"Eugen Onegin": eine der zehn besten Opern überhaupt

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Benjamin Werth (rechts) als Eugen Onegin und Milen Bozhkov als Lenski in einer Probenszene zu Tschaikowskys "Eugen Onegin". Foto: Andrea Kremper
Benjamin Werth (rechts) als Eugen Onegin und Milen Bozhkov als Lenski in einer Probenszene zu Tschaikowskys "Eugen Onegin". Foto: Andrea Kremper
Roland Kluttig bei der Probenarbeit mit dem Orchester. Foto: Jochen Berger
Roland Kluttig bei der Probenarbeit mit dem Orchester. Foto: Jochen Berger
 
Probenszene mit Benjamin Werth und Betsy Horne
Probenszene mit Benjamin Werth und Betsy Horne
 
Alexander Puschkin (Denkmal in Weimar in der Nähe der Anna-Amalia-Bibliothek)Foto: Jochen Berger
Alexander Puschkin (Denkmal in Weimar in der Nähe der Anna-Amalia-Bibliothek)Foto: Jochen Berger
 

Coburgs Generalmusikdirektor Roland Kluttig verrät, was ihn als Dirigent an Tschaikowskys "Eugen Onegin" fasziniert.

Schon seit Jugendzeiten begeistert sich Coburgs Generalmusikdirektor Roland Kluttig für die "Lyrischen Szenen", die Tschaikowsky nach Puschkins Roman schuf. Am Samstag feiert "Eugen Onegin" Premiere am Landestheater.

Bei einem Neujahrskonzert im Landestheater haben Sie einige Ausschnitte aus Tschaikowskys "Nussknacker" dirigiert. Was von Tschaikowsky haben Sie außerdem schon interpretiert?
Roland Kluttig: Nicht viel - nur einmal die 6. Sinfonie in Heidelberg und das Violinkonzert in Winterthur. Ich war lang abonniert auf moderne Musik. Da fragt dann niemand nach Tschaikowsky.

Was bedeutet Tschaikowskys Musik für Sie?
Der "Eugen Onegin" war ein absolutes Wunschstück von mir. Für mich zählt das Werk zu den zehn besten Opern überhaupt. Schon als Jugendlicher war ich davon begeistert - mein Vater hat das damals gemacht.
Das Stück spricht, glaube ich, jedes Lebensalter an. Es gibt ja Opern mit einer Geschichte, die so abgehoben ist, dass man den Zugang erst suchen muss. Bei "Eugen Onegin" ist das für mich eine Geschichte aus dem Hier und Jetzt - abgesehen von der Duell-Szene. In der 6. Sinfonie und in "Eugen Onegin" ist Tschaikowsky am authentischsten.

Was charakterisiert die Musik Tschaikowskys aus Ihrer Sicht?
Tschaikowsky ist ja an sich ein Meister des großen Orchesterrausches, den er hier aber selten einsetzt - in "Eugen Onegin" geht es ihm wirklich um die Sache an sich. Tschaikowsky klingt immer gut. Tschaikowsky wie auch manche andere russische Komponisten jener Zeit - die wussten einfach, wie das Orchester klingen muss. Faszinierend, wie brillant Tschaikowsky instrumentiert, ohne dass das jedoch im Vordergrund steht wie etwa bei Rimski-Korsakow.

In "Eugen Onegin" gibt es reichlich russisches Kolorit in der Musik. Gibt es dennoch auch Bezüge zur westeuropäischen Musik jener Zeit?
Was auffällt ist, dass Tschaikowsky im "Eugen Onegin" in der thematischen Arbeit eigentlich Brahms gar nicht völlig unähnlich ist, obwohl sich Tschaikowsky leider sehr herablassend über Brahms geäußert hat. Beide, Tschaikowsky wie Brahms, lieben das Verschieben von Phrasen gegen den Takt.

Wie gut sprechen Sie Russisch?
Als Bürger der DDR musste ich Russisch lernen. Ich habe das damals natürlich nur widerwillig getan. Aber was geblieben ist: Ich liebe den Klang der Sprache und kann sie zumindest lesen.

Was bedeutet es für die Probenarbeit, "Eugen Onegin" im russischen Original einzustudieren?
Im Falle unserer Sänger ist das Russische eine Fremdsprache. Sie haben es sich mit Hilfe unseres aus der Ukraine stammenden Chorbassisten Sergiy Zinchenko wirklich ganz wunderbar angeeignet. Das klingt schon sehr gut. Russisch ist schließlich eine der am schönsten zu singenden Sprachen. Die Vokale sind wie im Italienischen offen. Und bei den Konsonanten muss man keineswegs so hart arbeiten wie am Deutschen. Russisch ist die zweitschönste Sprache zum Singen nach dem Italienischen.

