In Unterfranken lebten früher viele Störche, vor allem im Maintal. In der Rhön hingegen kommen sie überhaupt nicht vor. Außer sie machen Rast auf ihrer Reise in den Süden.
Walter Metz traut seinen Augen kaum: Sieben Störche sitzen auf einem Feld in Zahlbach nahe der Verbindung zur Bundesstraße 286. Schnell zückt der Burkardrother seine Kamera und macht ein paar Schnappschüsse von den seltenen Gästen.
Beim näheren Betrachten wird klar, es handelt sich bei den Tieren um Weißstörche. Deren Gefieder ist überwiegend weiß, nur der untere Teil hat schwarze Federn. Beine und Schnabel sind rot.
1994 war der Weißstorch Vogel des Jahres. Die Tiere galten viele Jahre als vom Aussterben bedroht. Dank des intensiven Vogelschutzes ist deren Zahl seit einigen Jahren wieder am Ansteigen, auch in Bayern.
Tiefpunkt im Jahr 1988
Um 1900 lebten im Süden Deutschlands rund 250 Brutpaare, ist im aktuellen Report zum Weißstorchschutz des Landesbundes für Vogelschutz (LBV) nachzulesen.
Bis 1934 hatte sich deren Zahl mehr als halbiert. Bereits 40 Jahre später wurden im Freistaat sogar nur 97 Horstpaare gezählt. Den absoluten Tiefpunkt erreichte ihre Anzahl 1988. Sie betrug damals 58 Storchenpaare.
"Seit 2005 ist deren Zahl wieder kontinuierlich am steigen", sagt Oda Wieding. Sie leitet das LBV-Artenhilfsprogramm für Weißstörche.
Mittlerweile leben wieder mehr als 300 Storchenpaare in Bayern, die meisten davon in der Oberpfalz, Ober- und Mittelfranken und in Schwaben. 2014 wurden insgesamt 364 Paare im Freistaat gezählt, die 681 flügge Junge heranzogen.
Auch deutschlandweit ist ein Storchen-Aufschwung zu beobachten. 2013 gab es hierzulande 5598 Weißstörche. 2014 stieg deren Zahl auf rund 5760 an. Aktuelle Zahlen zum laufenden Jahr liegen noch nicht vor.
Allerdings prognostizieren die Experten, dass 2015 erneut ein sehr gutes Storchen-Brutjahr ist. Nicht zuletzt, weil es so viele Mäuse gab. Somit fanden die Vögel genügend Futter, nicht nur für ihren Nachwuchs.
Etwa 4,5 Kilogramm Nahrung pro Tag benötigt ein Storchenpaar während der Brutzeit. Ein reiches Angebot finden sie aber nicht überall.
"Flurbereinigungen und Flussbegradigungen, trocken gelegte Wiesen und die intensive Nutzung für Energiepflanzen führen dazu, dass der Weißstorch sich nicht mehr ernähren kann", so die Expertin Oda Wieding im aktuellen Report. Deswegen seien mittlerweile das Maintal zwischen Bamberg, Schweinfurt, Würzburg und Aschaffenburg sowie das Isartal zwischen München und Donau für den Weißstorch verloren.
"Normalerweise gibt es hier in unserer Gegend um
Burkardroth keine Störche", weiß Walter Metz. Der Blick auf die interaktive Storchennestkarte des LBV gibt dem Elektromeister Recht: Der Landkreis Bad Kissingen ist ein weißer Fleck. Lediglich in Hammelburg und Westheim sind zwei Nester, Horste genannt, verzeichnet, die nach Einschätzung des LBV sporadisch besetzt werden. Westheim wurde erst 2014 neu besiedelt.
"Früher siedelten sie auch in Bad Neustadt", erklärt Oda Wieding.
Auf dem Weg nach Süden
Woher die sieben Weißstörche stammen, die in der vergangenen Woche in der Zahlbacher Flur rasteten, darüber kann auch die Storchenexpertin nur spekulieren. "Sie können von überall her kommen", sagt sie auf Nachfrage der Saale-Zeitung.
Bei Würzburg wurden vor Kurzem beispielsweise 60 schwedische Störche gesehen. Jedoch könnten die in Zahlbach Rastenden auch aus dem Kinzig-Tal in Hessen oder dem Werra-Tal in Thüringen stammen.
Sie sind bestimmt auf ihrem Weg in den Süden", sagt Walter Metz. So abwegig ist der Gedanke nicht. "Es ist Zugzeit. Die Störche treten von Ende Juli bis Ende August die Reise in ihre Winterquartiere an, je nachdem wann ihre Jungen flügge werden", erklärt Oda
Wieding.
In der Regel überwintern die Weißstörche in Afrika. Um dorthin zu gelangen, brauchen die Tiere zwei bis vier Monate, täglich legen sie zwischen 150 bis 300 Kilometer zurück. Die meisten Weißstörche wählen laut dem Naturschutzbund (Nabu) bei ihrer Reise die sogenannte östliche Route, die sie über den Bosporus in der Türkei in den Nahen Osten zunächst bis in den Sudan und dann weiter nach Tansania und sogar nach
Südafrika führt. "Die Störche Südwestdeutschlands nehmen gemeinsam mit ihren Artgenossen aus Frankreich, Spanien und der Schweiz die westliche Zugroute über Gibraltar und die Sahara, um in der westafrikanischen Sahelzone zwischen Senegal und Tschad den Winter zu verbringen", ist auf der Nabu-Homepage nachzulesen.
Andere wiederum bleiben in Bayern. Das bestätigt auch Storchenexpertin Oda Wieding.
"Im Freistaat überwintern mittlerweile über 100, fast 150 Vögel, vor allem in Schwaben und Mittelfranken", sagt sie. Mit der Kälte haben die Tiere kein Problem. Wichtiger ist für sie ein ausreichendes Nahrungsangebot.
"Die Störche haben den Sommer hier verbracht und kennen ihre Umgebung genau", so die Expertin. Sie wissen beispielsweise, wo Mäuselöcher sind oder wie Bäche verlaufen.
Selbst bei Schnee finden sie im Wasser Egel, Wasserschnecken und Fische. Wenn das Futter jedoch knapp wird, ergreifen die Tiere die sogenannte Winterflucht und ziehen an den Bodensee oder in das Elsass weiter.
Im Winter melden
Spezielle Futterstellen für Störche einzurichten, davon rät Oda Wieding ab. "Die Vögel werden so nur weiter an den Menschen gebunden", sagt sie.
Jedoch sie bittet darum, wer einen Storch im Winter entdeckt, diesen zu melden. Entweder bei der Unteren Naturschutzbehörde im Landratsamt oder direkt beim Landesbund für Vogelschutz. "Es könnte ja sein, dass er verletzt ist und Hilfe braucht." Die sieben Störche, die in Zahlbach rasteten, waren allesamt fit. Denn kaum hatte Walter Metz seine Fotos gemacht, zogen die Vögel weiter.