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So wird die Sinntal-Brücke gesprengt


Autor: Ulrike Müller

Bad Brückenau, Freitag, 07. Juni 2013

Noch nie ist in Deutschland eine so lange Brücke wie die Sinntalbrücke am Stück gesprengt worden. Martin Hopfe, Geschäftsführer der Thüringer Sprenggesellschaft, erklärt, wie das mächtige Bauwerk auf den Boden geholt wird.
Links steht die neue Brücke, rechts die alte. Am 22. Juni wird sie gesprengt. Fotos: Ulrike Müller


Hopfe ist Diplom-Geologe und hat ein Zusatzstudium zum Spreng-Ingenieur absolviert. Heute ist er Geschäftsführer der Thüringer Sprenggesellschaft mit Sitz in Kaulsdorf (Landkreis Saalfeld-Rudolstadt).

Herr Hopfe, für den Altlandkreis Bad Brückenau ist die Sprengung eine Premiere. Wie sieht es bei Ihnen aus, haben Sie eine Brücke dieser Länger schon mal auf den Boden geholt?
Martin

Hopfe: So eine lange Brücke ist überhaupt noch nicht in Deutschland gesprengt worden, zumindest nicht am Stück, wie wir es bei der Sinntalbrücke ja vorhaben.

Wie gehen Sie denn sonst bei großen Brückensprengungen vor?
Grundsätzlich gibt es zwei Möglichkeiten: Man könnte den Überbau, also die Stahlkonstruktion, die die Fahrbahn trägt, abnehmen und dann die Pfeiler einzeln sprengen. Das ist sehr kostenintensiv und dauert auch länger. Im Fall der Sinntalbrücke haben sich alle Beteiligten daher für die zweite Variante entschieden, nämlich in einem Zündgang alle Pfeiler auf einmal zu sprengen und die Brücke kontrolliert senkrecht runterzuholen.

Wie soll das gehen? Wird die Brücke nicht in eine Richtung kippen?
Nein, es handelt sich hier um eine so genannte Falt-Sprengung. Die Pfeiler erhalten jeweils in der Mitte und über dem Fundament eine Sprengebene, die 180 Grad versetzt angeordnet wird. Bei der Sprengung bricht dann jeweils einen Keil heraus, so dass die Pfeiler buchstäblich zusammenklappen. So ähnlich wie ein Zollstock auch gefaltet wird, wenn Sie so wollen. Der Überbau fällt dann senkrecht auf die Bruchstücke der gesprengten Stahlbeton-Pfeilern.

Allein der Überbau wiegt ja schon 7000 Tonnen. Wie wird dieses Gewicht aufgefangen?
Unter der Brücke werden Fallbetten aus Erde aufgeschüttet. Die werden mit Metallplatten, die mit Schweißbrennern gezielt aus den Kragarmen des Überbaus herausgeschnitten wurden, verstärkt. Ohne diese Teile würde die Brücke sich zu stark in die Fallbetten einbetten, so wie ein Messer durch die Butter fährt. Zusätzlich werden noch Löcher in die Fahrbahnmitte gebrannt. Sie verhindern den Fallschirm-Effekt, damit die Brücke nicht ins Trudeln kommt.

Ganz ungefährlich ist die Sprengung aber trotzdem nicht, oder?
Ok, passieren kann immer etwas. Aber wir arbeiten nach dem Mehr-Augen-Prinzip. Alle Berechnungen, die hinter dieser Sprengung stehen, werden von unabhängigen Sachverständigen im Auftrag der Autobahndirektion Nord geprüft. Außerdem sind wir mit einer Betriebshaftspflicht für Sach-, Personal- und Umweltschäden bis zu zehn Millionen Euro versichert.

Was ist denn mit dem Sprengstoff an sich? Werden Schadstoffe frei?
Sprengstoff besteht zum großen Teil aus Ammoniumnitrat. Das ist derselbe Stoff, den Bauern zum Düngen auf ihren Feldern einsetzen. Bei der Explosion selbst wird der Sprengstoff restlos umgesetzt. Eine Gefahr wären eventuell nicht detonierte Sprechstoffreste. Nach denen wird nach der Sprengung aber gezielt gesucht.

Und die Sprengschwaden?
An Silvester gibt es wesentlich mehr Schwaden. Das sind Pulverschwaden, weil in den Raketen ja Schwarzpulver verwendet wird.

Zur Sprengung am 22. Juni werden zahlreiche Schaulustige erwartet. Ist der Spreng-Tourismus für Sie ein Problem?
Nun, als wir 2004 den "Langen Oskar" in Hagen gesprengt haben, waren mehr als 45.000 Zuschauer da. Meine Meinung ist: Es ist besser, wir sagen den Menschen, wo sie stehen können, als dass sie sich hinter einem Busch verstecken und sich so ungewollt in Gefahr bringen. Deshalb gehen wir auch offensiv auf die Öffentlichkeit zu. Die Menschen sollen verstehen, was hier passiert. Ich sage immer: Sprengen ist Vertrauenssache.

Vertrauenssache?
Ja, genau. Und nur Information schafft Vertrauen. Viele können sich ja gar nicht vorstel len, wie sorgfältig so eine Sprengung vorbereitet werden muss.

Das Gespräch führte Redakteurin Ulrike Müller.