Musikalischer Blütenzauber in Neustadt

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Seit 30 Jahren ist Norbert Luche Chefdirigent des Musizierkreises. Fotos: Jochen Berger
Seit 30 Jahren ist Norbert Luche Chefdirigent  des Musizierkreises. Fotos: Jochen Berger
Der "Musizierkreis für gehobene Unterhaltungsmusik" bei der Probenarbeit.
Der "Musizierkreis für gehobene Unterhaltungsmusik" bei der Probenarbeit.
 
Seit 56 Jahren dabei: Karl Mechtold am Violoncello.
Seit 56 Jahren dabei: Karl Mechtold am Violoncello.
 
Vielseitig am E-Piano: Hans-Rudolf Timmig.
Vielseitig am E-Piano: Hans-Rudolf Timmig.
 
Mit ihrem Akkordeon bereichert Dagmar Weiß den Klang.
Mit ihrem Akkordeon bereichert Dagmar Weiß den Klang.
 
Vera Grempel, Klarinette
Vera Grempel, Klarinette
 
Matthias Hein
Matthias Hein
 
Johannes Enders, Violine
Johannes Enders, Violine
 

Der Weg von Wien nach Neustadt ist an diesem Abend verblüffend kurz. Nur ein einziges Stück trennt die zauberhafte Polka masur "Die Libelle" des Wieners Josef Strauß vom "Blütenzauber" aus der Feder des Neustadter Komponisten Herbert Kosubek. Von Strauß zu Kosubek, von Julius Fucik zu Emil Waldteufel führt an diesem Abend der Weg.

Probenzeit in der ehemaligen "Thüringisch-fränkischen Begegnungsstätte", die nun als Neustadter Kulturzentrum firmieren soll. Auf den Pulten im Probenraum liegt eine bunte Mischung aus Walzern und Polkas, aus lautmalerischer Programm musik und einschmeichelnden Musette-Klängen - gehobene Unterhaltungsmusik also. Und genauso heißt auch das Ensemble, das auf diesen fast etwas sperrig klingenden Namen hört: "Musizierkreis gehobener Unterhaltungsmusik".

Der Zusatz "Volksmusik Neustadt" bewahrt die Erinnerung an die Geschichte des mehrfach umbenannten und wiederbelebten Vereins. Sein 130-jähriges Bestehen feiert der Musizierkreis am kommenden Samstag mit einem Konzert in der Mehrzweckhalle Heubischer Straße. Schon 30 dieser 130 Jahre steht Norbert Luche am Dirigentenpult. Damit ist er der mit Abstand dienstälteste Maestro in der Geschichte der "Volksmusik Neustadt".

Taktstock statt Kontrabass


Ursprünglich war Luche als Kontrabassist zur Volksmusik gekommen. 1968 war das, erinnert sich Luche nach kurzem Nachdenken. Als dann jedoch just zum 100-jährigen Bestehen des Vereins 1982 der Dirigentenposten vakant wurde, wagte Luche den Griff zum Taktstock - ein Entschluss, den er nie bereut hat. "Mir macht's noch immer Spaß", sagt Luche. Bei aller Erfahrung als Dirigent, die er in langen Jahren gesammelt hat, gibt Luche dennoch nicht den eitlen Maestro.
Vielmehr versucht er ganz einfach, die Partituren mit dem Musizierkreis möglichst natürlich zum Klingen zu bringen.

Norbert Luche ist ein Sachwalter der Komponisten. Möglichst rund und ausgewogen soll es klingen - nicht pathetisch, auch nicht der "Abschied der Gladiatoren" von Hermann Ludwig Blankenburg, mit dem der erste Teil des Programms enden wird. "Denkt bitte daran: nicht zu schwer nehmen, sonst wird's zu gewichtig", wünscht sich Luche.

Wer mit einem Kammerorchester in schlanker Besetzung durchaus üppig gedachte Tonschöpfungen musizieren will, muss ein Gespür für klanglich geschickte Lösungen haben. Albert W. Kételbey ist ein solcher Komponist, der mit seinen oft klangmalerisch konzipierten, melodisch eingängigen Stücken noch immer beachtliche Popularität genießt. Seine "Glocken in der Ferne" locken mit genau dem, was der Titel verspricht: Glockenklang. Bei der Probe übernimmt Hans-Rudolf Timmig einfühlsam die Aufgabe, am E-Piano die Illusion von Glockenklängen in den Raum zu zaubern. Nach zwei, drei Anläufen und kleineren Korrekturen an Tempo und Rhythmus ist Norbert Luche zufrieden.

Albert W. Neben Kételbeys ruhig fließenden Tönen ist aber auch noch Platz für flotte Stücke wie die "Explosionspolka" von Walzerkönig Johann Strauß, die Luche freilich nicht mit allzu forschem Tempo musizieren lässt.

"Einzug der Gladiatoren"


Dabei wissen Norbert Luche und seine Mitstreiter ganz genau, worauf es bei der Musik ankommt - auf eine flexible Tempowahl, auf lebendige Übergänge oder auch auf eine geschickte Beschleunigung am Schluss wie in Herbert Kosubeks "Blütenzauber".

Der "Musizierkreis" hat schon sehr wechselvolle Zeiten erlebt und manchen Namenswechsel mitgemacht - vom Zitherkreis über Volksmusik bis zur aktuellen Bezeichnung. Einen beachtlichen Teil dieses Weges hat Karl Mechthold begleitet und gestaltet. Seit 56 Jahren ist der Cellist schon dabei, seit 1984 in der Funktion als Vorsitzender. Und auch bei dieser Probe spielt er mit unaufgeregter Umsicht seinen Cellopart.

Stilistisch bewusst sehr bunt ist die Programmauswahl für das Jubiläumskonzert am Samstag. "Starke Stücke" hat Norbert Luche die Zusammenstellung getauft, die neben einigen weniger bekannten Stücken auch gar manche Hits der leichten Muse bietet - von Julius Fuciks "Einzug der Gladiatoren" bis zum Walzer "Die Schlittschuhläufer" von Emil Waldteufel.

Die letzten Takte des Programms und dieses Probenabends gehören dann noch John Philipp Sousa und seinem Marsch "El Capitan", der gleich im ersten Durchlauf gut gelingt. Dann ist die Probe vorbei, nur noch einige restliche Plakate für das Konzert am Samstag werden verteilt. Bleibt noch eine Probe am Mittwoch und die Generalprobe am Freitag in der Mehrzweckhalle.