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"Madama Butterfly": Selbstbetrug endet tödlich


Autor: Jochen Berger

Coburg, Montag, 14. Januar 2013

Theaterarbeit ist für Alexandra Szemerédy und Magdolna Parditka Teamarbeit im wörtlichen Sinn. Gemeinsam führen sie Regie, gemeinsam entwerfen sie Bühnenbild und Kostüme. Mit Giacomo Puccinis "Madama Butterfly", der Geschichte eines tödlich endenden Fluchtversuchs, gibt das Duo seine Premiere in Coburg. Ihre Neuinszenierung feiert am Samstag Premiere am Landestheater.
Teamarbeit: Magdolna Parditka (links) und Alexandra Szemerédy führen Regie bei "Madama Butterfly" am Landestheater. Für die Neuinszenierung haben sie zudem gemeinsam Bühnenbild und Kostüme entworfen. Premiere: Samstag, 19. Januar. Foto: Andrea Kremper


Wie lange kennen Sie sich schon, seit wann arbeiten Sie zusammen?
Alexandra Szemerédy: Wir kennen uns schon seit 20 Jahren. Zusammen arbeiten wir seit acht Jahren. Es hat sich sehr schnell herausgestellt, dass das sehr gut funktioniert. Ein Regie-Team ist ja etwas sehr Heikles. Da findet man sich gleich - oder man findet sich gar nicht.

Was war Ihr erstes gemeinsames Projekt?
Alexandra Szemerédy: Unser erstes großes Projekt war "Parsifal" mit Adam Fischer in Budapest, 2006 war das. Und fast gleichzeitig haben wir eine "Zauberflöte" zusammen erarbeitet, eine Kammer-"Zauberflöte".

Arbeiten Sie ausschließlich gemeinsam und in der Kombination Regie und Ausstattung?
Magdolna Parditka: Ja - das ist gewissermaßen unsere Spezialität. Für uns ist es jedenfalls extrem wichtig, dass die unterschiedlichen Bereiche ineinander fließen. Wir glauben sehr daran, dass Theatermachen wirklich Teamwork ist.
Alexandra Szemerédy: Es gibt eine Art Ping-Pong. Wir diskutieren vorher eine Menge, bis wir dann den gemeinsamen Weg finden. Klar, wir denken auch unterschiedlich. Aber wir konzentrieren uns auf die wichtigsten Punkte, bei denen wir uns dann treffen.

Regie und Ausstattung als Duo. Das klingt auch nach Konflikt-Potenzial.
Alexandra Szemerédy: Wenn wir mit der Probenarbeit beginnen, haben wir die großen Diskussionen schon hinter uns. Dann steht schon das Konzept, dann stehen schon die Grundlinien.

Wie unterschiedlich sehen Sie sich als Person?
Alexandra Szemerédy: Ganz unterschiedlich. Aber in künstlerischen Dingen sind wir uns sehr ähnlich - darin, was wir für gut oder schlecht halten.
Was ist für Ihre Inszenierung das zentrale Thema von "Madama Butterfly"?
Alexandra Szemerédy: Die Handlung erscheint eigentlich ganz einfach. Was für eine tolle Liebesgeschichte - das arme, verlassene Mädchen, und der junge Mann, der zu spät sagt, das hätte ich nicht mit Dir tun dürfen. Aber da beginnen schon die Schwierigkeiten.

