Manfred Kerns Chronik der Entbehrungen

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Manfred Kern stellt sein neues Buch "Meine Oma" bei einer Lesung in Coburg vor. Foto: Markus Manfred Jung
Manfred Kern stellt sein neues Buch "Meine Oma" bei einer Lesung in Coburg vor. Foto: Markus Manfred Jung

Wie der Coburger Autor Manfred Kern seine Familiengeschichte mit der Zeitgeschichte verbindet. "Meine Oma" heißt sein neues Buch.

Manfred Kern ist tief hinabgestiegen in den Brunnen der Erinnerungen. Für sein neu es Buch hat sich der in Coburg lebende Autor auf Spurensuche in der eigenen Familie begeben. Im Zentrum: "Meine Oma". Der rund 200 Seiten umfassende Band erweist sich rasch als eine Familiengeschichte mit doppeltem Boden und einer mehrfach gebrochenen Erzähldramaturgie.

Denn die Geschichte der Familie Kern, die der Autor durch mehrere Generationen beschreibt, ist zugleich und ganz zwangsläufig ein Stück Zeitgeschichte, eine Geschichte der politischen und gesellschaftlichen Veränderungen und Verwerfungen, die als Echo hinein tönen in das kleine Leben der Familie in Wettringen in der Nähe von Rothenburg.



Geheimnissen auf der Spur

"Das Buch beruht auf eigenen Erinnerungen, Dokumenten, Erzählungen anderer, vor allem denen meiner Mutter, ohne die das Buch gar nicht hätte geschrieben werden können, jedenfalls nicht so", antwortet Kern auf die Frage nach der autobiografischen Authentizität des Buches: "Ich habe so wenig erfunden wie möglich. Und immer nur, um den Dingen näher zu kommen, so nahe wie möglich." Den Dingen, den Geschehnissen, vor allem den Menschen der eigenen Familie näher zu kommen - darum geht es Kern in "Meine Oma".

"Es ist eine Familiengeschichte, oder nicht mal das: (m)eine Spur durch (m)eine Familiengeschichte gezogen", sagt Kern selber über sein Buch, an dem er rund eineinviertel Jahre geschrieben hat. Dabei erweist sich diese Familiengeschichte ganz ohne Larmoyanz als eine Chronik der Entbehrungen.

Jenseits der Familiengeschichte aber, die Kern da aufgezeichnet hat, ist der Band auch ein Buch über das Schreiben. Immer wieder thematisiert Kern das Aufschreiben dieser Geschichte, seiner Familiengeschichte. Schreiben ist immer auch ein Versuch der Vergegenwärtigung, der Annäherung und am Ende der Selbstvergewisserung. Dabei beschreibt Kern das Gefühl, "als Schreiber nicht nur Medium für mich selber zu sein, sondern auch für die Vorfahren, die sich durch mich noch etwas Luft und Licht und Raum verschaffen wollen, post mortem."


Karg ist das Leben

In klassischer Manier des auktorialen Erzählers setzt sich Kern ganz bewusst immer wieder als raunender Beschwörer des Imperfekts in Szene, legt sich keck gar mit Dichterfürst Goethe an ("Der hat mir noch gefehlt! Unser Großmaul aus Weimar.")

Heimatdichter kann ein übles Schimpfwort sein. Oder eine treffliche Beschreibung mit doppeltem Boden. Manfred Kern könnte als ein solcher Heimatdichter erscheinen. Einer, der schreibend dem Thema Heimat einfach nicht entkommen kann. Bei Manfred Kern verliert der Begriff Heimat jede Heimeligkeit, bei ihm bekommt die vermeintliche Idylle immer auch eine Kehrseite. Ungeschminkt und präzis zeigt Kern in "Meine Oma", was Heimat in einer dörflichen Umgebung auch bedeuten kann: Karg ist das Leben, engstirnig sind die Menschen, die von Traditionen geknechtet werden und das Individuum unterdrücken. Der Blick zurück - bei Kern ist dies kein verklärender Rückblick, aber auch kein denunzierender.

"Und um es gleich zu sagen: Ich liebe sie nicht besonders", schreibt Kern über seine Oma - und stellt sie dennoch nicht bloß. Das ist vielleicht das Geheimnis in Kerns Schreiben - der Versuch, den Figuren, den Personen Gerechtigkeit widerfahren zu lassen.

"Ein bisschen ist es ja auch so was wie ein Tagebuch des Schreibens. Freilich wirklich nur ein bisschen", sagt Kern selbst im Rückblick auf die Entstehung dieses Buches.

Am Dienstag (14. Mai, 20 Uhr) bietet eine Lesung in der Buchhandlung Riemann die Gelegenheit, Buch und Autor kennen zu lernen. Der Abend ist übrigens eine Premiere - die erste Lesung des seit vielen Jahren in Coburg lebenden Autors in seiner Wahlheimat.

Biografisches Manfred Kern, der in Rothenburg geboren wurde, auf einem Bauernhof in Wettringen bei Ansbach aufwuchs und zunächst als Buchhändler in Würzburg arbeitete, lebt seit vielen Jahren als freier Autor in Coburg.

Bibliografie Manfred Kern
- "Di woahre Gschichd vo meim zweide Leewe", in fränkischer Mundart
- "Offene Wunden - Ein Requiem",
- "Die Verwunschenen", sieben Erzählungen
- "Verlasse bo mir - Mundardgedichde"
- "Der Abgang"
- "Lerchen und grüne Kartoffeln", Gedichte
- "Heimatdmuseum"

Buch-Tipp Manfred Kern: Meine Oma, Wiesenburg Verlag 2013, 201 Seiten, gebunden, 17,80 Euro

Lesung Dienstag, 14. Mai, 20 Uhr, Buchhandlung Riemann, Karten im Vorverkauf sieben Euro, Abendkasse: zehn Euro.