Coburg 2013: Ein nicht ganz ernst gemeinter Ausblick

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Was bringt uns das Jahr 2013? Der Blick der Redaktion in die Kristallkugel ist wieder eine satirisch-ernste Sache. Glauben Sie nichts - denn schlimmer wird's immer!


Januar

Zur Monatsmitte kehrt endlich der Winter zurück - mit Macht: Busse sitzen fest, das computergesteuerte Busbeschleunigungssystem bricht zusammen und schaltet alle Ampeln auf Grün. Das führt nur deshalb nicht zum Verkehrschaos, weil ohnehin nichts mehr vorangeht. Schüler sitzen in den Schulen fest, Pendler in den Betrieben. Als es nach 18 Stunden endlich aufhört zu schneien, liegen 60 Zentimeter Schnee. Ganz Nordbayern ist eingeschneit - das Tageblatt verzichtet erstmals seit 1886 auf eine gedruckte Ausgabe.


Februar

Nachdem die Frauen-Union angekündigt hat, zum Faschingszug (Gaudiwurm) eine Bratwurstbude auf dem Albertsplatz aufzustellen, fühlen sich die SPD-Frauen herausgefordert.
Ihr Konter lautet: Stricken für die soziale Stadt! Der weltlängste rote Schal soll Coburg ins Guiness-Buch der Rekorde und für das Bürgerhaus in Wüstenahorn einen finanziellen Grundstock bringen. Nur die Grünen weisen darauf hin, dass solche Strickaktionen ja schon in den Weltkriegen üblich waren, also dem Herrn von Hindenburg gefallen hätten, dessen Straße man doch umbenennen wolle ...


März

Der Streit um die Straßennamen. Er wird einfach vertagt, indem sich die Fraktionsvorsitzenden im Stadtrat mit dem OB darauf einigen, dass es eine Prioritätenliste geben soll, was im Jahr 2013 beziehungsweise vor der Kommunalwahl 2014 noch alles entschieden wird. Auf Platz 1 landet "Konsolidierung des Haushalts", auf Platz 16 "Bratwurstbude am Albertsplatz", auf 57 dann endlich "Umbenennung der Straßen". Auf Platz 13 schafft es ein Antrag von Klaus Klumpers (ÖDP): Modifizierung der Berechnungsgrundlagen für den Demografiekoeffizienten bezüglich der Notwendigkeit eines Verkehrslandeplatzes. Das versteht zwar keiner, aber es kommen wichtige Wörter darin vor.


April

Schon wieder ein Bahngipfel! Um zu beweisen, dass die Bahnverbindungen nach Coburg besser sind als ihr Ruf, will Bahnchef Rüdiger Grube mit den Verkehrsmitteln seines eigenen Unternehmens anreisen. Weil aber just an diesem Tag die Oberleitung bei Ebersdorf repariert wird, fallen von 9 bis 12 Uhr alle elektrifizierten Züge aus. In die Dieseltriebwagen des Konkurrenzunternehmens Agilis kann Grube ja nicht einsteigen. Ihm bleibt nur der Bahn-Ersatzbus. Weil das aber in der IHK keiner mitbekommen hat, wartet das Empfangskomittee vergeblich an Gleis 2 - Grube kommt unten am ZOB an und wendet sich mit Grausen ab vom Bahnhof. Die Öffentlichkeit wird über das Ergebnis des Treffens übrigens nicht unterrichtet. Erst soll geprüft werden, ob das an diesem Tag vorgestellte Gutachten über einen Lückenschluss zwischen Bad Rodach und Hildburghausen tatsächlich in jeder Hinsicht stimmt.


Mai

Die CSU stellt ihre Oberbürgermeisterkandidatin vor. Blond und studiert will sie dem SPD-Kandidaten Paroli bieten. Die SPD weiß allerdings noch nicht, ob sie Norbert Kastner wieder nominieren kann. Er hat noch nicht abgesagt - aber auch noch nicht verbindlich erklärt, dass er noch mal antreten würde, wenn die SPD ihn wollte. Marc Stichert aus Rödental bietet sich sicherheitshalber als Alternativkandidat an. Kurz danach bildet sich eine Facebook-Gruppe mit dem Namen "Dann muss es halt der Frank machen". Sie schlägt vor, notfalls Frank Rebhan aufzustellen, der Ende Januar die OB-Wahl in Neustadt gewonnen hat. Neustadt könnte er gleich eingemeinden und umbenennen in "Neustadt zu Coburg". Da wollen die Genossen in Rödental nicht hintanstehen und starten die Initiative "Mini-Metropolregion". Ihr Vorschlag: Coburg, Dörfles-Esbach, Rödental und Neustadt vereinigen sich zur Stadt "Coburg-Itzgrund". Die neue Stadt wäre mit rund 72.000 Einwohnern größer als Bamberg, hätte Anspruch auf Schlüsselzuweisungen und wäre der vierstärkste Wirtschaftsraum in Bayern hinter München, Nürnberg und Augsburg.


