Ein Roboter als Mitschüler

Die zehnte Klasse des Arnold-Gymnasiums hat einen neuen Mitschüler, zumindest testweise für eine Schulstunde: Der Roboter AV1 ist 27 Zentimeter hoch, knapp eineinhalb Kilo schwer und verfügt über eine eingebaute Kamera, einen Lautsprecher und Augen, die auf vier verschiedene Arten leuchten können. Er steht auf dem Tisch, an dem sonst die 15-jährige Nele sitzt. "Wir können sehen, ob der Roboter traurig oder glücklich ist oder ein fragendes Gesicht macht", sagt einer der Schüler. Auch kann der Roboter durch verschiedene Lichteffekte signalisieren, dass er etwas sagen möchte oder eine Pause braucht.
Der AV1 ist ein sogenannter Telepräsenzroboter, der Schülern mit einer Langzeiterkrankung, die nicht in die Schule gehen können, helfen soll. Durch die Roboter soll es unter anderem krebskranken Kindern ermöglicht werden, ein Stück weit aus der sozialen Isolation herausgeholt zu werden und am Schulunterricht teilzunehmen.Er fungiert als die Augen, Ohren und Stimme der Kinder im Klassenzimmer. Durch eine App kann der Schüler den Roboter von Zuhause oder aus dem Krankenhaus bedienen. Die Stiftung für krebskranke Kinder Coburg hat zwei Exemplare gekauft. Einer der beiden Roboter ist bereits im Einsatz.
Aktive Teilnahme am Unterricht
Während ihre Mitschüler die Schulstunde aus dem Klassenzimmer verfolgt haben, hat sich Nele für den Test zwei Räume weiter in der Bibliothek einen Platz gesucht. Mit Hilfe eines Tablets kann sie sehen, was im Klassenzimmer passiert und sich zu Wort melden. "Die Bedienung ist einfach, es dauert nicht lange, sich da rein zu finden. An das Hin- und Herschwenken muss man sich etwas gewöhnen", sagt die 15-Jährige. Für Kinder und Jugendliche, die nicht am Unterricht teilnehmen können, ist der Roboter ihrer Einschätzung nach eine gute Alternative. "Man hat mehr Kontrolle und kann sich auch umsehen. Das ist anders, als wenn man starr auf den PC schaut."
Christine Rebhan unterrichtet Englisch und Geografie am Arnold-Gymnasium. Sie hat mit ihrer Klasse den Unterricht mit dem Roboter getestet. "Man kann mit dem Kind interagieren, obwohl es nicht im Klassenzimmer sitzt und es in den Unterricht mit einbeziehen", sagt sie. Durch den AV1 könne dem Kind beispielsweise eine Rolle in Gruppenarbeiten zugeteilt werden. Was die Technik anbelangt, ist die Lehrerin überzeugt: "Die Lautsprechertechnik ist genial und das Kind kann selbst entscheiden, ob es zu den Mitschülern, aufs Arbeitsblatt oder an die Tafel guckt. Als Lehrer kann man sich frei im Klassenzimmer bewegen und das Kind kann folgen."
Hausunterricht hat geringen Umfang
Die Stiftung für krebskranke Kinder Coburg hat für die beiden Roboter jeweils 4500 Euro investiert. Dazu kommt eine jährliche Gebühr von 900 Euro für die Wartung der Geräte, bei der unter anderem Softwareupdates aufgespielt werden. "Die Geräte können auch geliehen werden. Wenn Kinder sozial isoliert sind, ist aber eine Soforthilfe wichtig, sonst kann es zu psychischen Problemen kommen", sagt Uwe Rendings, Vorsitzender der Stiftung. Im Fall, dass die Geräte nur geliehen werden, könne eine sofortige Verfügbarkeit nicht garantiert werden.
Wenn ein Kind an Krebs erkrankt, kann es zum Teil bis zu sechs Monate am Stück nicht am Schulunterricht teilnehmen. Die Kinder bekommen dann Hausunterricht. "Der Unterricht ist weniger umfangreich und deckt nur die Kernfächer ab. Ziel ist es, dass der Anschluss nicht verloren wird, mehr aber auch nicht. Der Hausunterricht ersetzt auf keinen Fall die Interaktionen des Roboters", sagt Christine Rebhan. Laut Uwe Rendigs würden beispielsweise einem Grundschüler lediglich eineinhalb Stunden Hausunterricht pro Woche zustehen.
Weitere Roboter anschaffen
Auf lange Sicht möchte die Stiftung weitere Avatare (künstliche Person) anschaffen. "Die jetzigen zwei sind zum Testen gedacht. Wenn sie nicht gerade von krebskranken Kindern benötigt werden, verleihen wir sie auch an Kinder mit anderen Langzeiterkrankungen", sagt Rendigs. Die Voraussetzung dafür, dass sie in einer Klasse eingesetzt werden dürfen ist das Einverständnis aller Elternteile. Aus datenschutzrechtlichen Gründen können Schüler keine Screenshots oder Videos mit den Avataren machen.
13, 4 Millionen Kinder und Jugendliche leben in Deutschland. Davon erkranken laut dem Kinderkrebsregister pro Jahr im Durchschnitt rund 2200 Kinder an Krebs. Heute überleben 82 Prozent ihre Erkrankung um mindestens 15 Jahre. Laut einer Zählung, die auf den Daten von 19254 Patienten unter 18 Jahren basiert, machen Leukämien rund 30 Prozent der Neuerkrankungen aus. Danach folgen Tumore des zentralen Nervensystems (24 Prozent) und Erkrankungen des lymphatischen Gewebes (14 Prozent).
Die Stiftung für krebskranke Kinder in Coburg
Stiftungszweck Die Stiftung ist im Jahr 2003 aus einer Elterninitiative entstanden und unterstützt betroffene Familien und Forschungsprojekte, Außerdem werden der Aufbau einer Knochenmarkspenderkartei und Fortbildungsmaßnahmen im onkologischen Bereich gefördert.
Spenden Finanziell kann die Stiftung mit einer Zustiftung, die angelegt wird, oder einer Spende, die direkt für den Stiftungszweck eingesetzt. Spenden können an folgendes Konto überwiesen werden:
Sparkasse Coburg-Lichtenfels
IBAN DE18 7835 0000 0092 0115 19
BIC BYLADEM1COB
Zuständigkeitsbereich Die Stiftung unterstützt betroffene Familien ehrenamtlich in den Landkreisen Coburg, Kronach, Lichtenfels, Haßberge, Sonneberg und Hildburghausen.
Website Ausführliche Informationen zur Stiftung für krebskranke Kinder Coburg finden Sie auf der Website www.coburgerkrebskinderstiftung.org.