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Urteil zur Attacke in Wildfleckener Supermarkt


Autor: Ulrike Müller

Wildflecken, Mittwoch, 22. Mai 2013

Im Herbst wurde Matthias Krenz* (Name von der Redaktion geändert) in einem Supermarkt brutal angegriffen. Auch ein anderer Mann steckte Prügel ein. Der Täter musste sich gestern vor Gericht verantworten.
Diese beiden Männer stellen nach, was am 17. November 2012 in einem Supermarkt in Wildflecken geschah. Foto: Ulrike Müller


Es war ein Blick, der Matthias Krenz* drei Zähne kostete. "Ich stand gerade vor dem Schnaps-Regal", schilderte er gestern vor Gericht. Ein Wildfleckener hatte offensichtlich Streit mit einem Bekannten gehabt: Der Mann würgte seinen ehemaligen Freund, Beleidigungen flogen hin und her, Kinder schrien. Und das mitten im Supermarkt. Krenz hörte den Aufruhr, sah den Mann auf sich zukommen.

"Ich war erschrocken und habe ihn angeschaut." Das war sein Verhängnis.

Angeklagter zeigte Reue

Der aufgebrachte Mann warf Krenz in die Regale. Dabei fiel sein Handy zu Boden. Als Krenz sich danach bückte, kam der Tritt. Die Wucht war so stark, dass sie ihm die Unterlippe zerteilte. Ein Zahn brach ab, zwei weitere konnten nicht mehr gerettet werden. Nun trägt Krenz eine Schiene. "Ich habe nicht gewusst, dass ein Tritt solche Folgen haben kann", zeigte der Angeklagte Reue. Mehrmals entschuldigte er sich bei seinem Opfer, auch vor Gericht. Doch Krenz kann die Entschuldigung nicht annehmen. "Der Schock sitzt noch zu tief."

Die Einschätzung der Staatsanwaltschaft Schweinfurt war eindeutig: Für vorsätzliche Körperverletzung und Bedrohung - im Streit mit dem Bekannten - sowie gefährliche Körperverletzung im Fall Krenz sei eine Freiheitsstrafe von 10 Monaten angebracht, die allerdings auf Bewährung ausgesetzt werden könne. Die Verteidigung folgte dem Strafmaß. Schon zu Beginn der Verhandlung legte der Verteidiger eine umfassende Erklärung ab und erklärte alle Vorwürfe als "zutreffend".

Das verkürzte den Prozess. Die Hälfte der Zeugen, die geladen waren, wurden wieder nach Hause geschickt. Lediglich die beiden Opfer wurden gehört. Der Bekannte, bei dem der Streit eskalierte, schilderte mit dramatischen Worten die Szene, die sich im Supermarkt abgespielt hatte. Erst mit einem Schlag ins Gesicht des Angreifers konnte er sich aus dem Würgegriff befreien. "Ich habe ihm so eine reingehauen, dass er loslassen musste", sagte der Frührentner aus Oberbach. Die Würgemale am Hals und die Hämatome am Oberschenkel sind inzwischen abgeheilt.

Nicht so bei Krenz. "Das dauert etwa ein bis eineinhalb Jahre", sagte er. Im Juni wird in einer ersten Operation Knochen von der Hüfte entnommen und im Oberkiefer eingesetzt. "Später kommen dann Implantate rein." Kostenpunkt: 10.000 bis 11.000 Euro. Die Versicherung zahlt nur einen Bruchteil. Und Krenz will Schmerzensgeld. In einem Täter-Opfer-Ausgleich haben sich beide Seiten vorläufig verständigt. Doch viel ist vom Angeklagten nicht zu erwarten. Er ist Hausmann und seine Frau verdient nicht gerade üppig.

Anstieg an Straftaten

In Wildflecken hat der Fall Aufsehen erregt. Die Polizeiinspektion (PI) Bad Brückenau hob ihn in ihrer Kriminalstatistik besonders hervor. Denn im vergangenen Jahr schnellte die Zahl der Straftaten in der Gemeinde drastisch nach oben: Von 126 Fällen im Jahr 2011 auf 199 im Jahr 2012. Besonders Betrug (Stichwort Internetkriminalität) und Rohheitsdelikte waren für den Anstieg verantwortlich. Sind Wildfleckener krimineller als andere Rhöner?

Herbert Markert, Dienststellenleiter der PI Bad Brückenau ist sich ziemlich sicher, das dem nicht so ist. "Das war ein Ausreißer", vermutete er schon lange. Jetzt hat er es schwarz auf weiß: Von Januar bis April habe es nur 38 Straftaten gegeben. 2012 seien es im selben Zeitraum schon 89 gewesen. "Man kann getrost davon sprechen, dass sich die Welt in Wildflecken wieder eingerenkt hat", sagt Markert.

Die Richterin verurteilte den Angeklagten zu zehn Monaten Freiheitsstrafe - auf Bewährung. "Ich muss ganz klar sagen: Noch", machte sie ihm klar, dass die Milde auch mal zu Ende ist. Außerdem erlegte sie ihm 150 Arbeitsstunden auf. Für Krenz ändert das nichts. Seit dem Vorfall hat er sich verändert, er ist vorsichtiger geworden. "Und ich vermeide Blicke."

* Name von der Redaktion geändert