Druckartikel: Neuinszenierung des Dramas "Einsame Menschen"

Neuinszenierung des Dramas "Einsame Menschen"


Autor: Jochen Berger

Coburg, Montag, 20. Mai 2013

Wie kann ein frühes Familiendrama Gerhart Hauptmanns heute noch interessieren? Mit der Inszenierung von "Einsame Menschen" gibt Michael Götz eine faszinierende Antwort.
Trautes Familienglück? Johannes Vockerat (Frederik Leberle) schreit seinen Frust heraus, seine Frau Käthe (Sandrina Nitschke) versucht derweil, den Nachwuchs zu beruhigen. Foto: Henning Rosenbusch


Fatales Familienglück. Johannes Vockerat ist Vater geworden. Seine Eltern freuen sich über den Stammhalter, der sie zu Großeltern macht. Johannes aber? Finster ist sein Blick, gereizt sein Stimmung. Warum nur?
Es ist was faul im Hause Vockerat. Doch was? Johannes fühlt sich unverstanden, sieht sich als junger Gelehrter und erträumt sich eine intellektuelle Karriere, die so gar nicht passen will zu seiner Rolle als Familienvater.

Dann nimmt das Drama seinen Lauf

Denn Käthe, seine Frau, hat kein Talent, ihm auf seinen vermeintlichen Höhenflügen zu folgen. So fängt Gerhart Hauptmanns frühes Drama "Einsame Menschen" an, das Michael Götz am Landestheater Coburg inszeniert. Als dann die junge Studentin Anna als Gast im Hause Vockerat auftaucht und Johannes die Illusion schenkt, sich endlich verstanden zu fühlen, nimmt das Drama seinen Lauf.

Abschied aus Coburg

"Einsame Menschen" - das Stück hält, was der Titel androht. Der Traum von Geborgenheit im Schoß der Familie - in diesem frühen Hauptmann-Drama ist er pure Illusion, mehr noch: Selbstbetrug. Und im Fall von Vockerat Junior: Angst vor der Erkenntnis, einfach nur ein Versager zu sein.

Michael Götz ist ein Regisseur mit feinem Gespür für die Musik der Sprache. Das beweist er auch bei seiner ersten Inszenierung im Großen Haus des Landestheaters, die zugleich seinen Abschied aus dem festen Engagement in Coburg bedeutet. Er macht aus Hauptmanns Text die Partitur eines Kammerspiels mit vielen Tempowechseln, mit subtilen Zwischentönen und intensiven, packenden Pausen.

Die Entscheidung, Hauptmanns Familiendrama nicht vordergründig ins Heute zu transferieren, ist in dieser Inszenierung eine schlüssige, nachvollziehbare Entscheidung.


Zeitlos gültige Konflikte

Michael Götz skelettiert Hauptmanns Text regelrecht, reduziert ihn in weiten Teilen auf seine zeitlos gültigen Konflikte. Hauptmanns Figuren wirken bei allem, was sie sagen, oft sprachlos, schweigen über das, was sie eigentlich sagen wollen, sind gefangen in Konventionen, die sie zu ersticken drohen. Die Regie, bestens unterstüzt von André Fischers Lichtdramaturgie, spitzt diese Situation oft bis zur äußersten Konsequenz zu, führt die Figuren bis an die Grenze des Absurden. In den Szenenwechseln verdichtet sich das Spiel zur grotesken Pantomime (Musik: Tiger Lillies).

Dazu hat Ditteke Waidelich das exakt passende Bühnenbild entworfen, das mit sparsamsten Akzenten und einigen wenigen Versatzstücken zwischen Realismus und symbolischem Realismus auskommt. Ein Küchenherd mit Holzbefeuerung, ein drehbarer Holzhocker, ein abgestorbener Baum, der schließlich zusammenbricht wie von Zauberhand zerlegt - mehr braucht Waidelich nicht, um den passenden Rahmen für dieses Familien-Endspiel zu schaffen. Imke Paulick hat dazu die adäquaten Kostüme geschaffen - karikierend zugespitzt in der Charakterisierung.

Der Regieansatz von Michael Götz versteht "Einsame Menschen" konsequent als Ensemblestück, in dem auch vermeintlich kleine Rollen sehr ernst genommen werden. Das gilt für Frau Lehmann, von Philippine Pachl mit präzis gesetzten Akzenten sehr lebendig charakterisiert, ebenso wie für Vockerat Senior, den Thomas Straus als reichlich ahnungsloses Familienoberhaupt zeichnet.

Stürmischer Beifall

Der gescheiterte Maler Braun, den angeblich nur die fehlende Leinwand samt Farbe am ganz großen künstlerischen Wurf hindert, findet in Sebastian Pass einen Darsteller mit Gespür für trefflich karikierende Überzeichnung. Frau Vockerat, die Mutter von Johannes, kennt nur ein Ziel: den schönen Schein des vermeintlichen Familienglücks um jeden Preis bewahren. Kerstin Hänel spielt sie ebenso mit großer Intensität und Präzision wie Sandrina Nitschke ihre Schwiegertochter Käthe, die sich lieber duckt, als endlich einmal aufzubegehren.
Frederik Leberle wird am Landestheater sehr oft in Sonnyboy-Rollen besetzt. Als Johannes Vockerat beweist er, dass er auch einen egomanen Versager mit wohldosierten Gesten eindringlich auf die Bühne stellen kann. Stürmischer Premierenbeifall.



Theater-Tipp


Termine Gerhart Hauptmann "Einsame Menschen" - Aufführungen am 23., 30., 31., Mai, 7., 12., 25., 26. Juni, 19.30 Uhr, Landestheater Coburg (Theaterkasse: Te. 09561/89  89  89).