Gastspiel der "Fränkischen Kantorei Fürth" in Coburg
Autor: Jochen Berger
Coburg, Dienstag, 30. Oktober 2012
Mit Psalm-Vertonungen aus vielen Jahrhunderten gastiert die "Fränkische Kantorei Fürth" in der Coburger Morizkirche.
Was würde Luther wohl dazu sagen? Vieles dreht sich derzeit um ihn - auch und gerade in Coburg. Was würde Luther zum Beispiel zum Gastspiel der "Fränkischen Kantorei Fürth" in der Coburger Morizkirche sagen? Hier, wo der Reformator einst predigte und nachhaltige Spuren hinterließ - und das nicht nur, weil er nun im rechten Seitenschiff als Büste auf steinernem Sockel thront.
Macht der Musik
Wenige Tage vor dem Reformationsfest demonstriert die "Fränkische Kantorei" bei ihrem Coburg-Gastspiel in der Reihe "Musica Mauritiana" jedenfalls auf ebenso klangvolle wie nachdrückliche Weise, warum der Reformator so fasziniert war von der Macht der Musik. Mit der Macht des Wortes hat Luther ehedem die Kirche und damit die abendländische Welt verändert - mit Worten, deren Macht durch die Kraft der Musik noch verstärkt wird.
"Tränensaat und Freudenernte"
Das zumindest belegt dieses Konzert, das sich konsequent dem Thema Psalmen widmet. "Tränensaat und Freudenernte" lautet das Motto, für das Kirchenmusikdirektorin Ingeborg Schilffarth, die Leiterin der "Fränkischen Kantorei Fürth", Werke aus mehreren Jahrhunderten vom Barock bis zur Gegenwart ausgewählt und beziehungsvoll kombiniert hat. In kluger und erhellender Abfolge kontrastiert das Programm mehrfach unterschiedliche Vertonungen, die sich jeweils auf den gleichen Psalmen beziehen.
Ein jüdischer Komponist in Mantua
Der Monteverdi-Zeitgenosse Salomone di Rossi ist eine solche Entdeckung - ein jüdischer Komponist, der einst an der Wende vom 16. zum 17. Jahrhundert am Hofe von Mantua wirkte und als erster Komponist gilt, der Musik für die Synagoge im Stile mitteleuropäischer Meister schuf.
In St. Moriz stellt sich die "Fränkische Kantorei" als hörbar gut geschulter Kammerchor vor. Das 21-köpfige Ensemble präsentiert sich als jederzeit disziplinierter vokaler Klangkörper, der das vielseitige Programm stets stilsicher bewältigt. Von Melchior Vulpius bis Krzysztof Penderecki, vom Barock bis zur Moderne demonstriert die "Fränkische Kantorei" ihre Fähigkeit, die gestalterischen Impulse von Ingeborg Schilffarth reaktionsschnell und differenziert in Gestus wie Dynamik in Klang zu verwandeln.
Textbezogene Gestaltung
Stets geht es Schilffarth mit ihrer detailreich den Klang geradezu modellierenden Gestik um textbezogene Gestaltung der Werke. Entsprechend sorgfältig achtet sie auf die prägnante Artikulation der Texte.
Beziehungsvoll ausgewählt sind auch die Orgelwerke, die Coburgs Kirchenmusikdirektor Peter Stenglein interpretiert - Werke, die ebenfalls von biblischen Psalmen inspiriert sind wie Bachs große Choralbearbeitung "An Wasserflüssen Babylons". Stenglein interpretiert diesen Choral mit weichen Klängen und in ruhig fließender Bewegung.
"Aus tiefer Not schrei ich zu dir"
Ein weiterer Block ist dann Psalm 130 gewidmet, dessen Anfangszeile "Aus tiefer Not schrei ich zu Dir" viele Komponisten durch die Jahrhunderte hindurch zu besonders expressiven Werken inspiriert hat. Das belegt der Choralsatz von Johann Walter aus dem 16. Jahrhundert, der eingerahmt wird von der zweimal gesungenen Motette "De Profundis" des belgischen Chorleiters und Komponisten Vic Nees. Mendelssohns A-Dur-Orgelsonate aus op. 65 rundet diesen Programmteil ab. Auch sie ist von Psalm 130 inspiriert und wird von Peter Stenglein mit geschickter Registerwahl hymnisch gesteigert.
"Geistliche Lieder Dr. Luthers"
Am Ende gibt es nach ausdauerndem Beifall der Zuhörer noch eine passend gewählte Zugabe zum endgültigen Ausklang: "Hinunter ist der Sonnenschein" von Melchior Vulpius, mit dem sich der Kreis gleichsam schließt. Schließlich hat Vulpius, der in Wasungen geboren wurde und in Schleusingen das Gymnasium besuchte, einst auch eine Sammlung "Kirchengesänge und geistliche Lieder Dr. Luthers" vorgelegt.