"Eugen Onegin" in Coburg: Trauma einer verpassten Liebe

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Gast am Landestheater: Konstanze Lauterbach inszeniert Tschaikowskys "Eugen Onegin" in Coburg. Foto: Jochen Berger
Gast am Landestheater: Konstanze Lauterbach inszeniert Tschaikowskys "Eugen Onegin" in Coburg. Foto: Jochen Berger
Probenszene mit Benjamin Werth (Eugen Onegin) und Betsy Horne (Tatjana)Foto: Andrea Kremper
Probenszene mit Benjamin Werth (Eugen Onegin) und Betsy Horne (Tatjana)Foto: Andrea Kremper
 
Probenszene mit Benjamin Werth (Eugen Onegin, rechts) und Milen Bozhkov (Lenski)Foto: Andrea Kremper
Probenszene mit Benjamin Werth (Eugen Onegin, rechts) und Milen Bozhkov (Lenski)Foto: Andrea Kremper
 
Alexander Puschin (Denkmal in Weimar)Foto: Jochen Berger
Alexander Puschin (Denkmal in Weimar)Foto: Jochen Berger
 

So will Gast-Regisseurin Konstanze Lauterbach "Eugen Onegin" auf die Bühne des Landestheaters bringen.

Diese Oper erzählt die Geschichte einer verpassten Liebe. Die junge Tatjana verliebt sich in den Lebemann Eugen Onegin, gesteht ihm ihre Liebe und holt sich eine schmerzliche Abfuhr. Jahre später verliebt sich Eugen Onegin dann doch in Tatjana. Doch die hat längst geheiratet, hat ihre Hand dem alternden Fürsten Gremin geschenkt und weist Onegin nun ihrerseits zurück. Am 29. Juni feiert das Werk Premiere am Landestheater Coburg. Regie führt Konstanze Lauterbach.

Wie bereiten Sie sich auf eine neue Inszenierung vor? Wechselt die Methode von Stück zu Stück? Wie haben Sie sich auf "Eugen Onegin" vorbereitet?
Konstanze Lauterbach: Die Vorbereitung ist jedes Mal anders. Manchmal ist es die Vorstellung von einem Raum, die viel freisetzt, manchmal ist es eine Farbe. Im Fall von "Eugen Onegin" ist Puschkins Roman der Schlüssel zum Verständnis.
Dort erfährt man viel über die Figuren - Dinge, die in der Oper ausgespart werden.

Welche Jahreszeiten assoziieren Sie mit "Eugen Onegin"?
Mehrere Jahreszeiten - seelische Jahreszeiten. Es geht um das Aufblühen und das Verblühen. Frühling gibt es schon in diesem Stück - aber er landet im Glatteis.

Welche Rolle spielt das russische Kolorit für Sie in diesem Werk?
In der Musik ist das alles schon drin. Da kommt man mit der Regie gar nicht umhin. Es interessiert mich allerdings nicht, eine Folklore-Show zu veranstalten. Mir geht es um klar geerdete, übertragbare menschliche Situationen. Und wenn es doch Folklore gibt, dann eher als Zitat oder als Übersetzung.

Was ist aus Ihrer Sicht der zentrale Konflikt in diesem Werk?
Die Kollision des Freiheitswunsches mit dem Gefangensein im Alltag und in der Gewohnheit, in der Monotonie des Lebens. Es geht um Ausbruchsversuche aus dieser Monotonie.

Wie interpretieren Sie den Untertitel "Lyrische Szenen"?
In Lyrismen wegfließen ist nicht meine Sache. Das Stück hat eine große Melancholie. Und seine Lyrik ist kein Softeis, in der Lyrik werden ja Verlustanzeigen formuliert.

Haben Sie eine Lieblingsfigur in "Eugen Onegin"?
Nein, keine Lieblingsfigur. Ich kann mich mit Situationen identifizieren, zum Beispiel mit Tatjana, die in der Briefszene mutig ihre Gefühlswelt offenbart. Ihre Courage in der damaligen Zeit - das imponiert mir. Ich kann mich aber auch mit der Verzweiflung eines "Eugen Onegin" identifizieren.