Worauf müssen Sie beim Einstudieren auf Russisch besonders achten?
Wir haben versucht, die rhythmischen Freiheiten, die russische Sänger sich nehmen, uns anzueignen. Für die Zuhörer im Landestheater hat die Aufführung in russischer Sprache den Vorteil, dass es Übertitel gibt, die eine möglichst wörtliche Übertragung des Originaltextes bieten.

Tschaikowsky hat seinem "Eugen Onegin" den Untertitel "Lyrische Szenen" gegeben. Wie wichtig ist das für Ihre Interpretation?
Enorm wichtig. Wobei darauf zu achten ist, dass die Musik nicht zerfließt. Tschaikowsky wollte sich damit absetzen von dramatischen großen Opern. Geschrieben hat er das Werk ursprünglich für eine Aufführung am Konservatorium, nicht für ein Opernhaus. Der Begriff "Lyrische Szenen" ist absolut treffend - meisterhaft, dass er diesen Begriff geprägt hat, um sein Werk zu beschreiben. Früher habe ich bei "Eugen Onegin" gedacht, man müsste die Genreszene, die Chorauftritte weglassen. Aber letztlich sind diese Szenen doch essenziell.

Haben Sie als Tschaikowsky-Dirigent Vorbilder?
Das ist schwer zu sagen. Ich kann zumindest sagen, was mich stört - wenn Dirigenten zum Beispiel sich in martialischen und lyrischen Gesten völlig selbst verlieren. Ich finde, dass die Musik zwar sehr viel Freiheit, aber auch sehr viel Kontrolle haben muss. Wenn man Tschaikowsky-Aufnahmen mit Jewgenij Mrawinski hört, bekommt man eine Ahnung davon, wie die Musik zu klingen hat. Der Vater von Mariss Jansons, Arvids Jansons, hat mal gesagt: "Man muss bei Tschaikowsky nicht noch Zucker auf den Honig streuen." Das würde ich unterschreiben. In Deutschland dagegen wird Tschaikowsky sehr oft leider zerhackt.

Wie stehen Sie zu der immer noch gerne geäußerten Kritik, die Musik Tschaikowskys sei allzu pathetisch, allzu sentimental?
Ich finde das nicht. Tschaikowsky hat zwar in seinen Werken nicht immer die höchste Meisterschaft erreicht. Aber wenn er sentimental ist, dann ist er es ganz bewusst.


Das Werk und seine Interpreten


Premieren-Tipp "Eugen Onegin" - Oper von Peter I. Tschaikowsky (in russischer Sprache mit deutschen Übertiteln), 29. Juni, 19.30 Uhr

Termine 5., 9., 11., 17. Juli, 19.30 Uhr (zum letzten Mal in dieser Spielzeit)

Produktions-Team
Musikalische Leitung: Roland Kluttig; Inszenierung und Kostüme: Konstanze Lauterbach; Bühnenbild: Gabriele Vöhringer: Dramaturgie: Susanne von Tobien

Darum geht's "Eugen Onegin" erzählt die Geschichte des Lebemanns Onegin, der mehr aus Langeweile denn aus Interesse aufs Land zieht und dort mit seinem Freund, dem Dichter Lenski, auf die Schwestern Tatjana und Olga trifft. Die verträumte Tatjana verliebt sich in den Großstadtmenschen Onegin. In einem sehr persönlichen Brief gesteht sie ihm ihre Liebe, die er aber schnell zurückweist. Auf einem Ball provoziert Onegin seinen Freund Lenski so sehr, dass dieser ihn zum Duell fordert. Darin tötet Onegin Lenski. Zurück in St. Petersburg ist es Onegin, der die mittlerweile dorthin verheiratete Tatjana wiedertrifft und sich nun tatsächlich in sie verliebt. Die zuvor Verschmähte weist nun ihrerseits den völlig verzweifelnden Onegin zurück.

Die Entstehung Als "Lyrische Szenen" hat Tschaikowsky seinen "Eugen Onegin" bezeichnet. Das dreiaktige Werk in sieben Bildern entstand nach dem gleichnamigen Roman von Alexander Puschkin im Mai und Juni 1877.