Was sind diese Schwierigkeiten aus Ihrer Sicht?
Alexandra Szemerédy: Der erste wichtige Punkt ist: Wir glauben nicht an die Liebe zwischen Butterfly und Pinkerton. Ich denke, eine Liebe sieht anders aus. Es gibt Erwartungen von beiden Seiten. Pinkerton will sich vergnügen. Spannend ist das Thema Heirat im Japan der damaligen Zeit. Japan als Land mit großer Tradition wollte Hafenprostitution nicht einfach hinnehmen. Sondern man hat gesagt: Wir erfinden die Heirat auf Zeit. Auf der anderen Seite gibt es dieses Mädchen, das einfach versucht, gesellschaftliche Absicherung zu gewinnen. Sie glaubt, dadurch ein neues, eigenständiges Leben beginnen zu können. Das ist das, was sie sucht - und nicht die Liebe.
Magdolna Parditka: Noch wichtiger ist, dass sie sich befreien möchte. Für mich geht es um eine Frau, die sich befreien möchte aus ihren einengenden Verhältnissen. Sie versucht, daran zu glauben, dass sie durch die Heirat mit diesem Amerikaner in eine neue Welt, eine freiere Welt kommt. Im Grunde weiß sie trotzdem, dass es nicht wahr ist. Sie lügt sich selbst an. Deswegen können wir nicht sagen: böser, böser Pinkerton. Butterfly ist auch nicht schuldlos.

Wie aktuell kann Puccini "Madama Butterfly" gut ein Jahrhundert nach der Uraufführung eigentlich noch sein?
Alexandra Szemerédy: Sehr aktuell. Eindeutig sehr aktuell.
Magdolna Parditka: Sich zu prostituieren, um zu überleben, ist leider immer noch aktuell. Auch hier - nicht nur in Fernost.

Was müssen Sie machen, damit diese Geschichte nicht in süßlichen Melodien ertrinkt?
Alexandra Szemerédy: Da hilft der Text. Oft erklingen diese süßlichen Melodien zu bissigen Sätzen. Wir haben deshalb auch ganz bewusst mit den Sängern gearbeitet. Statt nur in der Musik zu schwelgen, wollen wir die Gedanken dahinter auch zeigen. Das ist ganz wichtig, gerade bei diesem Stück. Gleichzeitig kommen auch musikalisch ganz moderne Dinge daher, zum Beispiel die rezitativischen Einbrüche, plötzliche Stimmungswechsel. Für diese Stellen sind wir sehr dankbar.

Wie sieht das Ausstattungskonzept aus?
Magdolna Parditka: Der Raum, den wir geschaffen haben, verkörpert hauptsächlich Butterflys innere Welt. Dieser Raum versinnbildlicht ihr Ich, ihre Wünsche und ihre Sehnsüchte. Dort fühlt sie sich wohl und trotzdem sehnt sie sich nach etwas anderem. Das, wonach sie sich sehnt, erweist sich als falsche Schönheit. Aber sie erkennt das nicht. Dahinter haben wir einen realen Raum geschaffen...
Alexandra Szemerédy:.... der ihr wiederum irreal erscheint.
Magdolna Parditka: Und als sie dann endlich in diese reale Welt eintreten kann, verschwinden die Menschen, die in dieser Welt gelebt haben.
Wie lässt sich Ihre Ausstattung stilistisch beschreiben?
Magdolna Parditka: Wir haben bewusst gesagt, wir schaffen einen abstrakten, zeitlosen Raum. Das Stück verleitet sonst dazu, zu sagen, das passiert ja irgendwo ganz weit weg.
Alexandra Szemerédy: Trotzdem haben wir uns natürlich in der Vorbereitung sehr stark mit japanischer Kunst beschäftigt.

Haben Sie eine feste Methode der Vorbereitung auf eine Inszenierung?
Alexandra Szemerédy: Ja, schon. Wir hören uns das Stück gemeinsam an mit der Partitur. Dabei werden die Hauptgedanken, die uns an einem Stück interessieren, relativ schnell klar. Das ist der Ausgangspunkt für das Konzept. Selbst beim Gang auf die Straße entdeckt man dann plötzlich Dinge, die mit dem Stück zu tun haben könnten. Man öffnet ein anderes Auge für parallele Welten.
Wie sehen Sie in Ihrer Inszenierung die Rolle der Suzuki?
Alexandra Szemerédy: Für uns ist die Suzuki eine Art ältere Butterfly. Alles, was mit Butterfly passiert, ist mit Suzuki schon vorher passiert.

