Der Veränderungsprozess, in dem die Strukturen der Kirche gewandelten Bedingungen angepasst werden sollen, ruft knapp zwanzig Geistliche auf den Plan.
Prälat Theo Kellerer hat mit seinen 82 Jahren den Traum von einer erneuerten Kirche noch längst nicht aufgegeben. Im Gegenteil. Der langjährige Bamberger Domkapitular und ehemalige Nürnberger Stadtdekan steckt mit seinen Visionen sogar Mitbrüder an: knapp zwanzig Priester im Unruhestand, die seit Jahrzehnten Dienst im Erzbistum
Bamberg oder in Orden leisten.
Protest gegen überbordende Strukturfragen
"Wir sind die Konzilsgeneration", erklärt Prälat Kellerer unserer Zeitung. Also allesamt Priester, die sich den frischen Wind des Zweiten Vatikanischen Konzils um die Nasen haben wehen lassen. Und die jetzt ihrer Sehnsucht nach einem Sturmbrausen in den Kirchengemäuern Ausdruck geben. Mit ihrem öffentlich gemachten Papier "Träume für die Kirche von heute und für morgen" proben die älteren Herren den friedlichen Aufstand: "Wir werden durch dieses Papier die Kirche nicht aus den Angeln heben und retten, aber wir müssen unsere Stimme erheben!", betont Initiator Kellerer. Protestieren gegen überbordende Strukturfragen, anstatt das Gottesvolk zu einem lebendigen, persönlichen Christusglauben zu führen. Träumen von einer Kirche, die dezentral und subsidiär Lösungen für Probleme pastoraler Nöte finden und verwirklichen darf wie etwa die Zulassung wieder verheirateter Geschiedener und konfessionsverschiedener Ehepaare zu den Sakramenten.
Arme Kirche für die Armen
Revolutionär klingt der Wunsch, den Pfarrgemeinden eigene rechtliche Selbständigkeit und Leitungsverantwortung bis in den pastoralen Bereich hinein zu gewähren. Nur zu gut bekannt sind Träume der aufständigen Geistlichen wie die Zulassung von Verheirateten zur Priesterweihe oder die Diakons- und andere Weihen für die Frau. "Wir vertrauen mit Papst Franziskus darauf, dass sich die Kirche lieber verbeult, weil sie sich zu den Menschen auf den Straßen der Welt zubewegt, als dass sie nur bemüht ist, ihre Struktur und Macht aus höfischen, vergangenen Zeiten zu bewahren", heißt es auch in dem Papier, in dem von einer notwendigen "dienenden Kirche" die Rede ist, die sich der Bergpredigt verpflichtet fühlt und für die Armen eine arme Kirche wird.
Erzbischof dankt
Alles in allem ist das offene Schreiben dieser Priester eigentlich harter Tobak. Unverdaulich in einer Phase im Erzbistum Bamberg, in der neue territoriale Strukturen gefunden und die Verwaltung neu geordnet werden sollen. Dieser Veränderungsprozess unter dem Motto "Erzbistum mitgestalten" sei, so Prälat Kellerer, der Auslöser für das Traum-Papier gewesen. Für freundlich gemeinte Nadelspitzen, für die sich Erzbischof Ludwig Schick ausdrücklich bedankt!
"Mit Interesse habe ich die Überlegungen zur Kenntnisgenommen", sagt Schick. Die "grundsätzlichen Gedanken sind auch in dem Prozess zur Umstrukturierung und Erneuerung unseres Erzbistums hilfreich, sie werden in ihm bei verschiedenen Begegnungen und Diskussionen ins Gespräch einfließen", so der Erzbischof weiter.Tatsächlich befindet sich der Veränderungsprozess derzeit in der sogenannten Findungsperiode, die bis zum 31. Januar 2019 dauern soll. Dann folgt bis September 2019 die "Formalisierungsperiode", bis Oktober 2022 die"Umsetzungsbegleitungsperiode".
Was hinter diesen Wortungetümen steckt, formulierte Erzbischof Schick in seinem Hirtenwort zum Strukturprozess im September 2017 so: "Die Kirche soll im Dorf bleiben, aber zugleich muss jeder über den eigenen Kirchturm hinausschauen." Eine schlichte Formel, die die bevorstehenden, durchaus auch schmerzlichen Veränderungen auf den Punkt bringt.
Angst vor großen Entfernungen
Günter Heß, der Vorsitzende des Diözesanrates im Erzbistum, griff in einem Beitrag für das Online-Portal katholisch.de diese erzbischöfliche Kirchturm-Formel auf: "Über den eigenen Kirchturm hinausschauen - das darf aber kein Fernblick sein", konterte der oberste Laienvertreter. Auf dem Land hätten die Menschen Angst vor den großen Entfernungen, wenn der nächste Pfarrer 30, 40 Kilometer weit weg sei. Und in der Stadt hätten die Menschen Angst vor der anonymen Atmosphäre einer Großpfarrei, vermutet Heß.
