Wilde Rhön: Wassersauger in luftiger Höhe

Heute klettern wir in die Baumwipfel von Buchonia. Streuobstwiesen so weit das Auge reicht. Luftig ist es. Und: Ein kühler Wind weht um die Nase. Am Ast neben uns reibt ein Vogel seinen Schnabel am Obstbaum.
Ein idyllisches Bild, das es aber in sich hat. Insbesondere, wenn der Vogel vorher Kohldampf auf Misteln hatte und jetzt meint, neben uns seine Notdurft verrichten zu müssen. Des einen Freud ist hier nämlich - wie im Sprichwort - des andern Leid. Und das nicht wegen des Geruchs.
Denn die Mistel ist ein Schmarotzer, der sich aushalten lässt. Genauer gesagt ist das Gewächs ein Halbschmarotzer. Das heißt: Sie kann Photosynthese betreiben. Mit Licht werden energiearme in energiereiche Stoffe umgewandelt. Vollschmarotzer können das nicht - sie sind ständig auf einen Wirt angewiesen.
Aber zurück zu unserem Vogel. Durch die Mistel-Mahlzeit haften Samen am Schnabel und in seinen Ausscheidungen. Das Reiben des Schnabels am Baum oder das Verrichten des Geschäfts bringen den Samen zum Wirt - dem Baum.
Eine kleine Handlung, die viel Schaden bewirken kann. Denn fängt die Mistel an zu wachsen, leidet der Baum. Viel braucht es dafür nicht.
Der Mistelsamen ist lediglich auf Luft(feuchte) und Licht angewiesen. Und: Statt eines Mistelzweigs findet sich binnen weniger Jahre ein ganzer Ballen in der Krone. Einen Vogel braucht es dafür dann nicht mehr. Denn: Die Mistel tropft sozusagen nach unten durch. Aber wie hält sich das Gewächs eigentlich beim Rhöner Wetter im Baum?
Im Lauf der Evolution hat sich der Halbschmarotzer neustrukturiert. Seine Wurzeln wurden zu einer Art Saugorgan. Darüber entziehen sie ihrem Wirt wie über einen Strohhalm Wasser und darin gelöste Mineralien. Zunächst haftet der Samen am Ast an und wächst in den Ast hinein. Der Baum nimmt das als eine Wunde wahr und überwallt den Einwuchs - und schon ist die Mistel sattelfest.
Der leidtragende ist der Baum - und möglicherweise römische Legionen aus dem Asterix-Comic. Denn: Ohne Misteln gibt es keinen Zaubertrank vom Druiden. Neben Asterix und Obelix profitieren nur Vogel und Mistel. Denn: Die Früchte der Mistel bieten den Vögeln, die im Winter in der Rhön bleiben, Nahrung.
Für die Mistel wird der Vogel zum Samentransporter. Will man den Schmarotzer im Baum loswerden, muss der Gärtner handgreiflich werden. Gut zureden hilft weniger dabei, einen Parasiten zu bekämpfen. Die einzige Lösung: Der befallene Ast muss ab.