Zerstörte Dörfer und verwundete Herzen
Autor: Marion Krüger-Hundrup
Bamberg, Montag, 09. April 2018
Erzbischof Ludwig Schick hat sich im Irak ein Bild über die Situation der Menschen gemacht, die dem "Islamischen Staat" (IS) ausgeliefert waren.
Unmittelbar nach seiner Rückkehr von einer mehrtägigen Reise durch den Irak steht Erzbischof Ludwig Schick unter besorgtem Eindruck: "Die humanitäre Lage und die Sicherheit bleiben kritisch", sagt der Vorsitzende der Kommission Weltkirche der Deutschen Bischofskonferenz in einem Pressegespräch. Zwar sei der "Islamische Staat" (IS) zerschlagen, "aber nicht verschwunden": "Die Angst vor neuer Gewalt und weiterem Terror ist noch immer da."
Erzbischof Schick war der erste hochrangige Kirchenvertreter aus Deutschland, der sich ein persönliches Bild von der Lage in einigen Städten und Dörfern machte, in denen der IS besonders gewütet hatte. Dies waren vor allem von Christen bewohnte Orte wie Karakosh oder Karemlesh in der
Ninive-Ebene im Nordirak (Kurdistan). "Es war schon beklemmend, durch die Straßen zu gehen, in denen vor wenigen Monaten noch Menschen erschossen und vergewaltigt wurden", bekennt Schick.
Er sei beeindruckt, dass inzwischen mehr als 25 000 Christen wieder in ihre Heimatorte zurückgekehrt seien und versuchten, ein gewisses normales Leben zu führen: "So gut es geht, richten sie ihre beschädigten Häuser wieder her." Auch die Jesiden, eine religiöse Minderheit im Irak wie die Christen, gegen die der IS seine Schreckensherrschaft austobte, würden in ihre Bergdörfer zurückwollen: "Ich
war in einem ihrer Lager, in dem noch 27 000 Menschen hausen", berichtet der Erzbischof.
Ihm ist bewusst, dass neben der "äußeren Aufbauarbeit auch eine innere geleistet werden muss": Die Herzen der Menschen seien verwundet, das Vertrauen in den Nachbarn erschüttert, das vor 2003 noch friedliche Miteinander der Ethnien und Religionen in Frage gestellt. "Das Gemeinschaftsleben und die gegenseitige Akzeptanz müssen erst wieder geschaffen werden", weiß Schick nach seiner nunmehr zweiten Reise in den Irak innerhalb von zwei Jahren.
Doch auch Hoffnungsschimmer erkennt der Erzbischof. Denn "der Wille zum Aufbau ist groß". Und gerade die verschiedenen katholischen und orthodoxen Kirchen mit ihren lokalen Wiederaufbaukomitees würden beachtliche Unterstützung leisten. Wie zum Beispiel die Dominikanerinnen in Karakosh, die sich um Bildungsangebote für Kinder und Frauen oder Altenbetreuung kümmern. Er habe den Schwestern zusichern können, so der Erzbischof, dass
das Erzbistum Bamberg beim Bau eines Kindergartens und einer Schule finanziell helfen werde: "Damit Kinder wieder spielen, lernen und lachen können!" Die Kinder seien meist traumatisiert und bräuchten psychotherapeutische Betreuung. Wie besonders auch die Frauen, die behutsam
in ein normales Leben zurückgeführt werden müssten.
Erschüttert zeigt sich Erzbischof Schick über das Ausmaß der Zerstörung von Kirchen und kirchlichen Einrichtungen durch den IS. In seinen Gesprächen mit Kirchenvertretern sei ihm deutlich geworden, dass die Christen ihre Gotteshäuser unter allen Umständen wieder errichten wollen. Dabei könnten
sie auch auf den Beistand der katholischen Hilfswerke aus Deutschland bauen. Deren Leiter hätten ihn in den Irak begleitet. Bisher schon seien die Hilfswerke mit Projekten und Akuthilfe im Land vertreten.
Dem "Außenminister" der Deutschen Bischofskonferenz ist klar, dass kirchliches Engagement allein nicht ausreicht, um den durch Krieg und Terror ausgezehrten und politisch instabilen Irak in eine bessere Zukunft zu führen. Erzbischof Schick plädiert für internationale Anstrengungen zur
Konfliktlösung und zum Wiederaufbau unter der Führung der Vereinten Nationen. Auch die EU müsse sich verstärkt diplomatisch und wirtschaftlich im Irak einsetzen. "Die EU muss sich regelmäßig mit der Zentralregierung treffen und Forderungen stellen, damit wirtschaftliche Anreize geschaffen
und besonders die Sicherheitslage verbessert werden", betont Schick.
Er sagt zugleich, dass seine Irak-Reise keine politisch motivierte gewesen sei. "Ich bin dorthin gekommen, um dieser vom IS besonders brutal heimgesuchten Region die Solidarität der katholischen Kirche Deutschlands zu bezeugen. Das ist es, was dort gebraucht wird: Solidarität und Gebet." Erzbischof Schick zitiert den Patriarchen der chaldäisch-katholischen Kirche, Louis Raphael I. Sako, den er in Bagdad besucht hat. "Ihr gebt uns viel und vergesst uns nicht. Das sind Momente, für die wir zutiefst dankbar sind", habe ihm der Patriarch versichert.