Coburgs Dorian Gray kommt aus Schweden
Autor: Jochen Berger
Coburg, Samstag, 18. Mai 2013
Was bringt einen sportbegeisterten jungen Mann dazu, Sänger zu werden? Ein Gespräch mit dem Tenor Joel Annmo, der Anfang Juni sein Debüt am Landestheater gibt.
Erstmals seit vielen Jahren präsentiert das Landestheater wieder eine Musiktheater-Uraufführungen im Großen Haus: "Dorian Gray" von Roland Fister. In der Titelrolle gibt es bei der Premiere am 8. Juni ein Coburg-Debüt für den jungen schwedischen Tenor Joel Annmo (25).
In der Titelrolle von "Dorian Gray" präsentieren Sie sich dem Coburger Publikum erstmals. Was halten Sie persönlich von dieser Figur?
Joel Annmo: Ich habe Mitleid mit Dorian Gray. Ich denke, Dorian Gray ist vielleicht kein schlechter Mensch, aber er ist sehr verwirrt und am Anfang noch sehr jung - sehr jung und sehr schön. Er hat Angst vor dem Alter und dem Tod und er hat keine Ahnung, wie er sein Leben leben soll.
Am Anfang ist Dorian sicher kein schlechter Mensch, später wird er verwirrt und rutscht immer weiter ab.
Gesangstechnisch bewertet: Wo würden Sie die Titelpartie von "Dorian Gray" ansiedeln?
Dorian Gray ist eine schwierige Partie, vom Stil her im Grunde wie eine lyrische italienische Opernrolle. Es gibt in dieser Rolle Abschnitte, in denen die Stimme sehr hoch geführt ist, dann gibt es wieder Abschnitte, in denen sie sehr tief geführt ist. Das ist schwierig. Man muss immer konzentriert sein, kann nicht relaxen.
Wie halten Sie sich als Sänger fit?
Man muss fast jeden Tag seine Technik-Übungen machen - und man muss gesund essen. Ich persönlich muss unbedingt Sport machen. Ich war früher fast ein professioneller Sprinter - 100 und 200 Meter vor allem. Auch heute noch muss ich Sport machen - unbedingt. Ich gehe dreimal pro Woche ins Fitnessstudio, mache Power-Lifting. Dabei kann man allen Stress vergessen, muss nicht an das Singen oder an meine Rollen denken. Wenn man fit ist, dann ist das auch sehr gut für die Bühne.
Was machen Sie zwischen den Proben, um zu entspannen?
Wenn man sechs Tage in der Woche singt, dann bleibt der Sonntag zum Entspannen. Da singe ich nicht, mache auch keinen Sport. Manchmal spiele ich Computerspiele mit Freunden in Schweden, kann dabei ein bisschen Schwedisch reden und entspannen.
Tenöre werden ja sehr häufig vor allem an ihren hohen Tönen gemessen. Wie gehen Sie mit Stress auf der Bühne um?
Es ist wichtig, die Psyche zu trainieren. Man muss immer versuchen, nicht nur an den hohen Ton zu denken, wenn man zum Beispiel die Arie "Che gelida manina" in "La Bohème" singt. Man muss einfach die Rolle für das Publikum singen.
Wovor muss sich ein junger Sänger besonders hüten?
Man muss verstehen, dass man jung ist. Man sollte nicht zu früh zu große und zu schwere Partien singen. Ich habe zwar schon den Canio in "Bajazzo" gesungen, aber das war an einem kleinen Haus mit einem sehr kleinen Orchester. An einem großen Haus würde ich das in meinem Alter nie machen. Für "Bajazzo" muss man älter sein. Die Stimme wird mit der Zeit größer werden. Ein Tenor mit 25 kann nicht singen wie Franco Corelli mit 55. Das ist vielleicht der Grund, warum manche jungen Sänger Probleme bekommen - weil sie sich nicht daran halten.
Was macht einen guten Gesangslehrer aus?
Ein guter Lehrer muss nicht nur die Technik formen. Ein guter Lehrer muss auch den Kopf seines Schülers verstehen. Wenn ich Angst vor hohen Noten haben sollte, muss ich darüber auch mit meinem Lehrer reden können. Letztlich geht es auch viel um Psychologie. Douglas Yates ist die Person, bei der ich gelernt habe zu singen. Bevor ich vor etwa zweieinhalb Jahren zu ihm gekommen bin, hatte ich Probleme mit der Technik. Für mich kann ich mir keinen besseren Lehrer vorstellen als ihn.
Haben Sie stilistische Vorlieben? Bevorzugen Sie das italienische, deutsche oder französische Fach?
Wenn die Musik gut ist, ist die Musik gut. Ich habe keine Vorlieben. Ich mag das italienische, deutsche, französische Fach - ich mag alles.
Was sind Ihre Traumrollen?
Irgendwann einmal möchte ich Rodolfo in "La Bohème" singen, aber natürlich auch andere Partien wie Nemorino, Tamino oder Des Grieux in "Manon" von Massenet.
Seit wann wussten Sie, dass Sie Sänger werden wollten? Gab es dafür ein Schlüsselerlebnis?
Als ich 16 Jahre alt war, hat mir mein Vater eine CD mit Aufnahmen von Jussi Björling geschenkt. Ich habe die CD eingelegt und als ich Björling mit "Che gelida manina" gehört habe, wusste ich: Ich will Sänger werden. Jussi Björling war mein erstes Vorbild.
Haben Sie weitere Vorbilder?
Pavarotti, Corelli, Wunderlich, der junge Carreras und natürlich Gedda.
Sind Sie "erblich" vorbelastet?
Meine Eltern haben mir immer gesagt: Du machst, was Du magst. Sie haben mich nie zur Musik gedrängt. Meine Mutter war Pianistin und ist Dirigentin an einer Musikakademie, mein Vater ist Tenor, mein drei Jahre älterer Bruder ist Tenor. Meine Schwester hat Cello und Gambe gelernt, dann aber Sprachwissenschaft studiert. Ihr Lieblingsroman ist übrigens "Dorian Gray" von Oscar Wilde.
Kommt Ihre Schwester dann zur Uraufführung am 8. Juni nach Coburg?
Nein, meine Schwester nicht - aber mein Vater.
Aus dem Leben eines jungen Sängers
Joel Annmo wurde in Stockholm geboren und lebt heute in Nürnberg. Seine musikalische Ausbildung begann er im Alter von sechs Jahren auf der Geige. Im Alter von zehn Jahren kam er an die Fryxellska Music School in Västerås. Obwohl er seinen Violinunterricht fortsetzte, entdeckte er dort seine wahre Leidenschaft - den Gesang. Im Alter von 14 Jahren begann er mit dem Gesangsunterricht. Nach vier Jahren Privatunterricht wurde er ans Konservatorium von Falun aufgenommen. Seine Studien setzte er fort am University College of Opera in Stockholm sowie an der privaten Gesangsakademie "Vocal Arts" bei Douglas Yates in Nürnberg. Annmo errang bereits mehrere Auszeichnungen und erhielt verschiedene Stipendien. Beim Gösta Winbergh Wettbewerb in Stockholm gewann er 2007 den zweiten Preis. Mit seinen damals 19 Jahren war er der jüngste Sänger, der je einen der ersten Preise dieses Wettbewerbs errang.
Premieren-Tipp "Dorian Gray" - "Musical-Oper", Text und Musik von Roland Fister, 8. Juni, Landestheater Coburg; Inszenierung: Bodo Busse; Bühnenbild und Kostüme: Michael Heinrich