Bis in die Ewigkeit

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Juden in aller Welt hoffen, auf dem Ölberg in Jerusalem begraben werden zu können. Fotos: Marion Krüger-Hundrup
Juden in aller Welt hoffen, auf dem Ölberg in Jerusalem begraben werden zu können.  Fotos: Marion Krüger-Hundrup
Die "Halle der Erinnerung" mit der Gedenkflamme für die Opfer des Holocaust.
Die "Halle der Erinnerung" mit der Gedenkflamme für die Opfer des Holocaust.
 
Der neue Museumsbau wurde im März 2005 eröffnet.
Der neue Museumsbau wurde im März 2005 eröffnet.
 
 
 
 

Am 27. Januar findet der Internationale Tag des Gedenkens an die Opfer des Holocaust statt. Ein Besuch in der Gedenkstätte Yad Vashem rüttelt auf.

S tille, absolute Stille herrscht hier auf dem Ölberg in Jerusalem. Auch die Männer, die den jüdischen Friedhof besuchen, schweigen. Stumm legen sie kleine Steine auf eines der unzähligen Gräber. Vielleicht denken sie daran, dass sechs Millionen Glaubensgefährten vergeblich gehofft haben. Eine Hoffnung, die bis heute Juden weltweit verbindet. Nämlich auf dem Ölberg begraben zu werden, um am Ende der Zeiten, wenn die Toten auferstehen, gleich vornedran zu sein: Wenn der Maschiach, der Messias, über den Ölberg kommend in Jerusalem einziehen wird.
Sechs Millionen Juden fanden im Grauen des Nationalsozialismus überhaupt kein Grab. Aber sie sind nicht vergessen, dürfen nicht vergessen werden. An sie erinnert der Internationale Tag des Gedenkens an die Opfer des Holocaust am 27. Januar. Er wurde 2005 von den Vereinten Nationen eingeführt - zum 60. Jahrestag der Befreiung des Konzentrationslagers Auschwitz-Birkenau, dem größten deutschen Vernichtungslager während der Nazi-Diktatur.
Schon 1996 hatte der damalige Bundespräsident Roman Herzog einen deutschen Gedenktag an die Opfer des Nationalsozialismus eingeführt - ebenfalls am 27. Januar. In seiner Proklamation vom 3. Januar 1996 sprach der Bundespräsident Worte von zeitloser Gültigkeit: "Die Erinnerung darf nicht enden; sie muss auch künftige Generationen zur Wachsamkeit mahnen. Es ist deshalb wichtig, eine Form des Erinnerns zu finden, die in die Zukunft wirkt. Sie soll Trauer über Leid und Verlust ausdrücken, dem Gedenken der Opfer gewidmet sein und jeder Gefahr der Wiederholung entgegenwirken."
Dennoch ist es zuvorderst der jüdische Staat Israel, der so eindringlich und aufrüttelnd mahnt, dass sich kein Mensch guten Willens entziehen kann. Etwas außerhalb des Stadtzentrums von Jerusalem liegt an den Hängen des "Berges der Erinnerung", "HaZikkaron", seit 1953 die größte Holocaust-Gedenkstätte der Welt: Yad Vashem. Hier wird der sechs Millionen ermordeten Juden bis in die Ewigkeit gedacht. Hier bekommen Männer, Frauen, Kinder, die nicht mehr leben durften, einen Namen und ein Gesicht. So wie es in der Hebräischen Bibel, im Alten Testament, in Jesaja 56,5 heißt: "Ich will ihnen in meinem Hause und in meinen Mauern ein Denkmal (Yad) und einen Namen (Shem) geben...der nicht vergehen soll."
Wer das prismenförmige Hauptgebäude von Yad Vashem betritt, muss sich auch mit dem geistigen und kulturellen Erbe der zerstörten jüdischen Gemeinden auseinandersetzen. Der Besucher muss bereit sein, eine sternenlose Nacht zu durchschreiten, Finsternis auszuhalten. Den Leidensweg von Millionen Menschen nachzuvollziehen - allein schon durch eine Wegführung als erzwungenes Zickzack in diesem Museumsbau, das kein Zurück erlaubt. Der durch Ghettos führt, Dokumente, Fotos, Tagebuchaufzeichnungen, Einzelschicksale, Briefe, Filme präsentiert, die die Unfassbarkeit der damaligen Zeit erahnen lassen.
Zyklon B-Fässer, Schuhe der Getöteten unter Glas, KZ-Mobiliar, Fotografien von ausgemergelten Gestalten in Auschwitz, denen das erfahrene Elend in den Augen brennt: Aus einem geflüsterten "Nie wieder!" wird am Ausgang, der einen freien Blick auf Jerusalem gewährt, ein lautloser Schrei.
In der "Halle der Erinnerung", wo sonst Israels Staatsgäste Kränze niederlegen, brennt in einem zerbrochenen Bronzekelch die Ewige Flamme. Auf dem Boden sind Namen zu lesen: Mauthausen, Sobibor, Theresienstadt, Buchenwald, Dachau, Bergen-Belsen - insgesamt 22 der größten Konzentrationslager. Holocaust-Überlebende haben Hunderte Gedenksteine, auf denen die Namen ihrer ermordeten Angehörigen stehen, zu einer "Höhle des Gedenkens" geformt.
Nahebei verläuft die von Johannisbrotbäumen gesäumte "Allee der Gerechten unter den Völkern" - je ein Baum für jeden Nicht-Juden, der wie Oskar Schindler sein Leben riskierte, um Juden zu retten. Rund 19 000 Bäume sind es.
Der lautlose Schrei dringt in die Kindergedenkstätte. Aus der nachtdunklen Halle leuchten nur die überlebensgroßen Gesichter ermordeter Kinder auf. Aus dem Nichts spricht eine Stimme Namen, nichts als Namen.
Yad Vashem - ein Denkmal und ein Name, der nicht vergeht. So wie in der "Halle der Namen", einem runden Kuppelbau voller Porträts und Bücher mit über zwei Millionen biografischer Gedenkblätter für die Toten der Schoah.
Yad Vashem - auch ein Archiv mit über 60 Millionen Dokumenten und ein Holocaust-Forschungszentrum. Ein symbolischer Friedhof. Ein Ölberg...



Tag des Erinnerns
In Deutschland gilt der 27. Januar seit dem Jahr 1996 als Tag des Gedenkens an die Opfer des Nationalsozialismus. 2005 wurde dieser Tag von den Vereinten Nationen zum internationalen Holocaust-Gedenktag erklärt und erinnert an die Befreiung des Konzentrationslagers Auschwitz durch die Rote Armee am 27. Januar 1945.