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Michael Lion - der Barbier von Coburg


Autor: Jochen Berger

Coburg, Samstag, 30. März 2013

So bereitet sich Michael Lion am Landestheater auf die Titelpartie in Peter Cornelius' komischer Oper vor. Die Neuinszenierung feiert am 27. April Premiere in Coburg.
"Ein Schwätzer, der das Herz aber doch auf dem rechten Fleck hat" - so sieht Michael Lion die Titelrolle in "Der Barbier von Bagdad". Das Werk feiert am 27. April Premiere am Landestheater Coburg. Foto: Jochen Berger


Als Sänger hat Michael Lion eigentlich eine Vorliebe für Schurken und zwielichtige Charaktere. Der Titelheld in Peter Cornelius' buffoneskem Meisterwerk "Der Barbier von Bagdad" aber ist einfach nur ein Schwätzer, der mit seinem ewigen Schwadronieren mächtig auf die Nerven gehen kann. Warum sich sich dennoch für diese Rolle begeistert, verrät der Bassist im Gespräch.

Wann haben Sie mit der Vorbereitung auf diese Partie begonnen?
Michael Lion: Vor etwa zwei, drei Monaten. Zunächst habe ich die Partie mit meinem Lehrer durchgenommen - Hans Sotin. Der hat mir auch eine Aufnahme mitgegeben, die er in den 60er Jahren gemacht hat unter Leitung von Ferdinand Leitner.



Sie kannten den "Barbier von Bagdad" vorher also nicht?
Nein, ich kannte tatsächlich nur das Salamaleikum - den Schluss der Oper, weil meine Mutter davon so begeistert ist und wir deshalb zuhause eine Plattenaufnahme hatten. Als ich die CD dann gehört habe, war mir klar: Das ist ja viel komplexer komponiert als das "Salamaleikum" am Schluss. Dieses "Salamaleikum" ist wirklich schön und gefällig, aber das Stück insgesamt hat fast schon ein bisschen moderne Tendenzen.

Wie lässt sich "Der Barbier von Bagdad" musikalisch beschreiben?
Es singt sich schön und es nicht so, dass die Sachen schwer ins Ohren gehen. Aber was Otto Nicolai da hinein komponiert hat, ist manchmal harmonisch interessant ums Eck gedacht - nicht einfach nur geradeaus Tonika, Dominante, Subdominante und mal ein bisschen war anderes.

Was reizt Sie an dieser Rolle des Barbiers?
Interessant ist zunächst einmal die Musik. Interessant ist aber auch die Figur. So einen Typen darzustellen, macht wirklich Spaß. Der ist ein Schwätzer, ist unglaublich überzeugt von sich, hat aber irgendwo doch das Herz am rechten Fleck, obwohl er wirklich penetrant sein kann.

Was würden Sie machen, wenn Ihnen ein solcher Mensch privat begegnen würde?
Zunächst mal würde er mir wohl furchtbar auf den Keks gehen, aber irgendwann würde man ihn dann doch doch lieb gewinnen. Es macht jedenfalls tierisch Spaß, diesen Barbier zu spielen.

Und wo liegen die Herausforderungen in musikalischer Hinsicht?
Die Partie ist für eine relativ schwere Stimme gedacht, hat manchmal recht unbequeme Höhen - lyrische Passagen, die man in die Gurgel bekommen muss, aber sie singt sich schön.

Wie wichtig ist es, selbst als Sänger mit langjähriger Berufspraxis doch immer wieder mal einen Gesangslehrer zu Rate zu ziehen?
Bei aller Erfahrung: Die Stimme ist das einzige Instrument, dass man selber nicht von außen wahrnehmen kann. Ich hatte bis 2002/2003 eine ganz hervorragende Lehrerin, habe dann meinen Beruf zunächst ohne Lehrer ausgeübt. Das hat auch gut funktioniert, aber trotzdem schleichen sich Dinge ein, bei denen man sich sagt: Es wäre doch gut, wieder einen Lehrer zu haben.

Wie intensiv ist Ihr Kontakt zu Ihrem Lehrer Hans Sotin?
Im Monat etwa ein bis zweimal, würde ich sagen. Das ist natürlich nicht ein Unterricht, um Singen zu lernen, sondern es ist eine Kontrolle, ein Im-Gleis-halten. Eine riesige Hilfe ist, dass Hans Sotin jemand ist, der auf allerhöchstem Niveau das gleiche Fach gesungen hat. Er kann mir technisch wie musikalisch extrem viel vermitteln.

Wie bereiten Sie sich auf eine neue Rolle vor?
Ganz einfach über den Klavierauszug. Ich habe Dirigieren studiert, kann mir im Prinzip die Rollen selber einstudieren. Normalerweise ist es auch so, dass ich mir die Rollen vorher nicht auf CD anhöre. Ich lerne das mit dem Klavierauszug und mache dann Korrepetition, wenn ich die Noten drauf habe.

Gibt es Wunschpartien, die Sie schon länger auf dem Zettel haben?
Boris Godunow zum Beispiel. Und eigentlich auch Mephisto in Gounods "Faust" - wenn ich nicht in meiner zweiten Spielzeit in Hof schon das Glück gehabt hätte, diese Rolle singen zu dürfen. Weitere Traumpartien sind zum großen Teil Wagner-Rollen - die Wotans, der Hagen, Marke habe gerade in Coburg konzertant machen können, Gurnemanz, Heinrich in "Lohengrin" - der kommt ja nächstes Jahr im Landestheater, und natürlich den Sachs. Den habe ich letztes Jahr auch schon mit Hans Sotin studiert. Wenn der Sachs jetzt käme, würde ich ihn sehr, sehr gerne machen. Aber es schadet natürlich auch nicht, wenn er noch ein, zwei Jahre Zeit hat. Sachs wäre absolut das Höchste.

