Im Jesusland: Träume trotz Mauer

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Wer von Jerusalem aus nach Bethlehem kommt, stößt an die acht Meter hohe Mauer. Fotos: Marion Krüger-Hundrup
Wer von Jerusalem aus nach Bethlehem kommt, stößt an die acht Meter hohe Mauer. Fotos: Marion Krüger-Hundrup
Manche Eltern bringen ihr Baby in die Geburtsgrotte und legen es am Stern nieder.
Manche Eltern bringen ihr Baby in die Geburtsgrotte und legen es am Stern nieder.
 
Sonntagsgottesdienst in der St. Georg-Kirche in Eilaboun, dem einzigen Ort in Israel außerhalb des Westjordanlandes mit christlicher Mehrheit.
Sonntagsgottesdienst in der St. Georg-Kirche in Eilaboun, dem einzigen Ort in Israel  außerhalb des Westjordanlandes mit christlicher Mehrheit.
 
Ameed Srour zu Besuch bei seinem Onkel, dem melkitisch-griechisch-katholischen Erzbischof emeritus Pierre Moalem.
Ameed Srour zu Besuch bei seinem Onkel, dem melkitisch-griechisch-katholischen Erzbischof emeritus Pierre Moalem.
 
Die Geburtskirche in Bethlehem ist nach der Tradition der Ort, wo Jesus Christus von der Jungfrau Maria geboren wurde.
Die Geburtskirche in Bethlehem ist nach der Tradition der Ort, wo Jesus Christus von der Jungfrau Maria geboren wurde.
 
Jeries Alatrash (links) und seine Tante Rakea und sein Onkel Michael Bannoura hoffen in ihrem Geschäft in Bethlehem auf Weihnachtsbesucher.
Jeries Alatrash (links) und seine Tante Rakea und sein Onkel Michael Bannoura hoffen in ihrem Geschäft in Bethlehem auf Weihnachtsbesucher.
 
 
 

In der Weihnachtszeit ist Bethlehem in aller Munde. Wie leben dort die Christen in unruhigen Zeiten? Wie ergeht es dieser religiösen Minderheit in Israel?

K arg und von der unbarmherzigen Sonne ausgedörrt zeigt sich die Landschaft um Eil aboun in Galiläa. Unmittelbar vor den Toren des 5500-Einwohner-Dorfes hat das israelische Militär Raketenbasen in die Berge getrieben. Die Atomwaffen sind auf den nahen Libanon gerichtet. Hätte Eilaboun im Ernstfall überhaupt eine Überlebenschance?

Ortsbewohner Ameed Srour bleibt äußerlich ganz ruhig, wenn er auf die drohende Gefahr angesprochen wird. Vor einem Jahr hat er mit seiner Ehefrau Susan und seinen drei Kindern ein neues Haus bezogen - mit einem Bunkerzimmer im Keller für den Kriegsfall. Doch Ameed Srour, christlicher Araber mit israelischer Staatsangehörigkeit, bringt eine gehörige Portion Fatalismus auf. Oder treffender gesagt: Sein Glaube hilft ihm, mit Hoffnung zu leben und in die Zukunft zu schauen. In eine friedliche, in der alle Menschen - gleich welcher Religion, Nationalität und Herkunft - sich die Hände reichen.
Eilaboun ist der einzige Ort in Israel außerhalb des Westjordanlandes, in dem mehrheitlich Christen - 65 Prozent der Einwohner - wohnen. "Wir sind ein liberales Dorf und leben in gutem Einvernehmen mit Muslimen und Juden", erzählt Ameed Srour, räumt aber ein, dass es "nicht einfach ist, in Israel Christ zu sein". Im "Jesusland", wie er seine Heimat bezeichnet. Nur knapp zwei Prozent der rund 8,3 Millionen Bewohner Israels gehören einer christlichen Kirche an.

Zwar gewährt der Staat Israel Religionsfreiheit. "Doch als winzige Minderheit sind wir nicht gleichberechtigt mit Juden und Muslimen", beklagt Ameed Srour. Der staatlich geprüfte Reiseführer, der in Deutschland studiert hat, führt das auch auf den Umstand zurück, dass Christen in Israel keinen Militärdienst leisten. Nur einige wenige verpflichten sich dazu freiwillig.
Obwohl im jüdischen Israel der Sonntag ein Arbeitstag ist, strömen die Christen in Eilaboun zum Gottesdienst in die Kirchen. So wie an diesem Adventssonntag, an dem Pfarrer Maron Tanus in der melkitisch-griechisch-katholischen St. Georg-Kirche die heilige Messe im orientalischen Ritus feiert. Brechend voll ist das Gotteshaus zu dieser "Göttlichen Liturgie unseres heiligen Vaters Johannes Chrysostomus" in arabischer Sprache. Und obwohl es bis zum Weihnachtsfest noch einige Tage hin sind, erstrahlt die Kirche im festlichen Gewand: Christbaum, Krippe, Girlanden aus grünen Zweigen, rote Kugeln an den Leuchtern.

