Fünf Stunden lang stand Sebastian Trautwein im Korb der Drehleiter und räumte Ziegel vom brennenden Dach in der Herrngasse. Mit seinem Bild wirbt die Coburger Feuerwehr.
Die Nacht zum Pfingstsonntag 2012, genau vor einem Jahr: Als der Alarmwecker piept, rast Sebastian Trautwein zum Feuerwehrdepot im Dammweg. Mit zwei weiteren Kameraden besetzt er das Drehleiterfahrzeug 31/1. Es ist das vierte, das ausrückt. Als sie ankommen, erhalten sie den Auftrag, von oben zu löschen. Dann, als der erste Angriff vorbei ist, geht es darum, das Nebengebäude Herrngasse 8 zu sichern. Sebastian Trautwein steigt in den Korb und fährt hoch übers Dach.
Es brennt nebenan, unterm Dach von Nummer 10. Die Glutnester stecken unter den Ziegeln, von oben nicht zu sehen. "Es bringt nichts, da einfach mit dem Strahlrohr draufzuhalten." Sebastian Trautwein beginnt, Löcher in die Blechverkleidung des Erkers zu reißen, unter der es dampft. Dann holt er die Ziegel vom Dach.
"Ich war fünf Stunden am Stück da oben - aber das kriegt man gar nicht mit."
Erst, als seine Kameraden ihn auffordern, sich ablösen zu lassen, fährt er mit dem Korb hinunter. Und trinkt. Sein Körper braucht Flüssigkeit nach fünf Stunden Maloche im Schutzanzug, in der feuchtheißen Luft überm Dach, die Nase unter der Filtermaske. "Das war wie ein heftiger Saunagang", erinnert er sich. Die Ruhepause war nur kurz. Sebastian Trautwein ging nun mit seinen Kameraden in den "Innenangriff", also Glutnester im Inneren der Häuser suchen. Später fuhr er noch mal hoch aufs Dach. Erst am Sonntagvormittag übernahm die zweite Schicht bei der Feuerwehr. "Dann war's vorbei."
Aug in Aug mit dem Feuerball Doch die Erinnerungen sind noch da. Trautwein erzählt von dem Moment, als er das erste mal pulsierenden Rauch hörte, unterm Dach, hinterm Kamin.
"Das ging pupp-pupp-pupp!" Grün und gelb schoss eine Stichflamme hervor, "und dann kam hinter dem Schornstein der Feuerball". Als das geschah, waren sie noch zu zweit im Korb, erinnert er sich.
In Coburg tagten und feierten in dieser Nacht, wie alle Jahre zu Pfingsten, die Studentenverbindungen des Coburger Convents. Drei Bierausschankstellen befanden sich in der Herrngasse, noch dicht umlagert. "Die Bereitschaftspolizei hat das dann gleich ordentlich geräumt", erzählt Trautwein. "Sonst wäre da vieles anders gelaufen."
Überhaupt "hat alles voll funktioniert". Feuerwehren aus Stadt und Landkreis, Technisches Hilfswerk und Rettungsdienste arbeiteten zusammen. "Das Feuer hätte sich immer weiter ausdehnen können. Zum Glück waren wir genug Leute!"
Theoretisch hätte Sebastian Trautwein in dieser Nacht auch einer von den Sanitätern sein können.
Nach seinem Zivildienst beim Rettungsdienst des Roten Kreuzes "bin ich da ehrenamtlich hängengeblieben".
Doch sein Herz gehört schon seit der Kindheit der Feuerwehr. Kein Wunder, wenn Vater und Onkel auch dabei sind, ebenso wie der Bruder. Sebastian Trautwein ging mit 15 in Ahorn zur Jugendfeuerwehr, mit 18 wurde er als Aktiver verpflichtet. 2009 wechselte er nach Coburg, "weil du schon als kleines Kind davon träumst, zu einer richtigen Feuerwehr zu gehen". Eine, die wie die Coburger, mehrere Fahrzeuge hat, von der Drehleiter bis zum Spezialfahrzeug für Waldbrände. "Außerdem arbeite ich in Coburg, da hat sich das angeboten."
Im zivilen Leben fährt der 28-Jährige die Lkw auf dem Coburger Wertstoffhof, springt aber auch bei der Müllabfuhr und beim Kanalreinigen ein.
Der Coburger Entsorgungs- und Baubetrieb als Arbeitgeber mache wenigstens keine Probleme, wenn er unter der Arbeitszeit in den Einsatz gerufen werde, sagt Trautwein. "Wenn du im Schichtbetrieb bist, an der Maschine - das toleriert kein Arbeitgeber mehr, wenn du dann wegmusst."
Das muss jedoch seine Freundin tolerieren, die in jener Nach bis in den Vormittag auf ihn warten musste. Er selbst glaubt, dass seine Erfahrungen bei den Rettungseinsätzen als Sanitäter ihm viel Routine vermittelt hat. Aber ein anderes Hobby kann er sich für sich selbst ohnehin kaum vorstellen. Fußball? "Da trainierst zu zweimal die Woche, und am Wochenende reißen dir die Bänder, wenn's blöd läuft", sagt er. "Da bin ich lieber hier."