Durch den Coburger Rückert-Preis ist Syrien plötzlich ganz nahe. Vier syrische Autoren standen auf der Shortlist für die Auszeichnung. darunter auch Rosa Yassin Hassan und ihr Buch "Ebenholz".
Eine Geschichte wie aus "Tausendundeiner Nacht", diese Geschichte, die Rosa Yassin Hassan in ihrem Roman "Ebenholz" erzählt. Die aus Syrien stammende Autorin ist eine von vier Aspiranten auf der Shortlist für den diesjährigen Coburger Rückert-Preis. Auf den ersten Blick scheint ihr Buch das einzige unpolitische auf dieser Liste zu sein. Scheinbar.
Fluchtversuche Denn "Ebenholz" kommt als eine Familiengeschichte daher, die in bilderreichem, blumigem Stil erzählt wird - so, wie sich ein Mitteleuropäer arabische Erzählkunst wohl vorstellt. Über jedem Kapitel scheint unsichtbar ein geheimnisvoll raunendes "Es war einmal" zu schweben.
Diese Familiengeschichte, die da erzählt wird, umfasst rund ein Jahrhundert - vom Beginn des 20. Jahrhunderts bis in die Gegenwart, sechs Generationen insgesamt.
Der Blickwinkel jedoch, aus dem Rosa Yassin Hassan erzählt, ist durchaus ungewöhnlich.
Hoffnung auf Veränderung Denn sie schildert das Leben in einer durch und durch patriarchalischen Gesellschaft aus der Sicht der Frauen. Sie sind letztlich diejenigen, die das Überleben der Familie organisieren.
"Ebenholz" ist die Geschichte ganz unterschiedlicher Fluchtversuche aus den Fesseln dieser patriarchalischen Gesellschaft Syriens.
Diese Fluchtversuche reichen von tatsächlicher Flucht aus dem Schoß der Familie bis zu inneren Ausbruchsversuchen. Aber auch der Versuch, durch politisches Engagement verkrustete gesellschaftliche Zustände aufzubrechen, scheint als Möglichkeit oder Hoffnung auf. Damit aber ist diese scheinbar im Märchentonfall erzählte Geschichte eben doch auch ein politisches Buch.
"Ihr Frauen in dieser merkwürdigen Familie seid doch alle gleich.
Jede hat ihre eigene Methode, aber irgendwie scheint es einen einzigen Faden zu geben, der euch miteinander verbindet", sagt Hazem, der mit Miriam verheiratet ist, die die vorletzte Generation dieser Familiengeschichte verkörpert.
Die stumme Hauptdarstellerin dieses Romans ist eine wertvolle alte Truhe aus Ebenholz, Sie bewahrt über die Generationen hinweg wortlos Erinnerungen in Gestalt von Gegenständen, die in ihrer Tiefe schlummern.
Die Erzähldramaturgie dieses Romans ist mehrfach gebrochen. Dabei wird die Geschichte dieser Frauen nicht eindimensional chronologisch erzählt, sondern immer wieder in Rückblenden vergegenwärtigt und aus unterschiedlichen Perspektiven dargestellt.
Ungewöhnlicher Verlag Erschienen ist dieser Roman in einem Verlag mit einem ungewöhnlichen Profil.
Der in Köln ansässige Alawi Verlag gibt nur Bücher von arabischen Autorinnen heraus.
Verleger Abdul-Rahman Alawi war übrigens zuvor als Vertreter der Palästinensischen Befreiungsorganisation PLO in verschiedenen Ländern Europas tätig.
Buch-Tipp
Lebenslauf Rosa Yassin Hassan wurde 1974 in Damaskus geboren. Sie studierte zunächst Architektur und arbeitete später bis zu ihrer Flucht aus Syrien als freie Literaturjournalistin. Seit 2012 lebt sie als Stipendiatin in Deutschland.
Rosa Yassin Hassan "Ebenholz". Roman. Aus dem Arabischen von Riem Tisini. 292 Seiten, gebunden. 19,90 Euro. Alawi Verlag, Köln 2010.