Ovationen in Neustadt: Rolf Otto dirigiert sein Abschiedskonzert
Autor: Jochen Berger
Neustadt bei Coburg, Sonntag, 17. März 2013
So erlebt das Publikum nach 16 erfolgreichen Jahren seinen letzten Auftritt am Dirigentenpult der "Musikfreunde Neustadt". Als Solist zelebriert Hans-Dieter Bauer das Klavierkonzert von Edvard Grieg.
Am Ende dieses Abends warten ganz besondere Blumen auf Dirigent Rolf Otto. Wenn der Solist eines Sinfoniekonzertes am Ende zum Blumenboten für den Dirigenten wird, muss Besonderes passiert sein. Dieser Abend in der Mehrzweckhalle Heubischer Straße in Neustadt jedenfalls ist kein ganz normaler Abend - dieser Abend steht im Zeichen des Abschieds. Dabei belegt der große Publikumsandrang schon lange vor Beginn den hohen Stellenwert, den das traditionsreiche jährliche Sinfoniekonzert der "Gesellschaft der Musikfreunde" im kulturellen Leben der Bayerischen Puppenstadt einnimmt.
Cellist, Pianist und Dirigient
Rolf Otto, der langjähriger Dirigent der "Musikfreunde Neustadt", ist ein Allround-Musiker - Cellist, Pianist und eben Dirigent. Als Künstler ist er kein Mann der lauten Selbstinszenierung.
Schwelgerischer Klang
Sorgsame Probenarbeit ist die Voraussetzung für möglichst ungetrübten Musikgenuss. Wie gründlich Rolf Otto im Vorfeld gearbeitet hat, beweist schon der Auftakt mit Benjamin Brittens populärer "Simple Symphony" für Streichorchester. Dabei ist der Titel durchaus ein wenig irreführend - trotz der gewiss eingängigen musikalischen Sprache dieses Werkes. Denn die stets schlanke, transparente Struktur des Werks verlangt in jedem Moment aufmerksames, präzises Musizieren. Den Streichern der "Musikfreunde" gelingt eine rundum überzeugende, durchweg klangvolle Wiedergabe: In der "Sentimental Sarabande" tönt das Orchester geradezu schwelgerisch, schwungvoll präsentieren sich die Streicher im flott dargebotenen Finale.
Zwischen Klassik und Romantik
Schuberts 3. Symphonie ist ein melodisch reiches Werk, das reizvoll auf der Grenze zwischen Klassik und Romantik balanciert. Als Schubert-Interpret beweist Rolf Otto an diesem Abend stilistisch sensibles Gespür für genau diese Mischung aus Klassik und Romantik, Struktur und Ausdruck.
Details zelebriert
Von der spannungsvoll durchgeformten langsamen Einleitung des Allegro-Kopfsatzes bis zum elanvoll gestalteten Finale folgt ihm das Orchester der "Musikfreunde Neustadt" stets aufmerksam und reaktionsschnell, sicher in Balance gehalten zwischen dem auch zahlenmäßig gut besetzten Streicherapparat (darunter allein neun Celli) und den immer wieder solistisch hervortretenden Bläserstimmen.
Ein Heimspiel für Hans-Dieter Bauer
Auftritte in Neustadt sind für den in Coburg lebenden Konzertpianisten Hans-Dieter Bauer stets künstlerische Heimspiele. Das beweist auch dieser ausdauern umjubelte Abend. Hans-Dieter Bauer hat ein ausgeprägtes Faible für breite Tempi, für genussvoll zelebrierte Details. Dieses Faible lebt er schon im Kopfsatz des Grieg-Konzertes reichlich aus. Für Rolf Otto am Dirigentenpult wird Bauers sehr freier Umgang mit dem Tempo zur anspruchsvollen Herausforderung. Bemerkenswert, dass es ihm gelingt, Solist und Orchester auch bei schwierigen Übergängen gut zu verzahnen und den Fluss der Musik auch dort zu wahren, wo sich Hans-Dieter Bauer in lyrische Details regelrecht verliebt.
Die Suche nach dem perfekten Klang
Im Mai wird Bauer 76 Jahre alt. Noch immer aber ist dieser Pianist, der sich selber einen "musikalischen Triebtäter" nennt, auf der Suche nach dem perfekten Klang. Das hört man auch an diesem Abend. Mit großer Intensität, mit großem Nachdruck und packender Ausdruckskraft versenkt sich Bauers in Griegs Klavierkonzert. Und wer erlebt, wie Bauer die kraftvolle Virtuosität dieses Werkes mit Kraft und Prägnanz regelrecht aus den Tasten meißelt, wer erlebt, wie er Dirigent und Orchester mit seinem rhapsodisch freien Spiel vor Herausforderungen stellt und zugleich in Bann zieht, der beginnt zu verstehen, was diesen Pianisten noch immer antreibt. Bauer ist einfach verliebt in die Musik - und er ist ein ewig Suchender, der in diesem Konzert lyrische Feinheiten und brillante Virtuosität entdeckt.
Die Stunde der Blumengrüße
Rolf Otto und das Orchester der "Musikfreunde Neustadt" folgen ihm jederzeit unerschrocken und aufmerksam und ermöglichen so eine verdientermaßen ausdauernd umjubelte Aufführung, bei der eigentlich nur eine Frage offen bleibt: Warum steht Griegs Klavierkonzert andernorts eigentlich so selten auf den Konzertplänen?
Am Ende sprechen die Blumen. Nach 16 Jahren am Dirigentenpult der Neustadter "Musikfreunde" verabschiedet sich Rolf Otto vom Publikum - wortlos, aber sichtlich gerührt. Und von Hans-Dieter Bauer noch mit einem Blumenstrauß bedacht - stellvertretend für jene Solisten, die "das Glück hatten, in den letzten 16 Jahren mit Rolf Otto als Dirigent" zu musizieren.
"Warschauer Konzert" als Zugabe
Wenn die Blumen überreicht sind, schlägt vor dem endgültigen Abschied vom Dirigentenpult die Stunde der Zugabe. Orchester und Solist haben dafür einen virtuosen "Kracher" mit Filmmusik-Qualität vorbereitet: Richard Addinsells "Warschauer Konzert" aus dem Streifen "Dangerous Moonlight" von 1942 - brillant, virtuos und irgendwie auch ein klein wenig wehmütig.
Ein Künstlerleben für die "Musikfreunde Neustadt"
Abschiedskonzert Rolf Otto trat schon im Alter von 14 Jahren als Cellist dem Orchester der "Musikfreunde" bei. Er studierte an der Musikhochschule in Würzburg Schulmusik, war bis 1996 Stimmführer der Cellogruppe und übernahm dann das Amt des Dirigenten von Rudolf Potyra. Ottos wird Hans Stähli, langjähriger ehemaliger Erster Kapellmeister des Landestheaters Coburg. Als Cellist wird Rolf Otto dem Orchester allerdings auch in Zukunft verbunden bleiben.