Theresia Kessler ist in Ungarn aufgewachsen. Während des Zweiten Weltkrieges musste ihre Familie fliehen. Schließlich kam sie mit ihren Eltern in Burkardroth unter - und blieb.
Selten haben Theresia Kessler Nachrichtensendungen so bewegt wie derzeit. Täglich verfolgt die 88-Jährige die Berichterstattung über die unzähligen Flüchtlinge, die nach Deutschland strömen. Sie wecken Erinnerungen in ihr, aber auch Ängste. Schließlich ist Theresia Kessler als junges Mädchen selbst auf der Flucht gewesen, die 1946 in Burkardroth endete.
"18, 19 Jahre war ich damals alt, hatte gerade meine Ausbildung zur Schneiderin beendet", erinnert sie sich.
Da heißt sie mit Nachnamen noch Matheis und lebt im südungarischen Gara nahe der Grenze zu Jugoslawien. Ihre Eltern sind Landarbeiter, verdienen den Lebensunterhalt auf einem Bauernhof. Doch 1944 holt der Zweite Weltkrieg die Familie ein. "Die Russen eroberten Ungarn und vertrieben alles Deutsche", erzählt Theresia Kessler.
Ihre Familie hat schwäbische Wurzeln. Zu Hause spricht man deutsch, nur in der Schule und auf Ämtern verständigt man sich auf ungarisch. "Unsere Vorfahren sind vor 300 Jahren als Schwabendeutsche eingewandert." Das sollte der Familie Matheis zum Verhängnis werden. Was genau sie damals erlebt hat, möchte Theresia Kessler heute nicht mehr erzählen. "Die Russen haben viel Böses angestellt. Dennoch hasse ich sie nicht.
Das war unser Schicksal."
Flucht ins Sudetenland
Die Familie flieht ins Sudetenland, geht nach Kriegsende jedoch zurück in die Heimat. "Aber dort war nichts mehr, wie es mal war. Alles hatten die Ungarn besetzt", erinnert sich die 88-Jährige. Nur kurze Zeit später muss die Familie erneut ihre Heimat verlassen. "An meinem 19.
Geburtstag wurden wir abgeholt und zum Bahnhof gebracht." Dort stehen Viehwaggons bereit, um die Deutschstämmigen außer Landes zu bringen. Drei Wochen ist Theresia mit den Eltern und der Großmutter in diesen Waggons unterwegs und kommt schließlich in Bad Kissingen an. "Dort verbrachten wir eine Nacht und wurden dann mit sechs anderen Familien nach Burkardroth gefahren", erzählt sie.
Nie wieder zurückgekehrt
In ihre Heimat ist die gebürtige Ungarin nie zurückgekehrt. Zwar hatte ihr späterer Mann Hermann Kessler angeboten, mit ihr nach Gara zu reisen. "Aber mir waren neue Rollläden für unser Haus wichtiger", erklärt sie, weshalb die Reise nie stattfand. Zudem hatte sie mit diesem Kapitel ihres Lebens abgeschlossen und sich mit dem Lauf der Dinge abgefunden.
"Inzwischen habe ich viele Freunde und meine Familie hier", sagt Theresia Kessler. Nur hin und wieder, wenn sie die Sehnsucht packt, dann holt sie sich das Buch "Gara" von Stefan Keiner. In dem sind nicht nur alte Fotografien, sondern auch Geschichten und Wissenswertes zu ihrer Heimat zusammengetragen. "Auf einem Bild bin auch ich zu sehen, mit meiner Schulklasse", erzählt sie.
In Burkardroth ist die Familie Matheis nach ihrer Flucht gut aufgenommen worden.
"Schließlich sprachen wir deutsch und waren katholisch." Kurz nach ihrer Ankunft freundet sich Theresia mit Trude an. "Sie stammte aus Mecklenburg und arbeitete als Dienstmädchen in der Bäckerei Ehrenberg, wo wir damals unterkamen."
Ein Zimmer mit Vorraum
Die Familie bewohnt samt Großmutter zunächst ein Zimmer mit Vorraum, der als Küche dient.
"Es war eng, aber wir waren zufrieden." Später zieht die ungarische Familie in die Melchiorsmühle nach Zahlbach. Der Vater hilft zunächst Emma Ehrenberg in der Landwirtschaft, später arbeitet er im Wald. Auch Theresia trägt zum Lebensunterhalt bei und beginnt, Kleider zu nähen. Die Maschine dafür bekommt sie von ihrer Schwägerin geschickt, die in München lebt, da der Bruder noch in Gefangenschaft ist.
"Ich kann mich sogar noch an meine erste Kundin erinnern, die Hedwig Grom", erzählt die Ungarn-Resi, wie sie damals in Burkardroth genannt wird. "Ich habe Tag und Nacht genäht", erinnert sie sich. Schließlich will sie ihren Freund Herrmann Kessler heiraten, den sie nur wenige Monate nach ihrer Ankunft in der Rhön kennengelernt hat. Doch es sollte sechs Jahre dauern, bis die beiden den Bund fürs Leben schließen können. "Wir hatten ja nix", sagt sie.
Im Haus der Enkelin
Heute hat sie dafür umso mehr: Eine große Familie, die sich liebevoll um sie kümmert. Noch immer wohnt Theresia Kessler in ihrem Haus an der Forstmeisterstraße, gemeinsam mit ihrer Enkelin Tatjana und deren Familie. "Ich könnte mir gar nichts anderes vorstellen."
Ob die Flüchtlinge, die derzeit nach Deutschland strömen, sich ähnlich entwickeln, bezweifelt Theresia
Kessler stark. "Wir mussten damals arbeiten, um zu überleben. Außerdem haben wir uns angepasst", sagt sie. Nur das Gulasch hat sie in all den Jahren immer etwas schärfer gekocht als die Frauen hier.
Es ist ein schlechter Zeitpunkt für derartige Geschichten. Zwar ist das Ende des 2. Weltkrieges auch im runden Jahr, doch habe ich den Eindruck der Zeitpunkt wird bewußt gewählt um mit den aktuellen Flüchtlingszuströmen zu vergleichen.
Das wäre natürlich Äpfel mit Birnen verglichen. Warum brauche ich hier nicht zu erklären, das haben andere schon genug getan.
Gleichzeitig verstehe ich die Blauäugigkeit und Naivität nicht, mit der diese Äpfel-Birnen-Vergleicherei gebetsmühlenartig unters Volk gestreut wird.
Ich würde mir wünschen, dass die Welt so schön und heil ist, wie sie uns weis gemacht wird, allein mir fehlt der Glaube!