Juni

Das kann sich der Landrat natürlich nicht bieten lassen. Ein Drittel der Landkreisbevölkerung wäre weg. Außerdem will er wiedergewählt werden und kann es nicht zulassen, dass der Landkreis quasi in zwei Hälften zerfällt. Die CSU ist sowohl gegen die Stadt-Vereinigung als auch gegen die Wiederwahl von Busch. SPD-Bundestagskandidat Carl-Christian Dressel sorgt für zusätzliche Verwirrung, als er von der Vergrößerung Coburgs abrät, den Anschluss für Neustadt aber befürwortet und den Kronachern versichert, dass sie auf keinen Fall betroffen sein werden. Jürgen Heike schlägt vor, den Landkreis zum Ausgleich um die Gebiete des früheren Herzogtums Coburg zu vergrößern, die heute in Thüringen beziehungsweise Unterfranken liegen. Die Stadt Königsberg wäre sofort zum Anschluss bereit - allerdings an die Stadt Coburg. Im Landkreis müsste sie ja Umlage zahlen! Gerhard Preß, dessen Amtszeit als Rödentaler Bürgermeister zu Ende geht, befürwortet ebenfalls den Zusammenschluss mit Coburg und Neustadt. Einen ebenbürtigen Nachfolger für ihn gäbe es in Rödental sowieso nicht.


Juli

Bahnchef Grube taucht unverhofft beim Sambafest auf, weil er gehört hat, dass in Coburg Tausende Menschen zum Zug kommen. Doch Grube erkennt schnell, dass mit "Zug" in dem Fall nichts gemeint ist, was auf Schienen rollt. Viel wichtiger aber: Er hat die unterschriftsreifen Verträge dabei, die regeln, dass die Bahn in Coburg zwei neue Unterführungen erhält: Einmal eine in Creidlitz und dann von der Neustadter zur Rodacher Straße. Die Bahnübergänge Rodacher und Lauterer Straße fallen dann weg. Die Baumaßnahmen sollen noch 2013 beginnen - denn wegen der trotz allem guten Konjunktur und des Wahlkampfs sind alle Finanzminister großzügiger als sonst. Sogar die Namen der künftigen Unterführungen stehen schon fest: Die in Creidlitz wird Söder-Grube heißen, die zwischen Finanzamt und Polizei Schäuble-Grube.


August

Die Bässe der Schlossplatz-Open-Airs lassen den Putz in der Ehrenburg bröckeln. Dabei werden in einem Nebenzimmer die Konturen eines Wandschranks sichtbar, der unter dem Putz verborgen war. Das kleine Gelass mit drei Regalbrettern enthält einen Sensationsfund! Private Briefe an den Prinzgemahl Albert, von denen keiner wusste. Die Sensation ist perfekt, als darin auch drei bisher nicht bekannte Briefe von Karl Marx auftauchen, verfasst im Jahr 1860. Marx hat interessiert verfolgt, was der Prinzgemahl sich zur Verbesserung der Lage der Arbeiterklasse überlegt hat. Im ersten Brief, in dem er an die kurze gemeinsame Studienzeit in Bonn erinnert, schlägt Marx vor, eine kommunistische Sonderwirtschaftszone auszuweisen, um zu beweisen, dass die Wirtschaft auch unter nicht-kapitalistischen Bedingungen funktionieren kann. Die folgenden Briefe beziehen sich auf das Vorhaben, dem der Prinzgemahl offenbar aufgeschlossen gegenüberstand. Es finden sich auch entsprechende Notizen. Daraus geht hervor, dass Prinz Albert es für vorstellbar gehalten hat, so eine Wirtschaftszone im Herzogtum Sachsen-Coburg und Gotha einzurichten. Hier sei der Kapitalismus noch nicht so weit entwickelt, und die bei der Puppenherstellung übliche Heimarbeit könne "ohne allzugroßes Zuthun einer communitaristischen Produktionsweise unterworfen werden". Beinahe wäre vermutlich Neustadt eines der ersten sozialistischen Experimente in der Geschichte geworden!