Auch für Ameed Srour gehört der Kirchgang am Sonntag dazu. Und besonders gern in die St. Georg-Kirche, weil sein in Eilaboun wohnender Onkel, Erzbischof emeritus Pierre Moalem, stets einen Ehrenplatz einnimmt. Lächelnd weist Neffe Ameed darauf hin, dass Onkel Pierre ein persönlicher Freund von Papst Johannes Paul II. gewesen ist.

Raketenbasen vor Eilaboun, acht Meter hohe Mauern vor Bethlehem im Westjordanland unter der Palästinensischen Autonomiebehörde. Lässt die atomare Bedrohung dort erschauern, sind es hier Checkpoint und bewaffnete Soldaten, die Unbehagen auslösen. Zwar ist Bethlehem, der Geburtsort Jesu, nicht vollends von Israel eingemauert. Im Süden und Osten der Stadt besteht der Sperrwall "lediglich" aus elektronisch überwachten Stacheldrahtzäunen. Davor wachsen jüdische Siedlungen auf Terrain, das einst palästinensischen Einwohnern Bethlehems zur landwirtschaftlichen Bebauung gehörte.
Für die Christen ist dieses Bethlehem ein zentraler Glaubensort im Heiligen Land. Vor über 2000 Jahren zog "Josef von der Stadt Nazaret in Galiläa hinauf nach Judäa in die Stadt Davids, die Betlehem heißt... Er wollte sich eintragen lassen mit Maria, seiner Verlobten, die ein Kind erwartete. Es geschah, als sie dort waren, da erfüllten sich die Tage, dass sie gebären sollte, und sie gebar ihren Sohn, ihren Erstgeborenen..." (Lukasevangelium). Dieses biblische Geschehen berührt noch heute, gerade in der fünfschiffigen Geburtskirche mit dem niedrigen Eingang und der Geburtsgrotte. Das himmlische Kind bringt die Menschen im Jesusland zum Träumen. Träume trotz des täglichen Rassismus', der Mauer, des Stacheldrahts und der Bombendrohungen.

Der 29-jährige Jeries Alatrash, griechisch-orthodoxer Christ, gehört zu den Träumern: "Jeder Christ in Bethlehem träumt von einem besseren Leben und denkt über das Weggehen nach", sagt er unumwunden. "Das Leben hier vertreibt uns", fügt der verheiratete Vater eines neunmonatigen Töchterchens hinzu. Als aktives Mitglied einer Familie, die sich dem in Bethlehem traditionellen Schnitzhandwerk widmet, hat Jeries zwar ein bescheidenes Einkommen dank der kaufenden Touristen. Doch "am Ende des Monats warten wir auf den Anfang des Monats", weist er auf den schmalen Geldbeutel hin.

Jeries Onkel Michael Bannoura, sein Chef und Besitzer des Souvenir-Geschäftes mit Schnitzereien aus Olivenholz, ringt um Worte. Stoßweise kommen sie über die Lippen. Von einem Exodus der Christen spricht der Mann. Davon, dass von den 32 000 Einwohnern Bethlehems nur noch 23 Prozent Christen sind. Einst waren es 80 Prozent. Es gebe keine Arbeit, Israel kontrolliere die ohnehin geringe Wasserzufuhr, Bauland sei für junge Familien unerschwinglich. Und mit dem palästinensischen Pass sei die Reisefreiheit eingeschränkt: "Wir brauchen für alles ein Visum!"

Und da sind wir wieder bei einem Träumer in Bethlehem. Bei dem Muslim Hamza Abon, der in Michael Bannouras Laden aushilft. Der sehnlichste Wunsch des 18-Jährigen: "Ich möchte einmal Jerusalem sehen." El Quds, wie die arabischen Muslime diese heilige Stadt nennen, liegt nur wenige Kilometer von Bethlehem entfernt. Hamza und seine Familie warten vergeblich auf die Erlaubnis, den Tempelberg besuchen zu dürfen. Hamza lächelt traurig. Grüßt zum Abschied freundlich: "Salam!" - Frieden...



Frage an Erzbischof Ludwig Schick zu Weihnachten 2017

Stellen Sie sich bitte vor, Sie würden die Christmette am 24. Dezember 2017 in der Geburtskirche von Bethlehem feiern. Welche Weihnachtsbotschaft verkünden Sie den Besuchern aus aller Welt?

Ludwig Schick: Die Weihnachtsbotschaft von Bethlehem ist in Bethlehem die gleiche wie auf der ganzen Welt: Euch ist heute der Retter geboren, der Heiland der Welt. Die Liturgie erlaubt allerdings bei der Feier der Weihnachtsmesse in Bethlehem einen Zusatz: hier. In Bethlehem, an einem ganz konkreten Ort, zu einer ganz bestimmten Zeit ist der ewige Sohn des Vaters Mensch geworden - für uns. Die Heilige Schrift bezeichnet ihn als den Friedensfürsten. Das Geschenk des Friedens, den die Engel in der Heiligen Nacht verkündeten, gilt auch uns im Jahr 2017, besonders den Menschen in den Kriegs- und Krisengebieten der Welt. Nehmen wir diese Friedensbotschaft der Engel tief in unsere Herzen auf. Und nehmen wir das Geschenk des Friedens auch als Aufgabe an, damit wir selbst zu Boten dieses Friedens werden, in Bethlehem und an jedem anderen Ort auf dieser Erde.    mkh