Dirigentin Anna-Sophie Brüning ist begeistert von der Partitur des "Barbiers von Bagdad". Im Gespräch verrät sie, was den Komponisten Peter Cornelius mit Friedrich Rückert verbindet.
Der "Barbier von Bagdad" ist die erste eigene Operneinstudierung in Coburg für die neue Erste Kapellmeisterin Anna-Sophie Brüning.
"Komische Oper": Wie entsteht eigentlich Komik in der Musik? Wie entsteht die Komik im "Barbier von Bagdad"? Anna-Sophie Brüning: Cornelius hat einen absolut individuellen Weg gefunden, die Komik umzusetzen. Es gibt keine Rezitative, in denen Platz für Komik wäre, es gibt keinen Text, in dem Platz für Komik wäre. Es ist ihm gelungen, die Komik in die Arien zu stecken. Wenn man an die große des Abul im ersten Akt denkt - da gibt es Stellen, bei denen man meint, Georg Kreisler hat sich bedient.
Aus musikalischer Sicht betrachtet: Worum geht es im "Barbier von Bagdad"?Es geht im jemanden, der es sehr eilig hat, und dabei auf jemanden trifft, der sehr viel Zeit hat.
Das wird im Tempo bis ins Innere der Musik hinein deutlich - diese Langsamkeit, die Ungeduld hervorruft. Der Witz bei Cornelius ist sehr subtil.
Wie lässt sich die Musik von Cornelius im "Barbier" beschreiben?Seine Musik ist sehr fein gearbeitet. Ich fühl' mich dabei manchmal an orientalische Ornamente erinnert, in denen alle Details wichtig sind. Beim "Barbier" gibt es kein Detail, das nicht wichtig wäre. Gerade in der Ouvertüre gibt's unheimlich viele kleine Figuren. Das ist oft ganz kammermusikalisch und fein gemacht.
Lässt sich die Komik auch von der musikalischen Form her beschreiben?Im 2. Akt gibt es eine sehr tumultuöse Szene mit vierfachem Chor - also 16-stimmig. Das ist das auskomponierte Chaos.
Dabei bedient sich Cornelius genau in dieser Szene einer sehr strengen Form, um das deutlich zu machen - einer Passacaglia.
Wie schwierig ist das umzusetzen?Cornelius hat das meisterhaft gemacht. Alles ist sehr offensichtlich, anschaulich. Es hilft bei der Interpretation, wenn man sich die Form bewusst macht.
Wie lässt sich die Musik von Cornelius stilistisch beschreiben?Der Einfluss von Wagner ist natürlich unüberhörbar. Und im formalen Aufbau hat meiner Ansicht nach auch Berlioz Spuren hinterlassen. Die Sänger sind glücklich - das ist eine sehr sängerfreundliche Musik.
Haben Sie ein Lieblingsstück in dieser Oper?Da muss ich überlegen. Es gibt natürlich Hits - die Arie des Abul und auch das Salamaleikum. Aber es gibt so viele Stellen, die sehr reizvoll sind.
Lieblingsstück? Nein, eigentlich nicht. Die Musik im "Barbier" will entdeckt werden.
Welche Aspekte waren Ihnen bei der Vorbereitung auf diese Produktion wichtig?Man öffnet sich bei der Vorbereitung auf eine solche Neuinszenierung ja auch selber neue Bereiche. Spannend für mich war die Frage: Wie hat das 19. Jahrhundert auf die orientalische Welt geschaut. Ich habe ja fünf Jahre im Nahen Osten gelebt, als ich von Daniel Barenboim mit dem Aufbau und der Leitung des ersten palästinensischen Sinfonieorchesters betraut war. Was wir aus westlicher Sicht für orientalisch gefärbte Musik halten, hat mit dem Orient eigentlich gar nichts zu tun.
Das ist einfach nur eine Fantasie des Orients - zum Beispiel auch der "Arabische Tanz" in Tschaikowskys "Nussknacker".
Gilt das auch für den "Barbier von Bagdad"?Ja, das ist auch eine Fantasie des Orients.
Ist bekannt, ob sich Cornelius für diese Oper mit dem Orient beschäftigt hat?Cornelius war offensichtlich vor der Komposition des "Barbier" mehrmals beim alten Friedrich Rückert in Neuses. Er wollte eine der Töchter Rückerts heiraten. Daraus ist allerdings nichts geworden. Ob er sich dabei auch Informationen zum Thema Orient geholt hat, ist allerdings nicht belegt.
Worauf müssen Sie als Dirigentin bei diesem Werk besonders achten?Ganz wichtig ist, dass die Farben stimmen, dass die Affekte stimmen. Ungeduld oder Bedächtigkeit - das muss sich natürlich auch auf das Tempo beim Musizieren auswirken.