September

Damit schießen natürlich die Verschwörungstheorien ins Kraut. Prinz Albert ein heimlicher Kommunist? Wurde er umgebracht? Wie gelangten die Briefe nach Coburg? Zumindest das lässt sich leicht klären: Viktoria brachte die Korrespondenz mit, als sie zur Aufstellung des Albert-Denkmals 1865 nach Coburg kam. Aber sie wurden in der Hektik einfach in dem längst leer geräumten Wandschränkchen abgelegt, das nach dem Besuch planmäßig überputzt wurde ... Immer wieder müssen die Schlossführer seither Gäste ermahnen, die mehr oder weniger verstohlen die Wände des Schlosses abklopfen. Die Arbeiten an der Söder-Grube beginnen. Creidlitz ist damit von Niederfüllbach her nicht mehr erreichbar. Gleichzeitig wird der Übergang Hahnwiese dicht gemacht, weil die Bahn auch gleich den Bahnhaltepunkt neu herrichtet. Allerdings dauert es drei Wochen, bis die Umleitung wegen der Baustelle in das Busleitsystem einprogrammiert ist. So lange müssen die Busfahrer ohne Computerhilfe auskommen. Seltsamerweise funktioniert das.


Oktober

Die Creidlitzer freuen sich zunächst, dass endlich was passiert, ziehen aber lange Gesichter, als sie erfahren, dass die Bauarbeiten voraussichtlich zwei Jahre dauern werden. Zwei Jahre ohne direkten Weg zum Discounter? Die Bahn erbarmt sich schließlich und engagiert "Gleiselotsen", die immer dann, wenn gerade keine Baumaschine oder kein Zug fährt, Fußgänger und Radfahrer über die Gleise lassen. Zum Spatenstich für die Schäuble-Grube kommt auch Rüdiger Grube, diesmal mit dem Vorschlag, auf einen Bahn-Lückenschluss nach Südthüringen zu verzichten. Stattdessen sei die Bahn bereit, jeden Einwohner des Landkreises Hildburghausen mit dem Taxi nach Coburg zu fahren, wenn er dort in den ICE einsteigt. Das sei immer noch billiger als der Bau einer neuen Bahnstrecke. Einen Tag später gibt die Bahn bekannt, dass sie ein neues Tochterunternehmen gründen will: "Transport aller Gäste schnell & individuell", kurz Tagsi.


November

Kurz vor der Eröffnung des Weihnachtsmarkts meldet sich die Christkind-Darstellerin wegen Krankheit ab. Die CSU-OB-Kandidatin bietet sich als Ersatz an. "Dann würden der Norbert und ich wenigstens einmal zusammen den Weihnachtsmarkt eröffnen", sagt sie kokett. Doch da sind die SPD-Frauen vor: "Blond sind wir selber", erklären gleich fünf Stadträtinnen. Die Facebook-Abstimmung fürs Christkind gewinnt aber Juso-Vorsitzende Franziska Bartl. Die CSU will mit "ihrem" Christkind täglich Geschenke auf dem Weihnachtsmarkt verteilen. Ärger gibt es aber, als die CSU-Stadträte im Tourismussenat verlangen, dass diese Süßigkeiten aus dem Weihnachtsmarktetat finanziert werden sollen. Die Grünen starten daraufhin eine Strick-Aktion: "Warme Socken fürs Christkind." Die Freien Wähler organisieren Sponsoren für kleine Geschenke darin. Verteilen darf die dann Hans-Heinrich Eidt (FDP) als Nikolaus. Er hat Erfahrung im Geldverteilen, denn er organisiert ja auch die Vergabe der Zuschüsse für Haussanierungen aus der Stoschek-Spende. Bei so viel parteiübergreifender Wohltätigkeit wollen auch die CSB nicht hintanstehen und bieten Gerhard Amend als Santa Claus auf. Amend lässt sich für seine Rolle sogar einen Bart stehen. Den Jungen Coburgern bleibt da nur die Rolle des Weihnachtskobold(t)s.


Dezember

Ein Fest im Hause Sachsen-Coburg und Gotha! Viele Prominente kommen nach Coburg, darunter der Schauspieler Sky Du Mont und König Carl Gustaf von Schweden. Doch richtig elektrisiert wird die Regenbogenpresse erst durch das Auftauchen von Baron Theodor zu Guttenberg und Gattin Stephanie. Als Guttenberg nebenbei verlauten lässt, dass die Familie sich schon mehrere Häuser angesehen habe und gedenke, sich in Coburg niederzulassen, erklärt die CSU-OB-Kandidatin sofort ihren Rückzug. Noch bevor zu Guttenberg seinen Wohnsitz in Coburg angemeldet hat, ist er schon Oberbürgermeisterkandidat. Die Grünen nominieren daraufhin ganz nonchalant "Wolf-Rüdiger von den Grünen".