"Freistaat Coburg" serviert parodistische Wortkunst
Autor: Jochen Berger
Coburg, Sonntag, 14. April 2013
Was passiert, wenn Kurt Tucholsky auf Helmut Qualtinger und Erich Kästner trifft? Die Reihe "Freistaat Coburg" liefert mit seinem "Cabaret Sauvignon" die vergnügliche Antwort.
Willkommen beim satirischen Tanz auf dem Vulkan. Zwischen zwei Weltkriegen - was bleibt dem machtlosen Bürger der Weimarer Republik außer Verzweiflung oder Weltflucht unter dem Deckmantel puren Vergnügens? Die Lust an Satire und Ironie, die Lust, durch drastische Zuspitzung die Schändlichkeit der politischen Verhältnisse zumindest zu entlarven, wenn sie sich schon nicht ändern lassen.
"Cabaret Sauvignon" - so lautet das Motto bei der April-Ausgabe der Reihe "Freistaat Coburg" in der Reithalle. Unter diesem Etikett serviert Stephan Ignaz dem Publikum einen Varieté-Abend mit Texten und Szenen, Gedichten und Filmausschnitten, die künstlerischen Glanz und politisches Elend vornehmlich im Deutschland der 20er und 30er Jahre widerspiegeln.
Auf der Bühne des Landestheaters kennt das Coburger Publikum Stephan Ignaz und sein Talent für präzis in Szene gesetzte Komik inzwischen aus einer Reihe von Gastrollen
Hamlet-Parodie
In großen Umschlägen warten Szenen und Texte mit offenkundig zeitlos wirkendem theatralischen Potenzial - von Erich Kästner ("Kennst Du das Land, wo die Kanonen blühn?") bis hin zu Helmut Qualtingers Hamlet-Parodie oder einer einst gefeierte Salome-Parodie ("O wie schön sind die Hühneraugen der Prinzessin Salome heute Nacht"). Wenn dann der ausgeloste Zuschauer auch noch seine Wunsch-Akteure ausgewählt hat, steht dem nostalgisch-ironischen Spaß auf der Bühne im Gewand der 20er Jahre nichts mehr im Wege.
Den äußeren Rahmen liefert das Bühnenbild zu Schnitzlers "Reigen". Ein paar Tische und Stühle, dazu ein vorne in der Mitte platziertes rotes Sofa - mehr braucht es nicht, um die Reithalle ins "Cabaret Sauvignon" zu verwandeln.
Stephan Ignaz hat für diesen "Freistaat" mit Jessika Puschka, Mira Mugalle, Mia Hartmann, Florian Wohl und Marcus G. Kulp ein Quintett junger Akteure um sich geschart, das sich gänzlich unerschrocken und voller Begeisterung einlässt auf dieses Wechselspiel mit dem Publikum. Der Abend lebt einerseits vom Reiz der schlagfertigen, reaktionsschnellen Improvisation, andererseits von der zeitlosen Qualität der ausgewählten Texte eines Kurt Tucholsky oder Erich Kästner. Selbst ein Klassiker wie Tucholskys "Was darf Satire" verliert beim Wiederhören keinesfalls an Reiz.