Wie zeitgemäß ist ein Stoff, in dem ein Duell aus verletzter Ehre eine zentrale Rolle spielt?
Ich kann viel Modernes in "Eugen Onegin" entdecken. Selbst Olga ist aus meiner Sicht eine moderne Figur - ein lebenshungriges Mädchen, das alles verliert.

Und wie gehen Sie mit der Duell-Szene um, in der Eugen Onegin seinen Freund Lenski erschießt?
Bei mir ist das nicht die klassische ritualisierte Duell-Szene. Sondern ich zeige die beiden Frauen mit auf der Bühne - wenn auch in anderen Räumen. Dadurch verändert sich die Szene.

Eugen Onegin wird oft als zynisch dargestellt, der die Liebe Tatjanas kühl und arrogant zurückweist. Wie sehen Sie die Titelfigur?
Für mich geht es um den Konflikt, wie sich die beiden verpassen. Die Absage an Tatjana ist ja für Eugen Onegin wirklich ein Kampf. Andererseits ist das, was man Zynismus nennt, nur ein Zeichen von Hoffnungslosigkeit. Eugen Onegin hat ein großes Unbehagen an der Gegenwart, weil er die Figuren zu schnell durchschaut. Er ist ein junger Mann, der immer allein ist, immer ein Außenseiter, ein Provokateur.

Wenn Sie ihn in ein, zwei Worten charakterisieren müssten?
Eher ein Menschenfeind als ein Gossenmephisto. Er kann sich nicht binden, wird zum Sklaven seiner Freiheit.
Was reizt Sie an der Geschichte dieser "lyrischen Szenen"?
Dieser große Prozess der Desillusionierung. Durch diesen Fleischwolf der Desillusionierung müssen alle Figuren durch: Die Gewohnheit wird zum Ersatz für das Glück.

Sie arbeiten bei den Proben mehrere Wochen sehr intensiv mit den Sängern. Wie fühlt es sich an, wenn eine Inszenierung fertig ist?
Der Tag, nachdem es vorbei ist, das ist für mich ein regelrechtes Loch in der Natur. Deshalb sehe ich mir auch nie meine eigenen Premieren an. Mit der Premiere gebe ich das Stück aus der Hand, dann gehört es den Darstellern.

Bleibt neben den intensiven Proben noch Zeit, die Stadt zu entdecken?
Ja, schon ein bisschen. Die Veste habe ich mir schon angeschaut, auch die Stadt. Und die Stadt gefällt mir. Schönes Städtchen, schöne Bausubstanz, schöne alte Häuser. Die Landschaft kenne ich ja schon ein bisschen, da ich aus Thüringen stamme. Wenn man aus Berlin kommt, ist man froh, dass man mal aus diesem Lärmmüll und dieser ständigen Geschäftigkeit heraus kommt. Das ist einfach erholsam.


Das Team für "Eugen Onegin" am Landestheater


Premieren-Tipp "Eugen Onegin" - Oper von Peter I. Tschaikowskij (in russischer Sprache mit deutschen Übertiteln), Samstag, 29. Juni, 19.30 Uhr

Termine 23. Juni, 11 Uhr, Matinee zur Premiere (Theater in der Reithalle); Aufführungen: 5., 9., 11., 17. Juli, 19.30 Uhr (zum letzten Mal in dieser Spielzeit)

Produktions-Team Musikalische Leitung: Roland Kluttig
Inszenierung und Kostüme: Konstanze Lauterbach
Bühnenbild: Gabriele Vöhringer
Dramaturgie: Susanne von Tobien

Konstanze Lauterbach Gleich zu Beginn ihrer Karriere - damals noch Hausregisseurin am Schauspielhaus Leipzig - wurde sie als "Nachwuchsregisseurin des Jahres" geehrt, und seitdem versichern sich namhafte deutschsprachige Bühnen ihrer Mitarbeit. Konstanze Lauterbach wurde mit zahlreichen Preisen ausgezeichnet, und auch als Jurorin hat sie sich mittlerweile einen Namen gemacht: 2011 saß sie in der Jury zum "Theaterpreis Berlin 2011".