Und wie sehen Sie die Figur des Sharpless?
Alexandra Szemerédy: Sharpless ist derjenige, der Butterfly wirklich bewundert. Er erkennt, dass sie bald zugrunde gehen wird und will das verhindern. Sharpless ist auch die Person, mit der Butterfly spricht - nicht Pinkerton.
Magdolna Parditka: Wir haben jedenfalls keinen alten Sharpless, sondern einen jungen Sharpless. Und wir haben sehr daran gearbeitet, dass er keine Germont-Figur wird wie in Verdis "Traviata".


Das Coburger Team für Puccinis "Madama Butterfly"

Premieren-Tipp "Madama Butterfly" - Oper von Giacomo Puccini; Premiere: Samstag, 19. Januar, 19.30 Uhr

Vorstellungen

23., 25. Januar, 19.30 Uhr, 27. Januar, 15 Uhr, 1., 7., 14., 16. Februar, 5., 10. März, 19.30 Uhr, 24. März, 15 Uhr, 10. April, 19.30 Uhr


Mitwirkende


Musikalische Leitung: Roland Kluttig
Inszenierung: Alexandra Szemerédy / Magdolna Parditka
Bühnenbild: Alexandra Szemerédy / Magdolna Parditka
Kostüme: Alexandra Szemerédy / Magdolna Parditka
Choreinstudierung: Lorenzo Da Rio
Dramaturgie: Susanne von Tobien

Cho-Cho San: Hyunju Park
Suzuki: Hayley Sugars
Kate Pinkerton: Gabriele Bauer-Rosenthal / Stefanie Schmitt
Benjamin F. Pinkerton: Milen Bozhkov
Sharpless: Benjamin Werth
Goro: Karsten Münster / David Zimmer
Yamadori: Tae-Kwon Chu
Onkel Bonze: Michael Lion / Sergiy Zinchenko
Yakusidé: Marcello Mejia-Mejia
Der Kommissar: Martin Trepl
Der Standesbeamte: Sergiy Zinchenko
Die Kusine: Tomomi Fujiyama
Die Mutter: Monika Tahal
Das Kind: Julian Lion / Tom Schwerdt
Chor des Landestheaters
Philharmonisches Orchester Landestheater Coburg


Hintergrund

Puccinis "Butterfly", am 17. Februar 1904 in Mailand uraufgeführt, reiht sich ein die Tradition von Opern mit exotische Stoffen - von Meyerbeers "Afrikanerin" über Bizets "Perfenfischer" und Massenet "Thais" bis Delibes' "Lakmé"; direkter Vorläufer und Auslöser war Mascagnis "Iris" (1898),


Das Regieteam

Alexandra Szemerédy und Magdolna Parditka verbindet seit dem Studium am Béla-Bartók-Konservatorium in Budapest eine enge künstlerische Zusammenarbeit. Unter anderem inszenierte das Team auf Einladung des Dirigenten Adam Fischer in Budapest 2006 Wagners "Parsifal". Für das Kulturhauptstadt-Programm Ruhr.2010 erarbeiteten sie einen Doppelabend mit Einaktern von Henze und Mozart. Mit "Madama Butterfly" stellen sie sich erstmals dem Coburger Publikum vor. Nach Abschluss des Studiums an der Universität Mozarteum Salzburg lernte Alexandra Szemerédy bei Ursel und Karl-Ernst Herrmann, Christine Mielitz und Achim Freyer. Weiters wirkte sie bei zahlreichen Festspielproduktionen in Salzburg mit. Als Stipendiatin des Freistaates Bayern absolvierte Magdolna Parditka die Akademie der Bildenden Künste in München. Sie gewann den internationalen Wettbewerb des Wagner Forums für Musiktheater "Ring award 2005".