicht ein Stück mit drei Personen zutrauen.
Könnten Sie sich - ganz hypothetisch formuliert - vorstellen, irgendwann einmal ganz die Seiten zu wechseln und nur noch Regie zu führen?
Ja! Schlicht gesagt: Ich könnte es mir vorstellen. Als Schauspieler komme ich jetzt langsam in das Alter, in dem mir die Vaterrollen angeboten werden. Ich bin jetzt zwölf Jahre im Beruf, habe schon viele große Sachen machen dürfen und habe nicht mehr das Gefühl, mich freispielen zu müssen.
Gibt es trotzdem noch Rollen, auf die Sie warten würden?
Richard III. zum Beispiel - oder Thomas Bernhards Theatermacher. Auch Tschechow habe ich noch nie gespielt. Ich möchte auf jeden Fall Rollen finden, die mich herausfordern. Das müssen gar nicht unbedingt Hauptrollen sein, auch wenn Hauptrollen natürlich nicht schlecht sind.
Wenn Sie als Schauspieler mit dem Regisseur Sebastian Pass arbeiten würden: Wie würden Sie Ihre Probenerfahrungen beschreiben?
Das ist eine böse Frage (denkt nach). Chaotisch? Geduldig? Ansonsten: Fragezeichen, Fragezeichen.
Welche Zuschauerreaktion würden Sie sich wünschen für die Premiere am Samstag?
Wenn die Leute sagen: Schauspieler super, Regie o.k. Ich möchte einfach, dass der Abend schön wird.
Sie bringen den "Reigen" in Coburg auf die Bühne
Skandalstück Der 1903 veröffentliche "Reigen" ist das bekannteste Stück Arthur Schnitzlers. Mit der Uraufführung im Dezember 1920 am Kleinen Schauspielhaus in Berlin avancierte der "Reigen" zum veritablen Skandalstück. Zehn Dialoge umkreisen in dramaturgisch raffinierter Verkettung das ewige Thema Liebe zwischen Mann und Frau in vielen Variationen - quer durch alle Gesellschaftsschichten. Die Akteure sind gleichsam Platzhalter für unterschiedliche Typen - die Dirne und der Soldat, das Stubenmädchen und der junge Herr, das süße Mädel und der Dichter.
Sebastian Pass wurde 1977 in Wien geboren und besuchte das Konservatorium seiner Heimatstadt. Seit der Saison 2010/2011 ist Pass am Landestheater engagiert. Als Schauspieler stellte er sich dem Coburger Publikum bereits in vielen Rollen vor. So gab er den Jeronimus im Kleistschen Trauerspiel "Die Familie Schroffenstein". In Goethes "Urfaust" spielte er die Titelrolle, in Horváths "Geschichten aus dem Wiener Wald" war er der "Alfred", und in dieser unvollständigen Aufzählung darf die Rolle des "Jake Blues" in der musikalischen Revue "Blues Brothers" nicht fehlen. "Reigen" ist das Regiedebüt des Schauspielers.
Mitwirkende
Inszenierung: Sebastian Pass
Bühnenbild: Studenten der Hochschule Coburg
Kostüme: Pia Wessels
Dramaturgie: Georg Mellert
Frau: Anna Staab
Mann: Nils Liebscher
Vorstellungen Samstag, 23. Februar, 20 Uhr Premiere, 24., 26., 27. Februar, 17., 21., 22., 23., 24., März, 13., 14. April, 20 Uhr (Theater in der Reithalle)