Druckartikel: Es kann nur einen "Ersten" geben

Es kann nur einen "Ersten" geben


Autor: Simone Bastian

Coburg, Freitag, 18. Januar 2013

Im Verein Hilfe für das behinderte Kind scheint es zwei Lager zu geben - doch was die Parteien trennt und worin die Kritik am Vorstand besteht, bleibt unklar.
Ulrich Eberhard-Schramm bei der Präsentation der Pläne für das neue Behinderten-Förderzentrum Anfang der Woche.


Es scheint zu gären im Verein Hilfe für das behinderte Kind. Zwar hat der Verein nun wieder einen regulär gewählten Vorstand, aber "Ich habe noch nie so eine hochemotionale Versammlung erlebt", sagte Ulrich Eberhardt-Schramm noch am Donnerstagabend. Als er um 22.13 Uhr anrief, um das Wahlergebnis durchzugeben, war dem alten und neuen Vorsitzenden des Vereins die Anspannung noch anzumerken. "Das war wie ein Stahlbad."

Denn Eberhardt-Schramm hatte einen gewichtigen Gegenkandidaten: Heinrich Fehling, den früheren Geschäftsführer des Vereins. Und: Es war der zweite Anlauf. Denn eigentlich sollte schon im November ein neuer Vorstand gewählt werden. Der damaligen Versammlung wohnten etwa 60 Mitglieder bei - nicht jedoch Fehling. Trotzdem wurde er in Abwesenheit gewählt, mit wenigen Stimmen Vorsprung vor Eberhardt-Schramm.

"Was für mich schlimm ist: Ich habe zum fünften Mal zur Wahl gestanden und jedes Mal fast 100 Prozent Zustimmung erfahren. Und dann werde ich aus dem Nichts abgewählt", so Eberhardt-Schramm.

Nur, weil die übrigen vier Vorstandsmitglieder dann erklärten, unter solchen Umständen nicht weiterzuarbeiten, blieb die Wahl ungültig, da unvollständig. Der bisherige Vorstand mit Eberhardt-Schramm an der Spitze blieb kommissarisch weiter im Amt.

Neubau steht an

Bei der Versammlung am Donnerstagabend waren beide Seiten besser vorbereitet: Rund 180 Mitglieder waren gekommen, und die beiden Blöcke waren ungefähr gleich stark, wie die Wahlergebnisse zeigen: Eberhardt-Schramm erhielt 97 Stimmen, Fehling 82. Die stellvertretende Vorsitzende Renate Reißenweber erreichte 93 Stimmen. Gegenkandidat war nach Teilnehmerberichten Klaus Fischer, der dem Vorstand schon vor einigen Jahren angehörte. Gewählt wurde geheim, Vorsitzender und Stellvertreter einzeln, die übrigen drei Vorstandsmitglieder en bloc. Bettina Brückner, ehemalige Leiterin des Kinderhauses, ist die einzige neue im Vorstand. Sie erhielt 101 Stimmen, Gaby Franger-Huhle 94 und Bettina Schmidt 92. Nicht zuletzt wegen des Wahlverfahrens zog sich die Veranstaltung lange hin.

Doch warum ein großer Teil der Mitglieder einen neuen Vorstand installieren wollte, blieb unklar. Zumindest erzählt das so ein Versammlungsteilnehmer, der einräumt, Eberhardt-Schramm gewählt zu haben: "Weil man sechs Wochen vor dem Start eines solchen Großprojektes nicht den Vorstand austauscht." Denn der Verein Hilfe für das behinderte Kind steht vor einem 20 Millionen Euro teuren Neubau: Auf der Bertelsdorfer Höhe soll ein in Oberfranken einzigartiges Behinderten-Förderzentrum entstehen. Dorthin soll die "Schule am Hofgarten" umziehen, die der Verein im Diakonisch-Sozialen Zentrum (DSZ) betreibt.

Zusammenarbeit angeboten

Eine Sanierung des DSZ scheidet aus - das Gebäude ist zu alt und lässt sich den modernden Anforderungen an eine Behinderteneinrichtung nicht anpassen. Ulrich Eberhardt-Schramm trieb als Vorsitzender zusammen mit Vorstand und Geschäftsführung die Planungen für den Neubau voran. Angegangen wurde das Projekt jedoch erst, als Fehling nicht mehr Geschäftsführer des Vereins war. Denn Fehling habe, sagt Eberhardt-Schramm, jahrelang die Generalsanierung des DSZ in Angriff nehmen wollen.

Als er von Fehlings Kandidatur für den Vorstand erfuhr, habe er sich gefreut und Fehling sofort die Mitarbeit angeboten, sagt Eberhardt-Schramm. Aber Fehling habe nur als Vorsitzender tätig werden wollen, nicht als Stellvertreter oder Beisitzer. Sogar eine Doppelspitze habe Fehling abgelehnt.

"Nach so langen Jahren in einem Vorstand war es klar, dass ich nur als Erster Vorsitzender antreten würde", sagte Fehling am Freitag auch dem Tageblatt. Fehling gehörte lange Zeit dem Bundes- und dem Landesvorstand des Verbands für körper- und mehrfach behinderte Menschen an. Er sei von Mitgliedern gebeten worden, zu kandidieren. Und er sehe die Notwendigkeit, dass der Verein sich in einigen Arbeitsgebieten neu orientiere. Das sei aber keine inhaltliche Kritik, fügte er gleich hinzu.

Das Wahlergebnis nahm Fehling gelassen: "Die Mehrheit hat entschieden. Das ist Demokratie." Eine Spaltung drohe dem Verein auch nicht. "Ich werde nichts zu einer Spaltung beitragen, weil mir der Verein am Herzen liegt. Wenn man mich fragt, weil man mich braucht, bin ich der, der helfen würde, wenn ich einsehe, dass da eine Notwendigkeit besteht."

Der neue alte Vorstand wird "weitermachen wie bisher", wie stellvertretende Vorsitzende Renate Reißenweber bestätigte. Schließlich habe es an der bisherigen Arbeit kaum Kritik gegeben. "Wir wurden immer mit fast 100 Prozent gewählt und nun einmal nicht." Ähnlich sieht es Eberhardt-Schramm, der außerdem betont, dass die fünf Vorstandsmitglieder gleichberechtigt arbeiten. "Wir kennen und vertrauen uns, und wir wissen, dass wir uns aufeinander verlassen können."