In der Stadt Bamberg grummelt es in der katholischen Szene eher unter der Hand. Die Pfarrer tagen hinter verschlossenen Türen, aus ihren Pastoralkonferenzen dringt nur ein verhaltenes Säuseln: "Auf unserer Dekanatsebene ist es ein demokratischer Prozess", verkündet Dekan Günter Höfer immerhin. In Laienkreisen herrscht vor allem Unverständnis über die Anordnung des Erzbischöflichen Ordinariates, dass es mitten im Veränderungsprozess am 25. Februar 2018 Pfarrgemeinderatswahlen nach der bisher gültigen Wahlordnung geben muss. Im Traum-Papier der Priester um Prälat Kellerer heißt es passend: "... für uns alle stellt sich die Aufgabe, eine Kirche zu werden, die Ohren hat zu hören,was der Geist den Gemeinden sagt"....
Bilanz zur Jahreswende 2017 / 2018:
„Daueraufgabe Reform – auch nach dem Reformationsgedenkjahr“
Bereits im Herbst 1995 beim KirchenVolksBegehren unterschrieben mehr als 1,8 Millionen Menschen in Deutschland die fünf Ziele und Forderungen für eine Erneuerung der römisch-katholischen Kirche: Aufbau einer geschwisterlichen Kirche, volle Gleichberechtigung der Frauen, freie Wahl zwischen zölibatärer und nicht zölibatärer Lebensform, positive Bewertung der Sexualität, Frohbotschaft statt Drohbotschaft.
Nichts als verschwurbelte Rhetorik. Die Zeit dieser sogenannten "großen" Kirchen läuft ab. Das zeigen die immer mehr ansteigenden Kirchenaustritte. Die Menschen haben endlich genug von Bevormundung, Selbstbereicherung, Pädophilie, Protz, Lug umf Trug, Scheinheiligkeit, Pharisäertum etc.. Denn das ist es, wofür Kirche steht.
"... dezentral und subsidiär Lösungen für Probleme pastoraler Nöte finden ..."
Bedeutet doch im Ergebnis, dass religiöse Fragen nach dem Gusto eines Geistlichen höchst unterschiedlich ausfallen können. Dann kann ich aber gleich noch einen Schritt weiter gehen und jeden Gläubigen die Lösungen nach seinem Gewissen finden lassen. Damit würde die Kirche aber zur reinen Verwaltungsorganisation degradiert.
@Oktoberfest: Ihre Worte hören sich an, als ob Sie schwankend gerade vom Oktoberfest heimkommen, oder Erich Honecker im Herbst 1989 vor der Volkskammer. - Obwohl Missbrauchsopfer die Kirche nicht in Frage stellen! Nur: Da ist einiges in den Jahren falsch gelaufen. Es wurde vertuscht und auch gelogen. Auch Missbrauchsopfern im kirchlichen Bereich werden bis heute beschimpft, weil man nicht versteht und verstehen will, dass es in der Kirche auch Grenzüberschreiten sexueller Art von kirchlichen Mitarbeiter gab. Die Antwort der Kirche war: Versetzungen der Täter in andere Diözesen, Beförderung, Totschweigen. Dann keine Geduld der Kirche gegenüber den Opfern und den Menschen, die in der Kirche (noch) sind! - Täter konnten bis in leitender Funktion Karriere machen (u.a. Otto M., Diözese Bamberg). Warum sind denn in den letzten 8 Jahren so viele Menschen aus der Kirche ausgetreten?
Es geht nicht um das in Frage stellen der Kirche, sondern wie man intern mit Konflikten umgeht. Grundsätzlich: Wie man mit den Menschen selbst umgeht. Das ist der Skandal.
Wes Geistes Kind seid ihr, sind eure Gespräche, eure
Worte? (Gotteslob 991. 2)
Die Vorwürfe gegen den damaligen Wiener Kardinal Hans Hermann Groer waren ein Anlass für das im Jahr 1995 in Österreich gestartete KirchenVolksBegehren - Wir sind Kirche.
Bereits im Jahr 2002, als die Berichterstattung aus den USA und anderen Ländern Deutschland erreichte, und lange vor der Deutschen Bischofskonferenz richtete die deutsche KirchenVolksBewegung ein „Not-Telefon“ ein.
Nach jahrzehntelanger Vertuschung ist in den vergangenen Jahren einiges an Aufdeckung und Prävention erreicht worden. In Teilen der katholischen Weltkirche fehlt es aber noch immer an der Bereitschaft, sich den System- und Strukturfragen sexualisierter Gewalt in kirchlichen Hierarchien zu stellen. So machen oft die Kirchenfürsten ihr eigenes Ding. Die Einstellung ist: Was kümmert uns Rom!
Eine „Daueraufgabe Reform – auch nach dem Reformationsgedenkjahr“!
Das ist schon bezeichnend, dass sich 19 Priester im Ruhestand aufraffen müssen, Bewegung in der katholischen Kirche anzumahnen. Die haben ihre Karriere hinter sich und kein Machtwort mehr zu fürchten. Der Apparat ist erstarrt, beim Geschäft mit der Ewigkeit kann er sich auch noch 5 Jahre mit einem Reförmchen von des Bischofs Gnaden Zeit lassen. Derweil passt sich die Herde dem Schrumpfungsprozess an und liefert brav ihre Kirchensteuer ab. Ich ahne, dass Papst Franziskus auch bald enttäuscht hinschmeißt. Nicht mal er bringt Reformen voran. Erzkatholiken diskutieren, ob Franziskus überhaupt noch katholisch ist, weil er ein wenig Fortschritt wagt und die Zeichen der Zeit erkannt hat. Wie wäre es, wenn sich die nachkonziliaren Generationen vernehmlich auf seine Seite schlagen würden?