Haben Sie ein Faible für eine bestimmte Art von Partien?
Im Grunde sind das absolut böse Charaktere wie Hagen oder auch Mephisto. Da ist musikalisch so wahnsinnig viel drin. Oder auch diese zwiespältigen Typen wie die Wotans, die sehr in sich selbst zerrissen sind - interessante Charaktere mit interessanten Situationen.

Was reizt Sie gerade an diesen zwielichtigen, bösen Charakteren?
Letztlich trägt ja jeder Mensch positive wie negative Aspekte in sich. Im Alltag versucht man ja in aller Regel, die positiven Aspekte zur verfolgen. Aber es ist schon einmal interessant, auf der Bühne die Abgründe zu erkunden, ohne dass das jemandem schadet, ohne dass man es wirklich tut.

Wie anstrengend ist Singen in rein körperlicher Hinsicht?
Ich habe immer ein kleines Problem damit, wenn man sagt, Singen sei Hochleistungssport. Ich glaube, damit kokettiert man dann auch ein wenig. Das, was man braucht zum Singen, hat man schließlich über Jahre oder Jahrzehnte trainiert. Da kann ich nicht sagen, dass das wahnsinnig anstrengt. Aber was man merkt nach eine schweren Partie am Abend, ist die mentale Anstrengung, die Konzentration, die man aufbringen muss. Man muss einfach auf den Punkt eine gute Leistung bringen. Man kann schließlich nicht sagen: Upps, leider schief gegangen, ich probier's nochmal. Das ist das, was wirklich anstrengend, aber auch eine schöne Herausforderung ist. Andererseits: Wenn ich Bauarbeiter auf der Straße sehe, denke ich: Die haben ganz andere körperliche Herausforderungen.

Worauf sollte ein Sänger in seinem Lebenswandel achten?
Man sollte einigermaßen gesund leben - auch ernährungsmäßig, man sollte genug trinken und nach langen Probentagen nicht unbedingt erst um drei Uhr ins Bett gehen. Das ist es dann aber auch schon. Es gibt ja diesen Spruch: Das Einzige, was der Stimme schadet, ist das Singen. Es gibt ja das Zitat von Siegfried: Das Einzige was ich habe, ist mein Körper. Und lebend zehre ich den auf. Das ist auch beim Singen so. Man sagt, wenn man einigermaßen vernünftig singt, hat man so seine 30 Jahre.

Nachdem Sie erst relativ spät mit dem Singen begonnen und zuvor eine Kapellmeister absolviert haben: Wie lange hoffen Sie noch singen zu können?
Vielleicht noch knapp 20 Jahre - darauf hoffe ich zumindest. Ich bin jetzt 56 und hoffe, dass ich jetzt langsam mal an die ganz großen Partien rankomme (lacht). Ich möchte nicht mit 66, 67 in Rente gehen und dann aufhören. Ich habe immer versucht, mit der Stimme pfleglich umzugehen. Von meinen Lehrern hatte ich dazu auch immer die beste Anleitung, mich nicht zu verschleißen. In meinem Fach reift die Stimme eigentlich wirklich erst mit Mitte 50 - da ist man dann mitten drin.

Mit Blick auf Ihre bisherige Karriere: Sie würden es heute wieder so machen?
Aber ja. Ich hatte mit 30 ja schon mal einen Job zugesagt - als Korrepetitor und Kapellmeister in Nizza. Zu dem Zeitpunkt hat mich meine spätere erste Lehrerin drauf aufmerksam gemacht: Dein Material ist o.k. für einen Sänger - und Sänger, das war mein Kindheitstraum. Dann habe ich in Nizza angerufen und gesagt: Leute, ich trete den Job jetzt nicht an - ich versuche, jetzt singen zu lernen. Das war ein Sprung ins kalte Wasser. Damals war wirklich nicht absehbar, ob daraus jemals etwas werden würde.


Ein Dirigent, der als Sänger Karriere macht


Premieren-Tipp "Der Barbier von Bagdad" - Komische Oper von Peter Cornelius, Samstag, 27. April, 19.30 Uhr, Landestheater Coburg (Matinee zur Premiere: Sonntag, 21. April, 11 Uhr, Theater in der Reithalle)

Michael Lion absolvierte eine breit gefächerte musikalische Ausbildung, bevor er sich für ein Gesangsstudium entschied. Am Meistersingerkonservatorium Nürnberg studierte er Hauptfach Klavier, Nebenfach Saxofon und Wahlfach Dirigieren auf. 1986 legte er seine Künstlerische Reifeprüfung im Hauptfach Dirigieren mit Zusatzfach Klavier ab. Von 1985 bis 1994 war er künstlerischer Leiter der Orchestergemeinschaft Hersbruck. Nach dem Dirigierexamen entschloss er sich auf Anregung seiner späteren Lehrerin Monique Herreman zur Ausbildung zum Solosänger. Die Ausbildung setzte er später bei Emmi Lisken-Seiltgen in Ingolstadt fort. Er hatte Gastengagements am Theater Nürnberg und in Singapur, bis er 2001 als 2. Bass im Chor der Oper Chemnitz fest engagiert wurde. Ein Festengagement als Solo-Bass führte ihn zur Saison 2002/03 ans Städtebundtheater in Hof. Seit der Spielzeit 2008/09 ist er am Landestheater Coburg engagiert.