Deshalb liebt Talevi den "Barbier von Bagdad"
Autor: Jochen Berger
Coburg, Dienstag, 16. April 2013
Mit seiner Inszenierung von Leos Janáceks Meisterwerk "Katja Kabanowa" beeindruckte Gastregisseur Alessandro Talevi das Coburger Publikum vor gut einem Jahr. Jetzt bringt er die komische Oper "Der Barbier von Bagdad" von Peter Cornelius auf die Bühne des Landestheaters.
Zu Probenbeginn haben Sie diese Oper dem Ensemble gegenüber als "charmant, aber nicht perfekt" bezeichnet. Was an diesem Werk ist aus Ihrer Sicht nicht perfekt?
Alessandro Talevi: Cornelius hat kein gutes Gespür für Timing wie etwa Rossini oder auch Mozart. Als Regisseur muss man dem Stück immer ein bisschen helfen. Man muss viel arbeiten, um es witzig und lustig wirken zu lassen. Es ist immer schwieriger, ein lustiges Stück zu machen als ein ernstes Stück.
Warum inszenieren Sie den "Barbier" trotzdem?
Es ist sehr charmant. Die Musik ist toll und es gibt eine Reinheit, die ich sehr schätze. Das Liebesduett zwischen Margiana und Nureddin im zweiten Akt finde ich sehr charmant. Wenn Cornelius inspiriert war, ist die Musik genial. Auch das letzte Chorensemble mit dem "Salamaleikum" ist großartig. Auch die orientalische Farbe des 2. Aktes finde ich sehr interessant.
Was genau zeichnet die Musik von Cornelius aus?
Es ist ein bisschen wie bei Schubert. Bei Cornelius gibt es immer kleine überraschende Veränderungen. Auch das Ensemble im 2. Akt ist harmonisch immer wieder überraschend. Für die Entstehungszeit 1857 ist es ein sehr mutiges Experiment.
Wie kann Komik bei Cornelius auf der Bühne funktionieren?
Durch eine Verbindung aus unerwarteten Ideen und richtigem Timing. Und natürlich ist es immer lustig, eine Rasurszene auf der Bühne zu haben wie im ersten Akt.
Was an diesem Werk ist ungewöhnlich?
Man muss sich daran erinnern, dass Cornelius im "Barbier" etwas versucht hat, was es vorher noch nicht gab. Das ist kein Singspiel, sondern ein durchkomponiertes Werk. Ich glaube, dass ihn dazu die h-Moll-Sonate von Liszt inspiriert hat, die auch durchkomponiert ist und die Cornelius sicher gekannt hat. Denn er war mit Liszt zu jener Zeit gut bekannt.
Was ist die besondere Herausforderung für die Regie?
Man muss sich entscheiden, wie komisch oder wie tragisch die einzelnen Szenen werden sollen. Diese Oper hat auch ein großes ernstes, tragisches Element. In dieser Produktion habe ich versucht, auch die ernste Seite dieser Oper zu erkunden. Ich glaube, wir haben eine Lösung gefunden, die das sichtbar macht. Der "Barbier" ist nicht nur eine komische Oper wie bei Rossini.
Es gibt die Titelrolle des allzu redseligen Barbiers, es gibt den schwärmerisch liebenden und leidenden jungen Nureddin - worauf müssen Sie bei der Personenkonstellation besonders achten?
Wir müssen Mitleid mit Nureddin haben. Wie aber schafft man das auf der Bühne? Das ist die zentrale Frage. Ohne Mitleid mit Nureddin funktioniert das Stück nicht. Ich will ihn zeigen als einen unerfahrenen jungen Mann, der auch eine Reinheit besitzt.
"Der Barbier von Bagdad" steht nicht allzu häufig auf den Spielplänen. Sie inszenieren Ihn aber schon zum zweiten Mal?
Vor drei Jahren habe ich ihn bereits einmal in England inszeniert. Damals habe ich das Stück sehr werktreu interpretiert, weil ich dachte, dass es in England nicht sehr bekannt ist und die Zuschauer es deshalb möglichst leicht verstehen sollen. Eine ganz werktreue Inszenierung ist bei diesem Stück aber problematisch. Wahrscheinlich bin ich ja der einzige Regisseur, der dieses Werk nun schon zum zweiten Mal inszeniert. Vielleicht war es Schicksal, dass mich Bodo Busse gefragt hat, ob ich den "Barbier" am Landestheater inszeniere. Cornelius wollte vielleicht, dass ich etwas für ihn mache.
Wie ist die Probenarbeit bislang gelaufen?
Ich habe ein gutes Gefühl, ich habe die Probenzeit bis jetzt sehr genossen. Aber natürlich ist es sehr wichtig, jeden Tag sehr konzentriert zu sein. Dieses Stück darf man nicht unterschätzen.
Pflegen Sie Premieren-Rituale?
Früher ja, jetzt eigentlich nicht mehr. Ein Spaziergang am Premierentag ist aber immer gut. Vor der Premiere ist es für mich eher schwierig, mit vielen Leuten zu reden. Da habe ich es lieber ruhig. Danach ist es natürlich etwas anderes.
Aus dem Lebenslauf eines jungen Regisseurs
Premieren-Tipp "Der Barbier von Bagdad" - Komische Oper von Peter Cornelius, Samstag, 27. April, 19.30 Uhr, Landestheater Coburg (Matinee zur Premiere: Sonntag, 21. April, 11 Uhr, Theater in der Reithalle)
Alessandro Talevi stellte sich mit der gefeierten Inszenierung von Leos Janáceks Oper "Katja Kabanowa" im Januar 2012 erstmals am Landestheater Coburg vor. Der junge Opernregisseur (38) hat bereits an hochkarätigen Häusern gearbeitet. Im Jahr 2007 erhielt er für seine Konzeption der Oper "Rusalka" den Europäischen Opernregie-Preis in Wiesbaden, wo Coburgs Intendant Bodo Busse auf ihn aufmerksam wurde.
Hinter den Kulissen Wie entsteht eigentlich eine Neuinszenierung am Landestheater Coburg? Am Beispiel der Oper "Der Barbier von Bagdad" begleitet das "Tageblatt" den Probenprozess bis zur Premiere am 27. April.